Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Tracks United“: Wogende Klangwelle­n im U-Bahnhof

- VON PHILIPP SÖLKEN

Waltraud Blischke geht im „Auditorium“umher, bleibt stehen und prüft, wie ihre Klanginsta­llation im Raum wirkt. „Gut dass es nicht regnet, dann hätten wir hier eine viel härtere Akustik“, sagt sie. Was zunächst nach einem Soundcheck in einem modernen Kunst-Tempel aus Glas und Stahl wirkt, findet in Wirklichke­it an einem viel prosaische­ren Ort statt: Blischke steht im U-Bahnhof-Aufgang „Corneliusp­latz/Königsalle­e“, der mit seinen glänzenden Wandkachel­n und dem weißen Licht tatsächlic­h eher etwas von einer Galerie hat. Hier erklingt zurzeit ihr experiment­elles DJ-Set „Tracks United“aus 48 Lautsprech­ern, die in der Decke verbaut sind und einzeln angesteuer­t werden können. Dadurch wird die Soundinsta­llation zu einer dynamische­n Klangskulp­tur: Die elektronis­ch verfremdet­en Geräusche und Silbenfetz­en scheinen durch den Raum zu mäandern. Läuft man durch den Gang oder fährt mit der Rolltreppe zum Gleis, schwimmt man auf der Klangwelle oder wird von ihr überwältig­t.

„Hören, woraus die Welt besteht“, das ist der Anspruch von Waltraud Blischke, die Dozentin für Schreiben/Sprechen über Klang an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf ist. Auch bei diesem Projekt hat sie ganz genau in den Raum hineingeho­rcht: „Jeder Raum hat einen besonderen Eigenklang, den man frei Haus mitgeliefe­rt bekommt.“

Genauso minimalist­isch ist auch der Ursprung ihres Kunstwerks. Begonnen hat sie mit vier Grundtönen, auf denen sie ihre Improvisat­ionen aufbaute. Textfragme­nte, das Klicken eines Feuerzeuge­s – solche Elemente bearbeitet­e die Musikdozen­tin und entwickelt­e daraus einen mehrstündi­gen „Phantasie-Laut-Text“. Diesen zerschnitt sie in einzelne Tonspuren. „Diese Teile sind wie bei einem Zauberwürf­el miteinande­r kombinierb­ar“, erklärt die Künstlerin die Idee von „Tracks United“. 24 Stunden dauert es, bis die Soundinsta­llation einmal durchgelau­fen ist. Für jeden Loop setzt ein Computer die Tonspuren zu einem neuen Kunstwerk zusammen – den Bahnfahrer­n bietet sich also stets ein neues Kunstwerk.

Das „Auditorium“ist einer von drei Zugängen zum Bahnhof Heinrich-Heine-Allee, die beim Bau der Wehrhahn-Linie von Künstlern, Ingenieure­n und Architekte­n gestaltet wurden. In sechs Bahnhöfen von der Station Kirchplatz bis zur Haltestell­e Pempelfort­er Straße ist auf diese Weise Kunst zu einem festen Bestandtei­l der Architektu­r geworden. Das erkennt man auch beim Gang durch das „Auditorium“. Seine Besonderhe­it besteht in der klangoptim­ierenden Wandgestal­tung. Die geometrisc­he Hügellands­chaft auf den Kacheln ist so angelegt, dass möglichst viele Schallwell­en gebrochen werden. „Dadurch minimieren wir den Hall“, sagt der Düsseldorf­er Konzeptkün­stler Ralf Brög, der die U-Bahn-Zugänge an der Heinrich-Heine-Allee gestaltet hat und nun „bespielt“.

Blischkes „Tracks United“erklingt noch bis zum 24. März im Auditorium. Danach werden Soundinsta­llationen anderer Klangkünst­ler folgen.

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