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Bionorica profitiert vom Cannabis-Boom
Die hohe Nachfrage nach Medizinalhanf hat bei dem Pflanzenarzneihersteller für ein kräftiges Wachstum gesorgt.
DÜSSELDORF Seit zwei Jahren können schwerstkranke Patienten in Deutschland legal medizinisches Cannabis verschrieben bekommen. Seitdem steigen die Anfragen, wovon vor allem der bayerische Pflanzenarzneihersteller Bionorica profitiert. Der Umsatz mit dem auf Cannabis basierenden Schmerzmittel Dronabinol lag im vergangenen Jahr bei rund 27 Millionen Euro, teilte der Mittelständler aus Neumarkt in der Oberpfalz am Freitag bei seiner Bilanzpressekonferenz in Düsseldorf mit. Im Jahr zuvor waren es noch 16,7 Millionen Euro. Der Anteil am Gesamtumsatz lag damit bei knapp acht Prozent. „Wir haben aufgrund des begrenzten Marktes, wegen der Nichterstattung und im Rahmen der Forschungs- und Entwicklungskosten über ein Jahrzehnt Verluste mit Dronabinol gemacht“, teilte der Vorstandsvorsitzende Michael Popp mit. Inzwischen schreibe das Unternehmen mit dem Produkt schwarze Zahlen.
Bionorica gab an, im vergangenen Jahr rund 19.500 Patienten mit Dronabinol versogt zu haben. Die Gesamtzahl der Patienten, die in Deutschland über Rezept auf Cannabis zurückgreifen, ist dagegen nicht bekannt. Bionorica schätzt, dass sie bei 30.000 bis 35.000 liegt. Damit hätte das Unternehmen im Jahr 2018 im besten Fall 65 Prozent der Cannabispatienten versorgt.
Bis zur Liberalisierung war medizinisches Cannabis in Deutschland eine Nische, nur rund 1000 Kranke hatten eine Ausnahmegenehmigung. Seither steigt die Nachfrage rasant, zeigen aktuelle Zahlen des Apothekerverbands ABDA. Demnach gaben im Jahr 2018 Apotheken rund 145.000 Einheiten cannabishaltiger Zubereitungen und unverarbeiteter Blüten auf Basis von etwa 95.000 Rezepten zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Das sind mehr als dreimal so viele wie in den knapp zehn Monaten 2017 von der Freigabe im März bis zum Jahresende: Damals waren es 27.000 Rezepte und 44.000 Einheiten. Auch wurden 2018 gut 53.000 Packungen Fertigarzneien mit Cannabisstoffen abgegeben, ein Plus von einem Drittel.
Bionoricas Medizinalhanf wird derzeit in Österreich angebaut. In Deutschland war dies bis vor zwei Jahren verboten. Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften ist allerdings auch die Gründung einer Cannabisagentur auf den Weg gebracht worden. Sie koordiniert und steuert in Zukunft den Hanfanbau in Deutschland. Die Behörde ist nach dem Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe der Vereinten Nationen von 1961 Pflicht, sobald innerhalb eines Staates Cannabis zu anderen als industriellen Zwecken angebaut werden soll. Die Cannabisagentur wird einen Herstellerabgabepreis festlegen und das Cannabis an Hersteller von entsprechenden Arzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Dabei darf die Agentur keine Gewinne oder Überschüsse erzielen. 2020 soll es die erste deutsche Ernte geben. Den tatsächlichen Anbau übernehmen dann jedoch verschiedene Unternehmen – 79 bewerben sich derzeit um diese Aufgabe bei der Cannabisagentur.
Bionorica verzichtet derweil auf eine Bewerbung. Das Unternehmen möchte ausschließlich ein flüssiges Medikament auf Cannabisbasis anbieten. Die staatliche
Ausschreibung bezieht sich nur auf die Herstellung und den Handel von Cannabisblüten. Diese müssen von den Patienten selbst für den Konsum vorbereitet werden. Die Blüten können als Pulver beispielsweise geraucht oder in Flüssigkeiten wie Tee aufgebrüht werden. Begleitsubstanzen, die aber vor allem beim Inhalieren entstehen, sind für Bionorica inakzeptabel.
Bereits 2017 teilte das Unternehmen in einer Stellungnahme mit, dass dies mit modernen pharmazeutischen Qualitätsansprüchen nicht vereinbar sei. Bei der Inhalation bestehe ein deutlich erhöhtes Risiko für akute Nebenwirkungen wie Schwindel oder „High“-Gefühl und damit auch für die Entwicklung einer Sucht. Fertigarzneimittel seien dagegen für den Patienten gut und gleichmäßig dosierbar.