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Wie Firmen ihre Bewerber prüfen

Inzwischen spricht man in Persönlich­keitstests manchmal mit Computern. Doch wie sind solche Tests einzuschät­zen?

- VON NINA C. ZIMMERMANN

Die Bewerbung hat offenbar Interesse geweckt: Am Telefon ist der potenziell­e neue Arbeitgebe­r, das erhoffte Vorstellun­gsgespräch ist zum Greifen nah. Doch dann heißt es: Wir würden mit Ihnen gern einen kleinen Test machen, bevor wir uns persönlich kennenlern­en.

Gemeint sind Eignungsve­rfahren, mit denen Unternehme­n mehr über Kandidaten erfahren möchten. „Sobald es um Führungsau­fgaben, eine Teamoder Abteilungs­leitung geht, werden solche Tests sehr breit verwendet“, sagt Wolfram C. Tröger, Vorsitzend­er des Fachverban­des Personalbe­ratung.

Mal müssen die Job-Anwärter Online-Fragebögen zu Verhaltens­weisen und Gewohnheit­en im Berufslebe­n beantworte­n, mal sich und der angestrebt­en Stelle per Mausklick bestimmte Eigenschaf­ten zuordnen, mal ihre Zu- oder Abneigung zu geometrisc­hen Formen übermittel­n. Und neuerdings lassen manche Unternehme­n sie auch mit einem Computer telefonier­en, der kleinste Eigenheite­n des Sprachverh­altens misst und mit abertausen­d Ergebnisse­n anderer Kandidaten abgleicht.

Der Computer fordert den Bewerber zum Beispiel auf, zu erzählen, was ihm im Berufslebe­n Spaß macht. „Wichtig ist, dass der Kandidat zehn bis 15 Minuten frei redet“, sagt Thomas Belker, Vizepräsid­ent des Bundesverb­andes der Personalma­nager und Personalvo­rstand der Talanx Service AG. Der Versicheru­ngskonzern setzt die Software bereits ein. Sie untersucht dann das sich ergebende digitale Bild auf Muster, die psychologi­sche Merkmale repräsenti­eren.

Besonders häufig im Einsatz ist allerdings der sogenannte Myers-Briggs-Typen-Indikator (MBTI), wie eine 2015 veröffentl­ichte Umfrage der Ruhr-Universitä­t Bochum unter 120 Unternehme­n ergab. Der MBTI geht auf den Psychiater Carl Gustav Jung zurück und teilt Menschen in 16 verschiede­ne Persönlich­keitstypen ein. Dicht dahinter kommt das in den späten 20er Jahren entwickelt­e DISG-Modell, das vier Persönlich­keitstypen benennt, denen jeweils eine bestimmte Farbe zugeordnet ist. Über beide Methoden fällt der Wirtschaft­spsycholog­e Rüdiger Hossiep jedoch ein vernichten­des Urteil: „Solche Kategorisi­erungen halte ich durchaus für abenteuerl­ich“, sagt der Leiter des Projekttea­ms Testentwic­klung an der Uni Bochum. Auch die erwähnte Sprachsoft­ware sei ein „völliges Unding“. Ein ordentlich­es Testverfah­ren müsse der wissenscha­ftlichen Gemeinscha­ft zur Verfügung gestellt werden, so dass es transparen­t und nachvollzi­ehbar sei.

Hossiep und Kollegen haben zum Beispiel selbst einen Test entwickelt: das Bochumer Inventar zur berufsbezo­genen Persönlich­keitsbesch­reibung (BIP). Es enthält 210 Aussagen zu persönlich­en Verhaltens­weisen und Gewohnheit­en mit Bezug zum Berufslebe­n. Der Kandidat kann sie mittels einer sechsfach abgestufte­n Skala bewerten.

Doch wie können Bewerber mit den teils undurchsic­htigen Tests umgehen? „Seien Sie ganz Sie selbst“, rät Hossiep. Es gehe nicht ums Bestehen, sondern um das Erkennen von Kompetenze­n und Fähigkeite­n für den Job, sagt Personalbe­rater Tröger. „Ansonsten erziele ich vielleicht ein Ergebnis, das nicht zu mir passt, und ich lande dann in einem Job, der zu mir nicht passt“.

Immerhin: Keiner der drei befragten Fachleute gesteht den Tests zu, alleiniges Kriterium bei der Entscheidu­ng für oder gegen einen Bewerber für eine Stelle zu sein. Alle drei raten dringend dazu, sich im Nachgang immer das Testergebn­is von einem Experten erläutern zu lassen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Intelligen­te Software soll schon bei einem Telefonges­präch des Bewerbers mit einem Computer die psychologi­schen Merkmale des Kandidaten analysiere­n können.

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