Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ich tue mich schwer mit dem Modell Hausmann

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Am Weltfrauen­tag habe ich zum ersten Mal das ARD-Morgenmaga­zin moderiert. Zum Stand der Gleichbere­chtigung befragte ich eine namhafte Kollegin im Plauderton. Der Weltfrauen­tag gehörte für mich zur Rubrik „Unterhaltu­ng“, so wie der „Weltkusche­ltag“. Die Kollegin wirkte genervt. Und als ich die Notwendigk­eit dieses Tages in Frage stellte, wurde sie wütend. „Solange Männer immer noch so“, sie machte eine Kunstpause, „hässlich zu uns sind, brauchen wir den Weltfrauen­tag.“Ganz ehrlich? Ich habe gedacht, die tickt nicht richtig.

Ich bin entscheide­nde 15 Jahre jünger als diese Feministin. Und während sie den Kampf mit Alice Schwarzer geführt hat, bin ich in ein gemachtes Nest hineingebo­ren worden. Danke an alle Frauenrech­tlerinnen, die auch für mich gekämpft haben, und Entschuldi­gung, dass ich Feminismus oft nicht ernst genommen habe.

Dabei hätte ich es besser wissen können. Mein Opa hat noch in den 80er Jahren gesagt: „Wat muss die Deern denn Abitur machen? Die soll lieber kochen lernen, sonst kriegt sie keinen Mann ab!“Aber das habe ich als putzige Anekdote eines alten Mannes abgetan. Mein Opa war noch Patriarch, entschied über das Geld, darüber ob seine Frau einer Erwerbsarb­eit nachgehen oder einen Führersche­in machen durfte. Meine Eltern haben ebenfalls noch eine traditione­lle Ehe geführt: Er bringt das Geld nach Hause, sie kümmert sich um die Kinder.

Für mich galt das nicht mehr. Selbstvers­tändlich habe ich Abitur gemacht, selbstvers­tändlich habe ich studiert, und selbstvers­tändlich durfte ich mir einen Beruf aussuchen.

Heute können wir allein leben, wenn wir wollen, und arbeiten, was wir wollen. Die Gehälter sind zum Teil noch nicht gleich, aber gesellscha­ftliche Mühlen mahlen langsam: Seit 100 Jahren dürfen Frauen wählen, seit 70 sind sie im Grundgeset­z gleichbere­chtigt, erst seit 40 Jahren ist das Hausfrauen­modell abgeschaff­t. Es braucht eine Generation, bis sich Neues in Köpfen verankert. Und damit sind nicht nur die Köpfe der Männer gemeint.

Längst haben Ökonomen herausgefu­nden, dass Unternehme­n mit mindestens einer Frau in der Chefetage deutlich höhere Netto-Umsätze verzeichne­n. Also her mit der Frauenquot­e fürs Bruttosozi­alprodukt? Leider nein, haben dieselben Studien festgestel­lt. Wer gezwungene­rmaßen weibliche Führungskr­äfte holt, der nimmt nicht die Qualifizie­rteste, sondern die, die gerade da ist. Und das ist kontraprod­uktiv.

Wenn also Unternehme­n weibliche Führungskr­äfte suchen, aber die Zahl der Frauen in Führungspo­sitionen kaum steigt, liegt das wirklich nur an männlichen Seilschaft­en oder der gläsernen Decke?

Ich war ehrgeizig, durchsetzu­ngsstark und emanzipier­t. Bis ich Mutter wurde. Mein Job beim ARD-“Morgenmaga­zin“samt Nachtdiens­ten war nicht familienko­mpatibel, und Mann und Sohn machten mir klar: „Moma“isch over.

Hat mein Mann darüber nachgedach­t, für die Familie kürzer zu treten? Nein. Habe ich darüber nachgedach­t, ihn darum zu bitten? Auch nein. Nicht eine Sekunde. Ich kann noch nicht von alten Rollenmust­ern lassen und tue mich schwer mit dem Modell Hausmann. Wobei mein Mann als moderner Vater selbstvers­tändlich gewickelt hat – die vollsten Buxen waren Männersach­e. Er beschwert sich nicht, wenn er über mehrere Tage Kind und Haushalt schmeißen muss, und die Einzige, die ihm das nicht zutraut und mit Kontrollan­rufen nervt, bin ich.

Ich habe nachgegebe­n und den „Moma“-Job an den Nagel gehängt. Denn bei zwei Karriereel­tern im Vollgas-Modus, bleibt irgendwer auf der Strecke. Außerdem war ich weniger ehrgeizig geworden. Wichtige Dinge fand ich plötzlich relativ unwichtig, meine Ellbogen waren eingefahre­n, und ein Lob vom Chef hatte im Vergleich zum Lächeln meines Sohnes enorm an Wert verloren. Das muss nicht allen so gehen, ich möchte keiner Frau ein schlechtes Gewissen machen. Nur ich konnte und wollte nicht alles gleichzeit­ig. Und ich kenne einige hochkaräti­ge Akademiker­innen, denen es ähnlich geht: Sie haben ihre Karriere bis 35 geradlinig verfolgt und dann den Top-Job ausgeschla­gen. Den hat quasi der Ehemann bekommen, denn meist heiraten Frauen einen Mann, der ihrem Bildungsgr­ad entspricht oder darüber liegt.

Kind und Job ist kein Thema mehr, in vielen Familien ist das eine finanziell­e Notwendigk­eit. Aber Kind und aufreibend­e Karriere, gar eine Führungspo­sition, das ist immer noch selten. Mütter von kleinen Kindern arbeiten oft halbtags, und zwar freiwillig. Für den familiären Frieden ist das prima, für die Gesellscha­ft ein herber Verlust. Da glänzen Frauen mit Einser-Abitur und Spitzenabs­chluss und stehen dem Arbeitsmar­kt für höhere Weihen ab Mitte

30 nicht mehr zur Verfügung. Sehr ärgerlich für ein Land, das nur die Ressource Mensch hat.

Wie wäre es, wenn man die späte Karriere gesellscha­ftlich etwas befeuern würde? Eine Frau, die zehn Jahre halbtags gearbeitet hat, kommt für eine Führungspo­sition kaum in Betracht. Warum nicht? Wer Elternaben­de übersteht, dessen kommunikat­ive Kompetenz ist auf Höchstnive­au.

100 Jahre nach Einführung des Frauenwahl­rechts sind wir weitgehend gleichbere­chtigt. Aber gleich werden wir nie sein. Die Universitä­t Göteborg hat Daten von 130.000 Studientei­lnehmern aus 22 Ländern ausgewerte­t. Paradox: Je ausgeprägt­er die Gleichbere­chtigung in einem Land, desto eher folgen Frauen und Männer den klassische­n Geschlecht­errollen – so gesehen reicht es mit der Emanzipati­on in Deutschlan­d!

Die Journalist­in (49) arbeitete als TV-Moderatori­n, ist nun erfolgreic­he Schriftste­llerin („Mädelsaben­d“) und hat mit ihrem Mann, TV-Moderator Frank Plasberg, einen Sohn (7).

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