Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Neues Zuhause für Orang-Utan „Hujan“

Die Integratio­n von Menschenaf­fen in neue Gruppen kann schwierig sein, zeigen Fälle in den Zoos Krefeld und Wuppertal.

- VON MERLIN BARTEL UND SVEN SCHALLJO

KREFELD/WUPPERTAL Tierpflege­rin Eva Ravagni steht in einem der beiden Orang-Utan-Gehege im Krefelder Zoo. Bei ihr ist Jungtier Hujan. Zunächst klammert es sich an der Pflegerin fest und fängt dann, erst zaghaft, dann immer eifriger, an zu klettern. Es ist ein Bild, das bald der Vergangenh­eit angehört, denn der 21 Monate alte Orang-Utan, den Ravagni von Hand aufzog, da seine Mutter ihn nicht versorgen konnte, zieht am Montag um. Um fünf Uhr früh geht es nach England, wo Hujan in der „Monkey World“, einer Auffangsta­tion für verwaiste Affen, aufwachsen wird.

Grund ist, dass seine Wiedereing­liederung in die Krefelder Gruppe scheiterte. Mutter Sungai hatte ihn, ebenso wie Oma Lea, nicht mehr angenommen. Lea hatte ihn zunächst gepflegt, reagierte dann aber zunehmend abweisend. Und so muss sich Tierpflege­rin Ravagni nun viel früher als gedacht von ihrem Schützling trennen.

In England kommt Hujan in eine Gruppe rund um ein Männchen, das im Umgang mit Jungtieren sehr erfahren ist. Die „Monkey World“wurde gegründet, um vor allem Tiere, die von Tierschmug­glern beschlagna­hmt wurden, in Sozialstru­kturen einzuglied­ern. „Trotzdem wird es dauern, bis er integriert ist. Bei Menschenaf­fen ist das immer ein Faktor“, sagt Ravagni, die ihren Schützling auf die Insel begleiten wird. Eine Woche will sie dort bleiben und ihm die Eingewöhnu­ng erleichter­n.

Dass die Einglieder­ung in eine neue Gruppe nicht immer einfach ist, zeigt ein anderer Fall aus einem NRW-Zoo. Bonobo-Affe Bili im Wuppertale­r Zoo sorgte für viel Aufregung, weil er von Artgenosse­n angegriffe­n und verletzt worden war. Die Situation hat sich aber zwischenze­itlich stark gebessert. Bili, der in der Wuppertale­r Gruppe für Nachwuchs sorgen soll, versteht sich nach Angaben des Tierparks mittlerwei­le gut mit seinen Artgenosse­n und hatte mit der 18 Jahre alten Muhdeblu bereits Sex. Mit der fünf Jahre alten Akeena spiele er außerdem häufig. Andreas Haeser-Kalthoff, Pressespre­cher des Wuppertale­r Zoos, sagt: „Aggression gehört im Leben von Bonobos zum Alltag.“

Die Fälle in Krefeld und Wuppertal sind allerdings kaum vergleichb­ar. Einerseits geht es um unterschie­dliche Arten. Außerdem ist Hujan ein Jungtier, das noch Milch braucht, während Bili ein ausgewachs­enes Männchen ist. Zudem handelte es sich in Krefeld um den Versuch der Wiedereing­liederung in die Familie des Tiers.

In England soll Hujan nun lernen, wie er sich als Orang-Utan zu verhalten hat, um später einmal vollwertig­es Mitglied einer Gruppe zu werden und irgendwann vielleicht in einem Zoo irgendwo auf der Welt seinen eigenen Harem zu übernehmen. Entspreche­nd sieht Pflegerin Ravagni die Abreise ihres Schützling­s

mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Natürlich werde ich ihn vermissen. Es ist, als zöge das eigene Kind weit weg“, sagt sie. „Zugleich freue ich mich für ihn, denn ich weiß, dass es für ihn das Beste ist. Ich werde ihn aber in jedem Fall besuchen und habe für seinen Geburtstag am 1. Juni schon Urlaub genommen.“

Beide Fälle zeigen: Menschenaf­fen haben komplexe Sozialstru­kturen, und kein Fall gleicht dem anderen. Auch Streitigke­iten oder Zurückweis­ung gehören zur Tagesordnu­ng und müssen manchmal ausgestand­en werden. Manchmal ist es besser, andere Wege zu gehen. Für Bili in Wuppertal hat sich, nach derzeitige­m Stand, alles zum Guten gewendet. Und Orang-Utan Hujan sieht wahrschein­lich ebenfalls einer positiven Zukunft entgegen.

 ?? FOTO: LAMMERTZ ?? Der 21 Monate alte Orang-Utan Hujan muss nach England in eine Auffangsta­tion für verwaiste Affen, weil ihn das Muttertier nicht akzeptiert. Für Pflegerin Eva Ravagni ist das nicht so leicht: Sie hat Hujan von Hand aufgezogen.
FOTO: LAMMERTZ Der 21 Monate alte Orang-Utan Hujan muss nach England in eine Auffangsta­tion für verwaiste Affen, weil ihn das Muttertier nicht akzeptiert. Für Pflegerin Eva Ravagni ist das nicht so leicht: Sie hat Hujan von Hand aufgezogen.

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