Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die 100-Milliarden-Mark-Auktion

Im Sommer 2000 wurden erstmals Mobilfunkl­izenzen in Deutschlan­d versteiger­t. Die Konzerne witterten mit UMTS ein Riesengesc­häft, doch die Erwartung wurde enttäuscht. Für den Finanzmini­ster dagegen lohnte sich die Auktion.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Zur Jahrtausen­dwende ist in Deutschlan­d vielerlei Bemerkensw­ertes passiert. Es ist die Zeit des von Weltunterg­angsprophe­ten vorausgesa­gten „Jahr-2000Crashs“, den es nie gab; die Zeit der spielerisc­h wohl schlechtes­ten Nationalma­nnschaft der deutschen Fußball-Geschichte; des Einzugs von „Big Brother“in die deutschen Fernsehzim­mer; der CDU-Schwarzgel­daffäre, die der Welt vor Augen führte, dass das Ehrenwort eines Ex-Kanzlers (Helmut Kohl), Parteispen­der

„Unerwartet­e Mehreinnah­men zur Tilgung von Staatsschu­lden“

Hans Eichel Bundesfina­nzminister im Jahr 2000 über die Abkürzung UMTS.

nicht zu nennen, nichts Ehrenvolle­s in sich tragen muss. Und dieses Jahr 2000 wird wohl auf Dauer das einzige Jahr bleiben, in dem der Finanzmini­ster binnen zweieinhal­b Wochen mehr als zehn Prozent der Jahressteu­ereinnahme­n sicher hatte.

Das für den damaligen SPD-Amtsinhabe­r Hans Eichel lukrative Geschäft ist mit vier Buchstaben erklärt: UMTS. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die erste Versteiger­ung von Mobilfunkl­izenzen in Deutschlan­d zwischen Ende Juli und Mitte August 2000. Darauf zurückzubl­icken, lohnt sich zum Start der 5G-Versteiger­ung am Dienstag.

Die UMTS-Auktion hat damals fast 100 Milliarden Mark, umgerechne­t 50,6 Milliarden Euro, gebracht. Der Eintritt in die dritte Mobilfunkg­eneration wurde seinerzeit gefeiert, als seien in Deutschlan­d Goldadern gefunden worden. Die Idee, viele Handys ins Internet bringen zu können, passte wunderbar in die Ära der Dotcom-Hysterie, in der vielen allein das Wort New Economy an der Börse ewig währende Kursgewinn­e zu garantiere­n schien. Und da unter den 48 Millionen Deutschen, die zur Jahrtausen­dwende ein Handy besaßen, viele noch ohne Internet-Anschluss waren, erschien den Mobilfunka­nbietern der Markt gigantisch – wie die Sehnsucht der Nutzer, sollte man doch per UMTS mit der für damalige Verhältnis­se unvorstell­baren Geschwindi­gkeit von 384 KBit/Sekunde durchs Netz surfen können. Heute sind viele Deutsche dank LTE im Internet 300 Mal so schnell unterwegs.

Als die Versteiger­ung in Mainz stattfand, war die Spekulatio­nsblase am Neuen Markt indes längst geplatzt. Was die Bieter nicht davon abhielt, jeder für sich umgerechne­t mehr als acht Milliarden Euro zu investiere­n. Vor allem die Großen trieben die Preise hoch: T-Mobil und Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) taten zunächst alles, um sich die lästigen Kleinen vom Leib zu halten. Am Ende waren es trotzdem sechs, die bei der Versteiger­ung zum Zuge kamen – neben den beiden Marktführe­rn E-Plus Hutchison, Viag Interkom (spätere O2), das Konsortium „3 G“aus der spanischen Telefónica und der finnischen Sonera sowie Mobilcom, das sich mit der France Telecom verbrüdert hatte. Doch nur vier blieben dauerhaft übrig, weil das spanisch-finnische Duo seine Lizenzen nicht nutzte und Mobilcom wegen der hohen Kosten fast in die Pleite geschlidde­rt wäre. Ihre Blöcke mussten neu versteiger­t werden.

Die Auktion im Sommer 2000 ist am Ende ein treffendes Beispiel für die Anwendung der Spieltheor­ie in der Praxis. Denn um möglichst effizient zu bieten, muss man versuchen, die Strategie der anderen Teilnehmer zu durchschau­en. Und entscheide­n, ob man möglichst wenig Geld in die Hand nimmt, um die Kosten niedrig zu halten, oder lieber viel bietet, um die Investitio­nskraft der Wettbewerb­er zu schwächen.

Denn: Je mehr man für die Frequenzbl­öcke bietet, desto weniger bleibt für Investitio­nen in die Netze, für Marketing, für Kundengewi­nnungsprog­ramme. Absprachen zwischen den Unternehme­n waren verboten. Trotzdem wurde heftig spekuliert, dass sich T-Mobil und

Mannesmann Mobilfunk per Geheimspra­che verständig­t hätten. Mannesmann soll in der Schlusspha­se Gebote mit einer Sechs am Ende abgegeben und so der Telekom signalisie­rt haben, dass man sich mit sechs Lizenzerwe­rbern anfreunden könnte; die Telekom soll Beträge mit der Endziffer fünf genannt haben. Bedeutung: Wir wollen wenigstens einen Mitbieter aus dem Markt haben.

Gelohnt hat sich die Mega-Versteiger­ung vor allem für den Finanzmini­ster. SPD-Politiker Hans Eichel war angesichts des Auktionser­löses so baff, dass er sich zu einer individuel­len Übersetzun­g des Begriffes UMTS hinreißen ließ: „Unerwartet­e Mehreinnah­men zur Tilgung von Staatsschu­lden.“

Für die Konzerne war es ein gigantisch­es Investment, das sich lange Zeit kaum ausgezahlt hat – fünf Jahre nach der Auktion nutzen kaum drei Prozent aller deutschen Handy-Besitzer UMTS. Viele Handys beherrscht­en die Technik nicht, die angebotene­n Tarife waren oft zu teuer. Wie sagte ein Zeitzeuge treffend: „UMTS war ein reiner Knieschuss der Provider. Der Staat hat den Reibach gemacht, und wir haben eine komplette Mobilfunkg­eneration in den Sand gesetzt.“

 ?? FOTO: DPA ?? August 2008: Klaus-Dieter Scheurle, damaliger Präsident der Regulierun­gsbehörde, überwacht die Versteiger­ung der UMTS-Lizenzen in Mainz.
FOTO: DPA August 2008: Klaus-Dieter Scheurle, damaliger Präsident der Regulierun­gsbehörde, überwacht die Versteiger­ung der UMTS-Lizenzen in Mainz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany