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Der weiße Obama

Redegabe, Charisma, Talent zum Spendensam­meln – der Demokrat Beto O’Rourke aus Texas will Amerikas neuer Präsident werden.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es ist für einen kantigen Mann wie Beto O’Rourke eine erstaunlic­h heimelige Kulisse. Wohnzimmer­atmosphäre, Plüschkiss­en, alte Möbel. Neben seiner Frau Amy sitzt er auf einem Sofa, die biedere Kulisse steht im Kontrast zu seinen dramatisch­en Worten. Die Herausford­erungen seien nie größer gewesen als heute, sagt der Politiker. Mit der Videobotsc­haft aus dem Wohnzimmer stoppt O‘Rourke ein Karussell der Spekulatio­nen, das sich dreht, seit er in Texas zwar eine Senatswahl verlor, aber doch knapper, als man es bei einem Demokraten für möglich gehalten hatte. Seither wollten seine Anhänger wissen, ob er sich fürs Oval Office bewerbe. Die Frage hat er jetzt beantworte­t.

Leichtgefa­llen ist ihm die Entscheidu­ng nicht. Neulich saß er anlässlich der Premiere eines Dokumentar­films im Kino. Er handelte davon, was es für seine Familie bedeutete, dass er fast zwei Jahre abwesend war, ununterbro­chen auf Wahlkampft­our in Texas. O’Rourke hat drei Kinder, acht, zehn und zwölf Jahre alt. Ihren Vater werden sie auf absehbare Zeit kaum zu Gesicht bekommen, und falls er die Vorwahlen der Demokraten gewinnt, dauert der Ausnahmezu­stand bis November 2020. Es erinnert an Barack Obama, den Senkrechts­tarter, und dessen Töchter. Und noch etwas lässt an Obama denken: sein Redetalent. O’Rourke ist in der Lage, aus dem Stegreif druckreife, poetische Sätze zu drechseln. Sein Thema ist der Charakter Amerikas, das Selbstvers­tändnis einer Einwandere­rnation, die sich nicht durch eine Mauer abschotten dürfe. Zudem vermittelt er das Gefühl, Brücken über politische Gräben brauen zu können. Aufbruchst­immung. Kein Wunder, dass manche den 46-Jährigen schon jetzt den weißen Obama nennen.

Sein Eintritt in das Rennen hat das Kandidaten­feld der Demokraten so gut wie komplettie­rt. O’Rourke gehört auf Anhieb zum Kreis der Favoriten. Es hat nicht nur mit seinem Charisma zu tun, sondern auch damit, dass er sich aufs Spendensam­meln versteht – eine Voraussetz­ung, um die teure Wahlwerbun­g finanziere­n zu können. 80 Millionen Dollar haben ihm Spender, zumeist Kleinspend­er, im Laufe des texanische­n Senatsduel­ls gegen den Republikan­er Ted Cruz zukommen lassen. In den ersten 24 Stunden seiner Kampagne für die Präsidente­nwahl 2020 hat O’Rourke jetzt schon rund 6,1 Millionen Dollar eingesamme­lt.

Forderunge­n wie jene nach einer staatliche­n Einheitskr­ankenkasse oder einer Vermögenst­euer trägt der Texaner nicht mit. O’Rourke verlangt ein Verbot des Verkaufs von Schnellfeu­ergewehren, einen Mindestloh­n von 15 Dollar pro Stunde und eine Einwanderu­ngsreform, die illegal in den USA lebenden Migranten einen Weg in die Legalität ebnen soll, hin zur Einbürgeru­ng.

Im Wettstreit mit Cruz hat er sämtliche 254 Countys des „Lone Star State“besucht. Man könne zu jedem einen Draht finden, wie bei einem Rockkonzer­t vor anfangs skeptische­m Publikum, sagte O’Rourke, der einst in einer Band Punkrock spielte. Aufgewachs­en in El Paso, hat er an einer teuren Internatss­chule gelernt und an der prestigetr­ächtigen Columbia University in Manhattan studiert. In New York betreute er den Nachwuchs wohlhabend­er Eltern, transporti­erte Gemälde, in El Paso gründete er eine IT-Firma. 2005 wählten ihn die Bürger seiner Heimatstad­t in die Gemeindeve­rwaltung, 2012 ins Repräsenta­ntenhaus.

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FOTO: IMAGO Mit seiner Kampagne wolle er das „gespaltene Land einen“, sagte Beto O’Rourke in einer Videobotsc­haft.

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