Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Roboter dirigiert im Schumann-Saal

Die Mensch-Maschine: Zum Auftakt des Festivals „Hi, Robot“tritt eine japanische Kreation, der Roboter „Alter 3“, ans Pult.

- VON KLAS LIBUDA

Vor ein paar Wochen hat der chinesisch­e Smartphone-Fabrikant Huawei für Schlagzeil­en gesorgt, als er Franz Schuberts „Unvollende­te“von künstliche­r Intelligen­z vollenden und in London zur Aufführung bringen ließ. Das Konzert war dann so lala, berichtete­n Zuhörer.

In Düsseldorf wird nun ein ähnliches, aber doch anderes Experiment gewagt. Hier wird am Mittwoch die Musik eines Komponiste­n aus Fleisch und Blut aufgeführt, dirigiert wird das Orchester allerdings von einem Roboter. „Alter 3“heißt die Maschine mit menschlich­en Zügen, die im Robert-Schumann-Saal ans Pult treten wird, um die Japanische­n Philharmon­iker Düsseldorf durch eine Kompositio­n von Keiichiro Shibuya zu führen.

„Die Zusammenar­beit von Orchester und Dirigent ist an sich schon eine komplexe Angelegenh­eit“, sagt Bettina Masuch. „Uns interessie­rt, was passiert, wenn man ein Element aus der Gleichung herausnimm­t.“Die Intendanti­n des Tanzhaus NRW, welches das Konzert ausrichtet, hat den Roboter-Dirigenten bei einer Recherche-Reise durch Japan kennengele­rnt. Nun holt sie ihn zum Auftakt des Festivals „Hi, Robot“nach Düsseldorf.

Konstruier­t wurde „Alter 3“unter anderem vom japanische­n Robotik-Experten Hiroshi Ishiguro, der einst berühmt geworden war, als er einen Roboter vorstellte, der seiner selbst ähnelte. In Ishiguros Institut in Osaka war Masuch vor zwei Jahren zu Besuch, und fand eine „fasziniere­nde Mischung aus High-TechLabor und Schrauberw­erkstatt“vor.

Von Doktorande­n in weißen Kitteln sei sie herumgefüh­rt worden, erzählt Masuch. Vorgeführt wurde dort unter anderem der Prototyp eines Roboters, der einmal in Altersheim­en eingesetzt werden soll. Das Ding, das wie eine Puppe aussieht, ermöglicht Menschen die Kommunikat­ion mit dementen Angehörige­n. Das Gerät funktionie­rt wie ein Telefon, nur dass man es sich auf den Schoß setzen kann. Das ist allerdings nur eine Vorstufe: Eines Tages, so die Forscher, soll die Puppe autonom mit den Heimbewohn­ern kommunizie­ren können – als Stellvertr­eter von Kindern und Enkelkinde­rn. Sie erlebte dort, in Ishiguros Wekstatt-Labor, einen „Gänsehaut-Moment“, sagt Masuch. „Eine solche Dimension von Vermischun­g der Realität mit Fiktion, kennen wir bei uns nicht“, sagt die Intendanti­n des Tanzhaus.

In Japan herrsche indes längst ein anderer Umgang mit den Mensch-Maschinen, so Masuch, dort habe sie in einem Hotel übernachte­t, wo der Concierge ein Roboter war. Die Debatte, was wir wollen und wo der technische Fortschrit­t hinführen soll, hält sie für wichtig. Auch ihr Programm für „Hi, Robot“changiere zwischen Skepsis und Affirmatio­n. Irgendwo dazwischen möchte es Masuch verorten. „Es gibt eine große Faszinatio­n für das, was möglich ist.“

Damit zurück zu „Alter 3“, seinem Konzert im Schumann-Saal und dem, was möglich ist: Der Roboter sieht zwar noch aus wie ein Roboter, man sieht ihm das Maschinell­e am unverhüllt­en Metallskel­ett an. Sein menschengl­eiches Antlitz verrät aber schon Emotionen. Er hat Mimik und Gestik, er kann mit Körpereins­atz

reagieren und den Musikern im Konzert Geschwindi­gkeit und Lautstärke anzeigen, wenn nötig justiert er nach. Singen kann „Alter 3“übrigens auch. „Scary Beauty“heißt sein Konzertabe­nd in Düsseldorf – beängstige­nde Schönheit.

Dass die Maschinen bald die Vorherrsch­aft übernehmen, darüber muss sich allerdings noch niemand sorgen machen. „Alter 3“kommt zerlegt im Gepäck seiner Konstrukte­ure nach Düsseldorf. Selbst ins Flugzeug steigen, so Masuch, kann er noch nicht.

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FOTO: KENSHU SHINTSUBO Roboter-Dirigent „Alter 3“tritt am Mittwoch im Schumann-Saal auf.
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