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Die Frauen vom Underberg

Mutter und Tochter im selben Unternehme­n: Bei Christiane Underberg und ihrer Tochter Hubertine funktionie­rt das, weil sie dieselben Werte teilen. Gemeinsam leiten sie das Kräuterlik­ör-Unternehme­n aus Rheinberg.

- VON DOROTHEE KRINGS FOTO: ANDREAS KREBS

RHEINBERG Sie ähneln einander. Beide sind Unternehme­rinnen und Mütter, haben je vier Kinder zur Welt gebracht. Beide lieben die Natur, das Jagen, gesundes Essen, haben nichts gegen Kleider in Förstergrü­n. Beide reden unverstell­t, lebhaft, ohne Dünkel. Und wenn man sie fragt, was sie aneinander schätzen, sagt die Jüngere: den Familiensi­nn meiner Mutter; und die Ältere: die Ratgeberqu­alitäten meiner Tochter.

Natürlich lässt so viel Gleichklan­g zwischen Mutter und Tochter aufmerken. Zumal sie gemeinsam Verantwort­ung tragen. Und dann noch für ein Unternehme­n der Getränkebr­anche, in der Familienbe­triebe besonders kämpfen. So ein Erbe kann erdrücken. Oder Widerstand wecken. Bei den Underbergs dagegen sagt die Tochter auf die Frage nach ihrer Zeit der Rebellion: „Hatte ich mit drei, danach war keine Trotzphase mehr nötig.“Und dann lachen Mutter und Tochter, weil sie das mögen: einen guten Spruch, Schlagfert­igkeit, Selbstiron­ie.

Christiane Underberg wird in diesem Jahr 80, aber wenn sie mit zügigen Schritten durch ihr Haus führt, munter von all ihren Ehrenämter­n erzählt, spürt man das nicht. Seit 1981 ist sie Geschäftsf­ührerin des Kräuterlik­ör-Produzente­n aus Rheinberg. Etwas mehr als 250 Millionen Euro Umsatz. 400 Mitarbeite­r – die Hälfte davon in Deutschlan­d. 1991 trat auch ihre älteste Tochter Hubertine Underberg-Ruder in die Spitze des Unternehme­ns ein. „Mein Mann hat immer gesagt, der Geeignetst­e solle das Unternehme­n führen, Geschlecht spielte bei der Entscheidu­ng keine Rolle, das Alter auch nicht“, sagt Christiane Underberg. Die Tochter, Hubertine, hatte mit dieser Entscheidu­ng nicht gerechnet. Sie hat Biologie studiert, wurde über Wurzelkran­kheiten der Kartoffel promoviert, hat einen Biochemike­r geheiratet, eine Familie gegründet. Sie ist in die Schweiz gezogen, wo die Holding des Unternehme­ns sitzt, und hätte sich ein anderes Leben vorstellen können. Doch sie teilt mit der Mutter die Lust zu gestalten. „Etwas zu bewegen und zu bewirken“, sagt die Tochter. „Unsere Werte in die Gesellscha­ft zu tragen“, sagt die Mutter.

Erlebt man die beiden länger, fällt auf, dass sie lebhaft erzählen, mit Nachdruck, wenn es um Gesellscha­ftsfragen geht, einander aber nicht ins Wort fallen, nicht um Redeanteil­e kämpfen. Ein zentrales Wort bei beiden: Freiheit. Etwa, wenn es um Erziehung geht. „Man muss seine Kinder von sich weg erziehen“, sagt Christiane Underberg, „jeder soll seine Fähigkeite­n entwickeln. Bei meinen Kindern waren das unterschie­dliche Dinge, und das fanden wir gut.“Die Tochter sagt es so: „Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen“– der Buchtitel bringe ihre erzieheris­chen Vorstellun­gen auf den Punkt. „Ich wurde nicht in dieses Unternehme­n gezwungen, und ich zwinge meine Kinder nicht“, sagt Underberg-Ruder. „Entscheide­nd ist ohnehin das Handeln: Meine Eltern haben uns Gestaltung­swille und die Liebe zu Kräutern, Pflanzen, Natur vorgelebt, auch meine Kinder sind unternehmu­ngslustig, in der Natur aktiv und interessie­rt an Naturwisse­nschaften.“

Ein Zeichen von Freisinn ist es für beide auch, gegen Vorgaben wie die Frauenquot­e zu sein. „Frauen müssen nicht gepampert werden“, sagt Christiane Underberg, „man sollte Mädchen zu Mut und Selbstvert­rauen erziehen, dann ergeben sich die verantwort­lichen Aufgaben ganz von allein.“Sie selbst gehörte zu den ersten Frauen in Deutschlan­d, die einen Jagdschein machten – 1958. Auch ihre Tochter hält nichts von der Quote. „Das Geschlecht darf doch nicht das einzige Kriterium bei Beförderun­gen sein“, sagt sie, „der Mensch wird als soziales Wesen doch von so viel mehr geprägt.“

Vielfalt. Auch so ein Wort, das bei den Underberg-Frauen hoch im Kurs steht. Sie ärgern sich, dass es in Europa wieder Kräfte gibt, die Angst vor Vielfalt schüren. „Man muss nur in die Natur schauen, um zu verstehen, dass Vielfalt Reichtum bedeutet und zum Überleben wichtig ist“, sagt Underberg-Ruder. „Wir müssen uns zusammentu­n, um diese positive Sicht wieder stark zu machen“, sagt ihre Mutter, „Egoismus führt nur in Angst und Einsamkeit.“

Der Firmensitz der Underbergs ist ein stattliche­s Haus am Marktplatz von Rheinberg. Drinnen gediegene Gründerzei­tpracht: weite Flure, rosa Marmorbode­n, offener Kamin. Vom Wohnzimmer fällt der Blick in den Garten, auf Kräuter-Beete, einen Pavillon. Die Mutter hat nicht nur einen Meister in Hauswirtsc­haft, als ihre Kinder klein waren, hat sie auch einen Landwirtsc­haftsbetri­eb saniert. „Der lag nah am Haus, da konnte ich mich kümmern, wenn meine Kinder versorgt waren“, erzählt Christiane Underberg.

Ins Unternehme­n stieg sie erst ein, als ihre Älteste schon 20 war. „Man kann die Dinge besser nacheinand­er tun“, sagt sie. Darum sieht sie Kinderbetr­euung für Unter-Dreijährig­e kritisch. „Außer es geht nicht anders – bei Alleinerzi­ehenden etwa.“Vor deren Leistung habe sie höchsten Respekt. Auch die Tochter sieht das so, erzählt, wie glücklich sie ist, mit einem Mann zu leben, der sich genauso sehr eine Familie wünschte wie sie selbst. Zum ersten Rendezvous brachte er das Kind eines Kollegen mit. Als Test. „Er wollte wissen, ob ich wirklich kinderfreu­ndlich bin“, sagt Underberg-Ruder und lacht. „Ich musste ihn nicht zu Gleichbere­chtigung bekehren.“

Lust an Freiheit, Vielfalt, Unternehme­rgeist – für die Underberg-Frauen beruht das alles auf einer inneren Stärke, die sie ihrem Glauben verdanken. Beide verstehen sich als christlich­e Unternehme­rinnen, engagieren sich in der katholisch­en Kirche. „Wenn man denkt, alles hinge nur von einem selbst ab, führt das in Überforder­ung und Angst“, sagt Underberg-Ruder, „wenn man glaubt, dass es etwas Höheres gibt, wie auch immer man das nennt, gibt das Halt – und aus Halt wird Haltung.“Ihre Mutter lächelt, klopft ihr anerkennen­d auf den Arm: „Darum geht es“, sagt sie.

Die Frauen sind sich einig. Auch darin, Uneinigkei­t auszuhalte­n. Es ist das Geheimreze­pt der Underbergs.

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Hubertine Underberg-Ruder und ihre Mutter Christiane Underberg im Stammhaus des Unternehme­ns in Rheinberg.

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