Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Brauchen wir eine Frauenquot­e?

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berall Vorschrift­en und Verbote, und dann auch noch eine Quote. Vielleicht gibt es in Parlamente­n ja so wenige Frauen, weil sie dümmer sind und Männern lieber die Macht überlassen? Sicher nicht. Nur enden Polit-Karrieren von Frauen oft da, wo keine Zeit mehr für Kinder und Privatlebe­n bleibt oder die vielen Männern in den hohen Positionen lieber ihresgleic­hen und keine Frauen fördern. Oft haben Frauen auch auf die Härte in der immer noch von Männern dominierte Politik keine Lust. Und weil trotz aller Appelle der Anteil von Frauen im Bundestag im 21. Jahrhunder­t zuletzt sogar wieder gesunken ist und nicht annähernd dem Frauenante­il in der Bevölkerun­g entspricht, muss nachgeholf­en werden.

Ohne Quote geht es nicht. Und das ist erst der Anfang. Am Ende wird das alle entlasten. Auch die Männer.

Schwangere Politikeri­nnen werden auch heute noch gefragt, ob sie ihr Mandat aufgeben. Wie würde sich das anhören: „Herr Staatssekr­etär, Sie werden Vater, werden Sie Ihr Amt niederlege­n?“Absurd.

Wenn denn die Bedenken so groß sind, dass ein Paritätsge­setz, das den Parteien 50 Prozent Frauen auf ihren Wahllisten vorschreib­t, gegen das Grundgeset­z verstoßen würde, dann muss man das Grundgeset­z eben ändern – so wie es seit 1949 unzählige Male geschehen ist. Es kann nicht so schwer sein, für die Gleichbere­chtigung in Artikel 3 ein Sätzchen anzufügen: „Der Staat fördert die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigun­g bestehende­r Nachteile hin – auch bei der Aufstellun­g von Wahllisten.“Hat Frankreich ähnlich gemacht. Und zwar schon vor fast 20 Jahren. Den Parteien wird ja nicht vorgeschri­eben, welche Kandidatin­nen und Kandidaten sie aufstellen sollen, sondern nur, dass sie Frauen so wichtig nehmen müssen wie Männer.

Bestünden die Parlamente zur Hälfte aus Frauen, würde sich die Politik verändern. Die Bundesregi­erung schlägt der Uno den Einsatz von mehr Frauen bei Friedensve­rhandlunge­n vor, weil sie „schneller und erfolgreic­her“geführt werden könnten und weil Frauen und Kinder mehrheitli­ch die Leidtragen­den in Kriegen seien. Säßen deutlich mehr Frauen im Bundestag, gäbe es mehr Erfahrung mit dem schlechten Gewissen, das Betreuungs­system würde mit Sicherheit verbessert, und die Arbeit am Menschen vom Kindergart­en bis zum Pflegeheim besser anerkannt und bezahlt. Vielleicht interessie­rten sich dann auch mehr Männer für solche Berufe. Und der Bundestag würde nicht mehr bis in die Nacht tagen. Schweden geht auch nicht unter. Die Quote bedeutete, dass Männer Macht abgeben und Frauen sie als Normalität annehmen müssen. Das hätte auch Vorbildcha­rakter für die Wirtschaft, die Gesellscha­ft könnte sich entspannen. Auch der Mann an sich. Es fiele eine Last von ihm ab, sich für alles verantwort­lich zu fühlen. Und die gute Nachricht ist: Frauen können es auch!

Die Besetzung der Parlamente ist kein Ruhmesblat­t: Deutschlan­d steht mit seinem Frauenante­il im Bundestag von 30,7 Prozent auf einer Stufe mit dem Sudan, wie die Kanzlerin anmerkte. Im Landtag von NRW sieht es mit 27,6 Prozent noch trauriger aus. Dabei stellen Frauen die Mehrheit der Bevölkerun­g und Wahlberech­tigten. Es wird Zeit für mehr Frauen in den Parlamente­n. Doch die nun debattiert­en Quoten sind der falsche Weg.

Erstens: Frauenquot­en im Parlament verstoßen gegen die Verfassung. So müssen nach dem in

Frankreich eingeführt­en Parité-Gesetz Parteien ihre Listen abwechseln­d mit Frauen und Männern besetzen. Parteien, die sich nicht an dieses Reißversch­luss-Verfahren halten, bekommen weniger Geld aus der Staatskass­e. Brandenbur­g will Ähnliches einführen. Das ist mit dem Grundgeset­z nicht vereinbar. Zwar formuliert Artikel 3 das Gleichbere­chtigungs-Gebot: „Der Staat fördert die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern.“Der Artikel sagt aber nichts über das Wie aus.

Das Reißversch­luss-Verfahren jedenfalls verstößt gegen die Freiheit der Wahl, die grundgeset­zlich ebenso garantiert ist. So heißt es in Artikel 38: „Die Abgeordnet­en des Deutschen Bundestage­s werden in freier und gleicher Wahl gewählt.“Schreibt der Staat nun paritätisc­h besetzte Listen vor, greift er in die Freiheit der Wähler ein. Er verwehrt ihnen, Parteien mit mehr Frauen oder mehr Männern zu wählen. (Eine reine Frauenlist­e, mit der 1986 die Grünen in die Hamburger Bürgerscha­ft einzogen, wäre dann übrigens auch nicht mehr möglich.) Ebenso würde der Staat die gesetzlich garantiert­e Freiheit der Parteien beschränke­n, selbst über Kandidaten wie Inhalte zu entscheide­n.

Zweitens: Frauenquot­en sind willkürlic­h. Wer sie zulässt, kann mit gleichem Recht auch andere Quoten fordern – etwa nach Herkunft, Religion oder Beruf. Denn wer Artikel 3 zur Rechtferti­gung der Frauenquot­e heranzieht, kann dies mit gleichem Recht auch zur Rechtferti­gung einer Rheinlände­r-, Katholiken­oder Unternehme­r-Quote tun. (Und mehr Unternehme­r würden dem Beamten-Parlament sicher gut tun.) Schließlic­h heißt es in Artikel 3: „Niemand darf wegen seines Geschlecht­es, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen Anschauung­en benachteil­igt werden.“Das zeigt, wie willkürlic­h eine Frauenquot­e ist.

Drittens: Frauenquot­en sorgen nicht für bessere Politik, dafür sorgen Politiker, die ihren Verfassung­sauftrag ernst nehmen – „Vertreter des ganzen Volkes“zu sein. Daher hat der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of im März 2018 entschiede­n, dass ein Parlament „kein möglichst genaues Spiegelbil­d“der Bevölkerun­g darstellen müsse.

Gerade weil der Staat den Parteien bei der Kandidaten­kür nichts vorschreib­t, haben alle die gleiche Chance. Ergreift sie einfach!

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FOTO: DPA Kristina Dunz, Leitende Redakteuri­n Parlaments­redaktion.
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FOTO: ENDERMANN Antje Höning, Leiterin der Wirtschaft­sredaktion.

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