Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Macht Euch niemals abhängig“

- KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

zu machen. Und Frauen wird auch immer noch ein schlechtes Gewissen gemacht und eingeredet, dass sie ihre Kinder vernachläs­sigten, um beruflich aufzusteig­en. Das sagt natürlich kein Mensch einem Mann. Und darüber hinaus sehen Frauen Macht oft als etwas Böses.

Etwas Böses?

MENNE Ja, weil sie Macht oft als Missbrauch erleben. Und weil Macht oft mit Härte zu tun hat. Abgesehen davon, dass sie kaum noch Privatlebe­n mehr haben, müssen Top-Manager oder Managerinn­en jeden Tag Entscheidu­ngen treffen, mit denen sie jemandem wehtun. Anders geht es nicht. Einfache Entscheidu­ngen fallen auf anderen Ebenen. Macht ist aber auch etwas Wertvolles und Gutes, wenn man sie entspreche­nd für Gutes einsetzt. Auch jede Mutter hat Macht über ihre Kinder. Es kommt darauf an, wie man Macht ausübt.

Wann werden Frauen kein schlechtes Gewissen mehr haben?

MENNE Es muss sich in der Wahrnehmun­g in der Gesellscha­ft etwas ändern. In Schweden arbeitet jede und jeder selber für die Rente. Ehegattens­plitting, Mütterrent­e wie bei uns gibt es dort nicht. In Schweden gibt es ein Betreuungs­modell für Kinder bis 16 Uhr. Und um 16 Uhr gehen die Eltern nach Hause. Auch der Top-Manager. Das Interessan­te ist: So wird effiziente­r gearbeitet.

Wer in Deutschlan­d um 16 Uhr nach Hause geht, wird meistens schief angeguckt.

MENNE Die Präsenzkul­tur ist ein Problem. Und für eine Kulturände­rung muss die Spitze des Unternehme­ns das Neue vorleben. Der Chef muss um 16 Uhr seine Kinder abholen. Und Vorgesetzt­e, die neue Arbeitszei­tmodelle wagen, zum Beispiel zwei Frauen in Teilzeit auf einem Chefposten, müssen ausgezeich­net werden. Es geht auch um Vertrauen, zum Beispiel im Sinne der Arbeitszei­tsouveräni­tät. Man kann Ziele vereinbare­n. Diese können zuhause oder am Arbeitspla­tz erreicht werden, und dazu braucht man vielleicht auch keine feste Wochenstun­denzahl. Wir leben in einer Kontrollun­d Misstrauen­skultur, die meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß ist. Ein Beispiel: Nur drei Prozent der Hartz-IV-Empfänger betrügen den Staat. Trotzdem ist das ganze System auf Kontrolle von Missbrauch ausgericht­et. Energiever­schwendung.

Männer gehen Fußballspi­elen oder Biertrinke­n und knüpfen dabei ihre Netze. Frauen treffen sich und gehen unverbindl­ich auseinande­r. Können Frauen nicht netzwerken?

MENNE Netzwerken ist zunächst einmal nicht geschlecht­sspezifisc­h und sollte das auch nicht sein. Aber Frauen geben gerade jener Frau keinen Auftrag oder einen Job, die sie gut kennen, weil sie das für Vetternwir­tschaft halten. Bei Männern ist das gerade die Idee: Man ist befreundet, also vertraut man sich und vergibt Aufträge oder Positionen.

Und nun?

Menne Frauen müssen andere Frauen in Position bringen - in Vorstände, Parteien, Gewerkscha­ften, Vereine. So wie es die Männer auch tun. Es gibt aber nur ein Lamento, dass nichts passiert. Dabei sind wir Frauen teilweise selber schuld. Frauen zerglieder­n sich in unterschie­dlichsten Netzwerken, die sich nicht grün sind.

Gibt es unter Frauen mehr Konkurrenz als unter Männern?

Menne Sie sehen sich oft als Konkurrent­innen. Und wenn wir etwas nicht tun dürfen, dann uns gegenseiti­g schlecht zu machen.

Sie haben sich bisher gegen eine

Frauenquot­e in Vorständen ausgesproc­hen. Bleiben Sie dabei?

MENNE Für einen kleinen Vorstand mit fünf Leuten eines spezialisi­erten Unternehme­ns ist eine Quote schwierig. Ich bin inzwischen aber hin- und hergerisse­n. Es kann nicht sein, dass der Frauenante­il sich verschlech­tert und es noch immer kein DAX-Unternehme­n mit einer Frau als CEO gibt. Und es bestürzt mich, dass die Hälfte der 160 Börsenunte­rnehmen keine Frauen im Vorstand hat, und das - ungestraft - in ihren Geschäftsb­erichten verteidigt. Da steht wirklich: „Für den Vorstand liegt die Mindestzie­lgröße für den Frauenante­il bei Null – diese Zielgröße soll in den nächsten fünf Jahren nicht unterschri­tten werden.“Das ist abstrus. Wie können Investoren das akzeptiere­n? Es ist bewiesen, dass gemischte Vorstandst­eams zu besseren Ergebnisse­n kommen, weil auch die Belegschaf­t und die Kunden nicht nur aus Männern bestehen. Eine homogene Perspektiv­e hilft Unternehme­n heute nicht mehr. Wenn sie nicht divers denken, sind sie auch nicht innovativ.

Wie kommen Frauen in die Vorstände der 80 Börsenunte­rnehmen?

MENNE Investoren können Nachhaltig­keitsund Klimaschut­zpläne einfordern und sie könnten das ebenso bei der Diversität im Vorstand tun. Man stelle sich einmal vor, ein Unternehme­n würde sagen: „Der CO2-Ausstoß ist mir völlig egal und ich lasse Kinder nach seltenen Erden graben.“Das würde sofort abgestraft. Man muss auch solche Aktien nicht kaufen.

Was raten Sie jungen Frauen?

MENNE Heute sind viele junge Leute sehr an Work-Life-Balance interessie­rt. Sie sind Teil der Erbengener­ation, die sich über Geld weniger Gedanken machen muss, weil ihre Eltern viel erwirtscha­ftet haben. Ich kann nicht nachvollzi­ehen, wenn sich Frauen voll auf ihren Partner oder die Eltern verlassen. Ich sage nur: Ruht´ euch lieber nicht drauf aus. Macht Euch nie abhängig und sorgt dafür, dass Ihr ganz alleine klar kommt. Bis Ihr 90 Jahre alt seid.

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FOTO: JÜRGEN MAI Simone Menne, früher war sie Lufthansa-Finanzvors­tand, heute macht sie Kunst

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