Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Macht Euch niemals abhängig“
zu machen. Und Frauen wird auch immer noch ein schlechtes Gewissen gemacht und eingeredet, dass sie ihre Kinder vernachlässigten, um beruflich aufzusteigen. Das sagt natürlich kein Mensch einem Mann. Und darüber hinaus sehen Frauen Macht oft als etwas Böses.
Etwas Böses?
MENNE Ja, weil sie Macht oft als Missbrauch erleben. Und weil Macht oft mit Härte zu tun hat. Abgesehen davon, dass sie kaum noch Privatleben mehr haben, müssen Top-Manager oder Managerinnen jeden Tag Entscheidungen treffen, mit denen sie jemandem wehtun. Anders geht es nicht. Einfache Entscheidungen fallen auf anderen Ebenen. Macht ist aber auch etwas Wertvolles und Gutes, wenn man sie entsprechend für Gutes einsetzt. Auch jede Mutter hat Macht über ihre Kinder. Es kommt darauf an, wie man Macht ausübt.
Wann werden Frauen kein schlechtes Gewissen mehr haben?
MENNE Es muss sich in der Wahrnehmung in der Gesellschaft etwas ändern. In Schweden arbeitet jede und jeder selber für die Rente. Ehegattensplitting, Mütterrente wie bei uns gibt es dort nicht. In Schweden gibt es ein Betreuungsmodell für Kinder bis 16 Uhr. Und um 16 Uhr gehen die Eltern nach Hause. Auch der Top-Manager. Das Interessante ist: So wird effizienter gearbeitet.
Wer in Deutschland um 16 Uhr nach Hause geht, wird meistens schief angeguckt.
MENNE Die Präsenzkultur ist ein Problem. Und für eine Kulturänderung muss die Spitze des Unternehmens das Neue vorleben. Der Chef muss um 16 Uhr seine Kinder abholen. Und Vorgesetzte, die neue Arbeitszeitmodelle wagen, zum Beispiel zwei Frauen in Teilzeit auf einem Chefposten, müssen ausgezeichnet werden. Es geht auch um Vertrauen, zum Beispiel im Sinne der Arbeitszeitsouveränität. Man kann Ziele vereinbaren. Diese können zuhause oder am Arbeitsplatz erreicht werden, und dazu braucht man vielleicht auch keine feste Wochenstundenzahl. Wir leben in einer Kontrollund Misstrauenskultur, die meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß ist. Ein Beispiel: Nur drei Prozent der Hartz-IV-Empfänger betrügen den Staat. Trotzdem ist das ganze System auf Kontrolle von Missbrauch ausgerichtet. Energieverschwendung.
Männer gehen Fußballspielen oder Biertrinken und knüpfen dabei ihre Netze. Frauen treffen sich und gehen unverbindlich auseinander. Können Frauen nicht netzwerken?
MENNE Netzwerken ist zunächst einmal nicht geschlechtsspezifisch und sollte das auch nicht sein. Aber Frauen geben gerade jener Frau keinen Auftrag oder einen Job, die sie gut kennen, weil sie das für Vetternwirtschaft halten. Bei Männern ist das gerade die Idee: Man ist befreundet, also vertraut man sich und vergibt Aufträge oder Positionen.
Und nun?
Menne Frauen müssen andere Frauen in Position bringen - in Vorstände, Parteien, Gewerkschaften, Vereine. So wie es die Männer auch tun. Es gibt aber nur ein Lamento, dass nichts passiert. Dabei sind wir Frauen teilweise selber schuld. Frauen zergliedern sich in unterschiedlichsten Netzwerken, die sich nicht grün sind.
Gibt es unter Frauen mehr Konkurrenz als unter Männern?
Menne Sie sehen sich oft als Konkurrentinnen. Und wenn wir etwas nicht tun dürfen, dann uns gegenseitig schlecht zu machen.
Sie haben sich bisher gegen eine
Frauenquote in Vorständen ausgesprochen. Bleiben Sie dabei?
MENNE Für einen kleinen Vorstand mit fünf Leuten eines spezialisierten Unternehmens ist eine Quote schwierig. Ich bin inzwischen aber hin- und hergerissen. Es kann nicht sein, dass der Frauenanteil sich verschlechtert und es noch immer kein DAX-Unternehmen mit einer Frau als CEO gibt. Und es bestürzt mich, dass die Hälfte der 160 Börsenunternehmen keine Frauen im Vorstand hat, und das - ungestraft - in ihren Geschäftsberichten verteidigt. Da steht wirklich: „Für den Vorstand liegt die Mindestzielgröße für den Frauenanteil bei Null – diese Zielgröße soll in den nächsten fünf Jahren nicht unterschritten werden.“Das ist abstrus. Wie können Investoren das akzeptieren? Es ist bewiesen, dass gemischte Vorstandsteams zu besseren Ergebnissen kommen, weil auch die Belegschaft und die Kunden nicht nur aus Männern bestehen. Eine homogene Perspektive hilft Unternehmen heute nicht mehr. Wenn sie nicht divers denken, sind sie auch nicht innovativ.
Wie kommen Frauen in die Vorstände der 80 Börsenunternehmen?
MENNE Investoren können Nachhaltigkeitsund Klimaschutzpläne einfordern und sie könnten das ebenso bei der Diversität im Vorstand tun. Man stelle sich einmal vor, ein Unternehmen würde sagen: „Der CO2-Ausstoß ist mir völlig egal und ich lasse Kinder nach seltenen Erden graben.“Das würde sofort abgestraft. Man muss auch solche Aktien nicht kaufen.
Was raten Sie jungen Frauen?
MENNE Heute sind viele junge Leute sehr an Work-Life-Balance interessiert. Sie sind Teil der Erbengeneration, die sich über Geld weniger Gedanken machen muss, weil ihre Eltern viel erwirtschaftet haben. Ich kann nicht nachvollziehen, wenn sich Frauen voll auf ihren Partner oder die Eltern verlassen. Ich sage nur: Ruht´ euch lieber nicht drauf aus. Macht Euch nie abhängig und sorgt dafür, dass Ihr ganz alleine klar kommt. Bis Ihr 90 Jahre alt seid.