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Auch Mehrheit in Deutschland für Aufschub
BERLIN Vor der Abstimmung im britischen Unterhaus über den nächsten Akt im Brexit-Drama zeichnete sich in Berlin eine Mehrheit dafür ab, den Briten eine Verlängerung zu gewähren. „Wenn das Vereinigte Königreich eine Fristverlängerung wünscht, sollte die EU diese gewähren“, sagte FDP-Chef Christian Lindner unserer Redaktion. „Wir alle können kein Interesse an einem Desaster haben“, betonte der Liberale und verwies darauf, dass sich die Briten aus der „schwierigen Lage“nur selbst befreien könnten. Das Unterhaus sei offensichtlich nicht handlungsfähig. „Hoffentlich wächst noch die Einsicht, dass ein zweites Referendum sinnvoll wäre“, erklärte Lindner.
Einigen konnten sich die britischen Parlamentarier bislang nur darauf, dass sie einen harten Brexit vermeiden wollen. Wie dies funktionieren soll, ist weiterhin völlig offen. Schon jetzt schadet der anhaltende Streit mit offenem Ende Großbritannien. Das Pfund war zuletzt auf Achterbahnfahrt. Wer kann, sorgt privat vor: Immer mehr Briten besorgen sich einen deutschen Pass. Lag die Zahl der Einbürgerungen vor zehn Jahren noch bei 250 bis 280 im Jahr, stieg sie im Verlauf der Brexit-Debatte bis 2015 auf 622. Im Jahr des Brexit-Referendums 2016 schnellte sie auf 2865 und stieg 2017 erneut auf fast 7500.
Auf ein zweites Referendum setzt auch die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl, Justizministerin Katarina Barley. „Ich finde, in dieser verfahrenen Situation wäre es höchste Zeit, die Bevölkerung zu befragen. Ich bin schon lange für ein zweites Referendum, und auch in Großbritannien werden die Forderungen danach immer lauter“, sagte sie. Zugleich zeigte sich Barley für eine Fristverlängerung beim Brexit offen. „Wenn die Briten um einen Aufschub der Frist bitten, werden wir Europäer uns lösungsorientiert verhalten. Die Briten müssen aber auch sagen, was sie mit der Verlängerung anfangen möchten.“
Für eine „einmalige großzügige Verlängerung“für die Briten plädierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). „Wenn die Briten bis Ende des Jahres benötigen, den Austritt aus der EU zu organisieren, dann sollte die EU diese Frist gewähren“, sagte Röttgen. Sollten die Briten ein zweites Referendum abhalten wollen, dann sei das im europäischen Interesse. Zugleich machte Röttgen klar, dass er inhaltlich keinen Spielraum mehr sieht. „Was den Brexit-Deal betrifft, hat die EU ausverhandelt.“
Wenn der Aufschub für die Briten über den 26. Mai hinausgeht, müssten sie auch an der Europawahl teilnehmen. Die EU hatte es angestrebt, eben dies zu vermeiden.