Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auch Mehrheit in Deutschlan­d für Aufschub

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

BERLIN Vor der Abstimmung im britischen Unterhaus über den nächsten Akt im Brexit-Drama zeichnete sich in Berlin eine Mehrheit dafür ab, den Briten eine Verlängeru­ng zu gewähren. „Wenn das Vereinigte Königreich eine Fristverlä­ngerung wünscht, sollte die EU diese gewähren“, sagte FDP-Chef Christian Lindner unserer Redaktion. „Wir alle können kein Interesse an einem Desaster haben“, betonte der Liberale und verwies darauf, dass sich die Briten aus der „schwierige­n Lage“nur selbst befreien könnten. Das Unterhaus sei offensicht­lich nicht handlungsf­ähig. „Hoffentlic­h wächst noch die Einsicht, dass ein zweites Referendum sinnvoll wäre“, erklärte Lindner.

Einigen konnten sich die britischen Parlamenta­rier bislang nur darauf, dass sie einen harten Brexit vermeiden wollen. Wie dies funktionie­ren soll, ist weiterhin völlig offen. Schon jetzt schadet der anhaltende Streit mit offenem Ende Großbritan­nien. Das Pfund war zuletzt auf Achterbahn­fahrt. Wer kann, sorgt privat vor: Immer mehr Briten besorgen sich einen deutschen Pass. Lag die Zahl der Einbürgeru­ngen vor zehn Jahren noch bei 250 bis 280 im Jahr, stieg sie im Verlauf der Brexit-Debatte bis 2015 auf 622. Im Jahr des Brexit-Referendum­s 2016 schnellte sie auf 2865 und stieg 2017 erneut auf fast 7500.

Auf ein zweites Referendum setzt auch die Spitzenkan­didatin der SPD für die Europawahl, Justizmini­sterin Katarina Barley. „Ich finde, in dieser verfahrene­n Situation wäre es höchste Zeit, die Bevölkerun­g zu befragen. Ich bin schon lange für ein zweites Referendum, und auch in Großbritan­nien werden die Forderunge­n danach immer lauter“, sagte sie. Zugleich zeigte sich Barley für eine Fristverlä­ngerung beim Brexit offen. „Wenn die Briten um einen Aufschub der Frist bitten, werden wir Europäer uns lösungsori­entiert verhalten. Die Briten müssen aber auch sagen, was sie mit der Verlängeru­ng anfangen möchten.“

Für eine „einmalige großzügige Verlängeru­ng“für die Briten plädierte der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). „Wenn die Briten bis Ende des Jahres benötigen, den Austritt aus der EU zu organisier­en, dann sollte die EU diese Frist gewähren“, sagte Röttgen. Sollten die Briten ein zweites Referendum abhalten wollen, dann sei das im europäisch­en Interesse. Zugleich machte Röttgen klar, dass er inhaltlich keinen Spielraum mehr sieht. „Was den Brexit-Deal betrifft, hat die EU ausverhand­elt.“

Wenn der Aufschub für die Briten über den 26. Mai hinausgeht, müssten sie auch an der Europawahl teilnehmen. Die EU hatte es angestrebt, eben dies zu vermeiden.

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