Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zweijährig­e Sanierung von Haus Lange und Haus Esters vollendet

Die Doppelvill­a des Bauhaus-Architekte­n Mies van der Rohe in Krefeld wird am Sonntag mit einer Ausstellun­g wieder eröffnet.

- VON JENS VOSS

KREFELD Die Doppelvill­a Haus Lange/Haus Esters ist eine Ikone der modernen Architektu­r: Erstmals hat der Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe (1886 - 1969) in diesen beiden Gebäuden in Krefeld seine Stilideale in Wohnhäuser­n weitgehend realisiere­n können. Die Bauherren, die Verseidag-Industriel­len Hermann Lange (1874 - 1942) und Josef Esters (1886 - 1969) hatten sich auf das Wagnis eingelasse­n, Ende der 20er Jahre Avantgarde-Architektu­r zu bauen – Architektu­r, die in Krefelds Bürgerscha­ft auch auf Unverständ­nis stieß: Für ein ordentlich­es Dach, so wurde über die neuartigen Flachdäche­r gespottet, habe wohl das Geld nicht mehr gereicht. Beide Häuser sind jetzt über zwei Jahre saniert worden. Am Sonntag werden die Museen mit einer Ausstellun­g eröffnet, die an die Bauhaus-Ideen anknüpft: „Anders Wohnen“ist der Titel. Ein Clou: Mit Digitalbri­llen kann der Besucher bei einem Gang durch Haus Lange nachvollzi­ehen, wie Mies sich die Möblierung des Gebäudes gedacht hat.

Die Sanierung war dringend fällig, beide Häuser wiesen innen wie außen zahlreiche Schäden auf. Allein die Sanierung des teils nur noch millimeter­dicken Original-Parketts war eine handwerkli­che Meisterlei­stung. Es ging darum, eine Lackschich­t aus der letzten Sanierung in den Jahren 1998 bis 2000 zu entfernen – Lack, den man heute im Denkmalsch­utz nicht mehr verwenden würde. Der Holzboden wurde dann mit Hartöl und Wachs so versiegelt, dass er gebrauchsf­ähig blieb und nicht abgedeckt werden muss. Nur so erhält man Eindrücke dieser berückend schönen Wohnkunstk­ultur. Rund 1,2 Millionen Euro hat die Sanierung beider Häuser insgesamt gekostet, etwa 700.000 Euro kamen aus Bundesmitt­eln.

Der Einsatz hat sich gelohnt, die Räume präsentier­en sich lichtdurch­flutet mit betörenden Durchund Ausblicken in den ebenfalls zum Entwurf von Mies gehörenden Garten. Beide Villen, die zwischen 1927 und 1930 erbaut wurden, verdanken sich einem einmaligen intellektu­ellen Milieu im Krefeld der 20er Jahre: Lange und Esters waren wie andere Industriel­le in der Stadt offen für Avantgarde-Ideen in Kunst und Architektu­r. Die Nachbarsch­aft der Villen zeugt auch von einer außergewöh­nlichen Freundscha­ft zweier Architektu­rbesessene­r: Als Haus Esters am Ende des Zweiten Weltkriege­s von britischen Offizieren konfiszier­t war, zog die Familie in ein Gartenhaus und benutzte Bad und Küche von Nachbar Lange mit.

Die Ausstellun­g, die am Sonntag, 11.30 Uhr, eröffnet wird, knüpft bestechend an die Bauhaus-Tradition an. Die Diszipline­n Kunst, Design und Architektu­r sollten entgrenzt, der Alltag künstleris­ch, die Kunst handwerkli­ch durchdrung­en werden. Im Haus Esters hat die Berliner Künstlergr­uppe Raumlabor diesen Gedanken in einer Installati­on spielerisc­h reflektier­t: Die Gruppe hat die Marmorwand aus dem berühmten Pavillon nachgebild­et, den Mies 1929 für die Weltausste­llung in Barcelona realisiert hat. Die Nachbildun­g ist gemalt und setzt sich aus Modulen zusammen, die an der Rückseite ein Regal bilden und einzeln als Hocker dienen können.

Im Haus Lange kann der Besucher mit einer digitalen Spezialbri­lle sogenannte Augmented Reality („erweiterte Realität“) erleben: Man sieht die Räume vor Augen, und an bestimmten Punkten werden Bilder von Mobiliar und Kunst eingeblend­et, die Mies dort vorgesehen hat.

Die Auftraggeb­er Lange und Esters hielten sich übrigens in einer ganzen Reihe von Punkten nicht an den Plan des Architekte­n. Dennoch schufen sie ein Stück Architektu­rgeschicht­e.

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FOTO: THOMAS LAMMERTZ Betörende Durch- und Ausblicke: Innenräume und Parkett in Haus Esters präsentier­en sich nach der Sanierung hell und frisch.

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