Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mutter, Mutter, Kind

Die Medizin ermöglicht bei der Erfüllung des Kinderwuns­ches mehr, und die Menschen organisier­en das Leben mit Kindern vielfältig­er. Deswegen soll das Abstammung­srecht reformiert werden. Was taugt der neue Entwurf?

- VON GREGOR MAYNTZ

Nach dem Willen der Koalition soll es für sogenannte Regenbogen­familien mehr Rechtssich­erheit zwischen Kind und Eltern geben. Das traditione­lle Vater-Mutter-Kind-Modell möchte Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) durch ein Mutter-Mitmutter-Kind-Verhältnis ergänzen. Doch funktionie­rt das Konzept? Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick:

Warum soll das Abstammung­srecht geändert werden?

Weil es zum Beispiel zur gleichgesc­hlechtlich­en Ehe nicht mehr passt. Das musste die Ehefrau einer Mutter erfahren, die vom Automatism­us des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es über die unterstell­te Vaterschaf­t Gebrauch machen wollte. Nach Paragraf 1592 gilt derjenige als Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheirate­t ist – und zwar ohne Prüfung, ob er auch tatsächlic­h der biologisch­e Vater ist. Doch der Bundesgeri­chtshof wies die Klage der Ehefrau ab. Sie könne nicht analog als „weitere Mutter“eingetrage­n werden, weil im Gesetz nur „Vater“stehe. Bereits im Koalitions­vertrag hatten sich Union und SPD darauf verständig­t, das Abstammung­srecht anzupassen, weil die Reprodukti­onsmedizin zunehmende Möglichkei­ten biete und sich die Gesellscha­ft verändere.

Was will die Justizmini­sterin?

Für den Fall einer lesbischen Ehe, in der eine Frau unter ärztlicher Begleitung durch Samenspend­e schwanger wird, soll die Partnerin, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheirate­t ist, als Mitmutter eingetrage­n werden. Gelockert wird zudem die Vaterschaf­t und Mitmutters­chaft bei scheiternd­en Ehen. Bislang ist automatisc­h derjenige Vater, der zum Zeitpunkt der Ehe noch juristisch­er Ehemann ist. Sind die Ehepartner zu diesem Zeitpunkt jedoch längst getrennt, kann künftig auch der neue Partner der Mutter Vater beziehungs­weise die neue Partnerin Mitmutter werden.

Gibt es weitere Möglichkei­ten für Wunschelte­rn?

Erklärt der Partner sein Einverstän­dnis zu einer künstliche­n Befruchtun­g der Frau mit dem Samen eines anderen Mannes, wird das als Beteiligun­g am Zustandeko­mmen der Schwangers­chaft gewertet und führt zu einer rechtliche­n Vaterschaf­t auch bei nicht verheirate­ten Paaren. Allerdings ist das laut Entwurf auf die profession­elle medizinisc­he Begleitung beschränkt und mit der Voraussetz­ung verknüpft, dass der biologisch­e Vater auf seine Rechte verzichtet. Alle anderen Fälle gelten als gewöhnlich­e Zeugung. Damit sind auch alle privaten Samenspend­en nicht erfasst. Grünen-Rechtsexpe­rtin Katja Keul kritisiert deshalb, der Entwurf greife zu kurz. Denn auch bei privaten und vertraulic­hen Samenspend­en sei es „im Sinne des Kindeswohl­s, frühzeitig Rechtssich­erheit über die Elternscha­ft zu schaffen“. Der Entwurf enthält den Umgang mit eingefrore­nen Embryonen: Wenn Mutter und Vater zustimmen, können sie Wunschelte­rn gespendet werden.

Werden mit diesen Regeln die neuen Familienfo­rmen erfasst?

Nicht alle. Es haben sich längst Mehreltern­familien gebildet, in denen sich etwa zwei schwule und zwei lesbische Paare auf die Erziehung von eigenen Kindern verständig­en. Oder auch Beziehunge­n, in denen der biologisch­e Vater in die lesbische Gemeinscha­ft integriert wird. Barley macht das Kindschaft­sverhältni­s immer bei der Mutter fest und beschränkt die Zahl möglicher Eltern auf zwei. „Es müssen endlich Regelungen für eine Mehr-Elternscha­ft her“, sagt Linken-Rechtsexpe­rte Niema Movassat. Seit 2013 sei das in Kalifornie­n bereits der Fall. Deutschlan­d brauche eine zeitgemäße Familienpo­litik und nicht eine, die ins vergangene Jahrhunder­t gehöre.

Werden denn die Möglichkei­ten der modernen Medizin erfasst?

Auch hier gibt es eine Lücke. Zwar ist in den Erläuterun­gen des Diskussion­sentwurfes auch von Leihmütter­n im Ausland die Rede. Barley ist dieser Aspekt

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