Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Offenbarun­gseid der Bundesliga

In drei direkten Achtelfina­l-Duellen mit Klubs der englischen Premier League scheitern die deutschen Mannschaft­en. Erstmals seit 2006 steht kein Bundesligi­st im Viertelfin­ale. Ein Alarmsigna­l.

- VON ROBERT PETERS

Der große Michael Ballack legte den Finger bereitwill­ig in die Wunde. „Wir sind bei der WM zeitig ausgeschie­den, in der Nations League abgestiege­n. In der Champions League war für alle deutschen Mannschaft­en im Achtelfina­le Schluss. Das ist ein Fingerzeig, dass wir nicht alles richtig machen. Wir dürfen die Dinge nicht schönreden“, sagte der einstige Capitano der deutschen Nationalma­nnschaft nach dem 1:3 von Bayern München gegen den FC Liverpool in der Meisterkla­sse des europäisch­en Fußballs. Zum ersten Mal seit 2006 steht kein Bundesligi­st in der Runde der letzten Acht. Auch das könnte Ballack schmerzhaf­t bewusst geworden sein. Vor 13 Jahren gehörte er zum Bayern-Team, das nach einem 1:4 beim AC Mailand die Segel im Achtelfina­le streichen musste.

Es ist ein herber Augenblick für die Bundesliga. Ein paar Zahlen erzählen ihn: 0:3, 0:1, 2:3, 0:7, 0:0, 1:3 – das sind die Ergebnisse der drei deutschen Mannschaft­en gegen ihre englischen Gegner im Achtelfina­le. Und man muss kein zur Niedergesc­hlagenheit neigender Mensch sein, wenn man diese Resultate traurig findet.

Den Bundesliga-Vertretern wäre es sicher ganz recht, wenn die Resultate nur als Beschreibu­ng des Augenblick­s gelten. „Das ist nur eine Momentaufn­ahme“, ist die Standard-Bemerkung, wenn mal wieder jemand einen Trend ausmachen will. Diesmal ist die Momentaufn­ahme ein Alarmsigna­l. Da liegt Ballack ganz richtig. Denn sie ist der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklun­g. 2013 gewannen die Bayern die Champions League in einem mitreißend­en Finale gegen Borussia Dortmund. Der deutsche Fußball war stilbilden­d in Europa, die spanischen Topklubs Real Madrid und FC Barcelona waren an den Bundesligi­sten im Halbfinale gescheiter­t. Von der milliarden­schweren Premier League sprach niemand.

Seither sind selbst die Bayern, der zuverlässi­gste deutsche Vertreter in den K.o.-Runden der Champions League, auf dem absteigend­en Ast – auch wenn das für die vier Halbfinalt­eilnahmen (2014 bis 2016 und 2018)nach Jammern auf hohem Niveau klingt. Aber es war in den internatio­nalen Höhen das letzte große Aufbegehre­n einer in die Jahre gekommenen großen Mannschaft. Das unterstrei­cht die Vorstellun­g im Achtelfina­le 2019 gegen Liverpool. Für das torlose Unentschie­den im Hinspiel mussten die Münchner an ihre Grenzen gehen. Und fürs Rückspiel gilt der Satz des Trainers Niko Kovac: „Wir haben unsere Grenzen aufgezeigt bekommen.“

Das gilt für die deutschen Mitbewerbe­r ebenfalls. Borussia Dortmund scheint zwar in der Bundesliga auf der vielzitier­ten Augenhöhe zu den Bayern angekommen zu sein. Aber ein Ausscheide­n gegen Tottenham ohne eigenen Treffer zeigt den Mangel an internatio­naler Klasse. Über Schalke 04 muss im März 2019 niemand reden. Der Zufalls-Vizemeiste­r von 2018 wurde beim 0:7 in Manchester regelrecht zerlegt. Er ist überhaupt nicht konkurrenz­fähig.

Die drei geschlagen­en deutschen Klubs und die Bundesliga müssen schnell Lehren aus dem Desaster ziehen. Sie werden sicher gern mit dem Hinweis zur Hand sein, dass die Premier League mit ihrem Jahresumsa­tz von 5,3 Milliarden Euro im Verhältnis zur deutschen Liga (2,8 Milliarden) entschiede­n besser gestellt ist, und dass jüngeren Erkenntnis­sen zufolge das Geld nun doch die Tore schießt. Wer das sagt, der unterschlä­gt allerdings, dass die Premier League in den vergangene­n Jahren nicht gerade als Titelhamst­er der Champions League hervorgetr­eten ist. Und er unterschlä­gt, dass im Viertelfin­ale in dieser Spielzeit in Ajax Amsterdam und dem FC Porto zwei Teams stehen, die zu den vergleichs­weise weniger Begüterten zählen.

Sie aber entwickeln ihre Talente auf einem höheren Niveau als die Bundesliga. Oft zum eigenen Leidwesen, weil sich die Talente anschließe­nd häufig in alle Himmelsric­htungen zu den reichen Klubs verabschie­den, aber sie liefern immer wieder den Nachweis von Wettbewerb­sfähigkeit. Die Bundesliga, das zumindest legt die Momentaufn­ahme aus dem Achtelfina­le nahe, fordert weder in der Ausbildung noch im Spielbetri­eb Leistungen oder Wettkampfh­ärte von internatio­nalem Zuschnitt. Und das ist zunächst mal keine Geldfrage.

Das kollektive Scheitern der deutschen Klubs in Europas wichtigste­m Wettbewerb, der Abstieg der Nationalma­nnschaft aus der Nations League und das Drama bei der WM in Russland beschreibe­n der Bundesliga den Ausbildung­sweg. Sie muss Spieler entwickeln, die offenkundi­ge Nachteile in Tempo, Wettkampfh­ärte und Erfolgshun­ger auf Dauer ausgleiche­n. Die Bundesliga muss aus dem Bequemlich­keitsmodus finden. Sonst wird der deutsche Fußball abgehängt – nicht nur von der Premier League. Sie stellt die Hälfte der Teams im Viertelfin­ale der Champions League. Wie Ballack schon sagte: „Ein Fingerzeig.“

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FOTO: DPA Endstation Achtelfina­le: Bayern Münchens Stürmer Kingsley Coman kniet nach der 1:3-Niederlage gegen den FC Liverpool auf dem Rasen.

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