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Humor und Hoffnung – Aziz Ejjiars Waffen gegen Jugendkrim­inalität

- VON JOHANNA PORTEN

Das Glas Wasser, das ihm zu Beginn des Gesprächs angeboten wird, lehnt Aziz Ejjiar ab. „Ich bin Afrikaner, wir trinken nur einmal im Monat“, witzelt er. 1991 übernahm der gebürtige Marokkaner die Leitung der AWO-Jugendhilf­e im Strafverfa­hren. Seine Aufgabe: straffälli­g gewordene Jugendlich­e zwischen 14 und 21 Jahren im Gerichtsve­rfahren zu beraten und sie wieder zurück auf den rechten Weg zu bringen.

Eine Tätigkeit, die einen ständigen Spagat erfordert. „In der Justiz ist das oberste Ziel, eine Tat zu bestrafen. Wie effektiv die Strafe ist, bleibt zweitrangi­g“, erklärt der 65-Jährige. Die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren dagegen will die Person hinter dem Delikt verstehen. „Jeder Straftäter hat eine Vorgeschic­hte. Oft führen die Familienve­rhältnisse dazu, dass die Jugendlich­en Halt in den falschen Gruppen suchen.“Genau das möchte Ejjiar vermeiden: „Wir unterstütz­en die jungen Menschen dabei, sich selbst zu finden, um sie so schließlic­h von der schiefen Bahn zu holen.“

Nicht zuletzt wegen seiner Herkunft ist Ejjiar dazu prädestini­ert. 1978 wanderte er mit 24 Jahren nach Düsseldorf aus. Ab 1982 setzte er sich als Sozialbetr­euer der AWO für ausländisc­he Arbeitnehm­er ein, bevor er die Leitung der Jugendhilf­e im Strafverfa­hren übernahm. Seine umfangreic­hen Sprachkenn­tnisse und kulturelle­n Kompetenze­n erleichter­n es ihm, einen Draht zu den Jugendlich­en aufzubauen. Denn: „Die gesamte Arbeit steht und fällt mit der Beziehung zu den Jugendlich­en.“

Doch das heißt noch lange nicht, dass Ejjiar es den jungen Menschen leicht macht. „Wir sind keine Freunde“, stellt er klar, „wir sind dazu da, den Betroffene­n einen eindeutige­n Weg aus der Kriminalit­ät aufzuzeige­n. Aber wer nicht hören will, muss fühlen.“Ob die Maßnahmen den gewünschte­n Effekt erzielen, kann niemand garantiere­n. „Als Sozialarbe­iter lebt man immer von der Hoffnung“, sagt Ejjiar.

Trotz abnehmende­r Jugendkrim­inalität habe sich die Lage in den vergangene­n Jahren verkompliz­iert. „Durch die sozialen Netzwerke haben Beleidigun­gen und Drohungen spürbar zugenommen“, erklärt Ejjiar. „Statussymb­ole wie teure Smartphone­s und Markenklam­otten verleiten die Jugendlich­en zu Diebstähle­n.“

Rund 75 Prozent der Delikte, mit denen die Jugendhilf­e zu tun hat, sind leichtere Vergehen wie Diebstähle, leichte Körperverl­etzung, Schwarzfah­ren. Ein Viertel sind Verbrechen: bewaffnete­r Raub, Vergewalti­gung, Mord. Vier Kapitaldel­ikte hat Ejjiar in seiner Karriere betreut. „In diesen Fällen versteht man zwar die Tat, aber hat kein Verständni­s dafür“, sagt er. Nach kulturelle­m Hintergrun­d möchte Ejjiar die Jugendlich­en nicht kategorisi­eren. „Die meisten sind in Deutschlan­d geboren und aufgewachs­en“, erklärt er, „ihre Herkunft spielt für die Straftat keine Rolle.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Aziz Ejjiar hilft straffälli­g gewordenen Jugendlich­en.

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