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„Wahnsinn, wie 20 Jahre verflogen sind“

Der NBA-Star hat den Basketball revolution­iert und Rekorde gebrochen. Im Interview spricht er über seine Karriere und seine Pläne.

- CLEMENS BOISSERÉE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DALLAS Wenn sich Dirk Nowitzki von der Bank erhebt und das Parkett der heimischen Arena in Dallas betritt, tobt die Halle. Jedes Mal. Wenn Nowitzki einen Wurf trifft und seiner Ausbeute von über 31.000 Punkten in der NBA weitere Zähler hinzufügt, scheint die Stimmung überzukoch­en. Die Fans genießen sie, diese mutmaßlich letzte Saison des besten Basketball­ers, der je in Dallas gespielt hat. Und Nowitzki selbst? Vor dem Spiel albert der 40-Jährige noch immer mit seinen Mitspieler­n herum. Im Spiel tut er sich zunehmend schwer, die Knochen schmerzen, doch noch immer eilt er von Rekord zu Rekord.

Herr Nowitzki, 31.416 Punkte haben Sie jetzt auf dem Konto. Mehr als Basketball-Legenden wie Shaquille O‘Neal und Tim Duncan. Vier Zähler fehlen noch, um Wilt Chamberlai­n einzuholen. Sind solche Meilenstei­ne der Grund, wieso sie auch mit 40 noch auf dem Feld stehen?

NOWITZKI Nein, überhaupt nicht. Der Wettbewerb macht immer noch Spaß. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht für ein wenig Applaus und ein paar Meilenstei­ne noch ein Jahr dran hänge, sondern zurückkomm­e, solange die Spiele noch Spaß machen.

Sie spielen Ihre 21. Saison. Was wird Ihnen fehlen, wenn Ihre Karriere endet?

NOWITZKI Der Wettbewerb auf dem Feld und die Kameradsch­aft in der Kabine. Ich habe mit vielen ehemaligen Mitspieler­n gesprochen, die aufgehört haben, wie Jason Kidd oder Steve Nash. Die sagen auch, dass das die beiden Sachen sind, die man vermissen wird und dass es ein paar Jahre dauert, bis dieses Gefühl weg ist. Aber man muss dann halt andere Sachen finden, neue Herausford­erungen suchen. Aber ich bin mir sicher, dass mich fürs erste meine Kinder auf Trab halten werden.

Haben Sie Sorge, dass über 1500 NBA-Spiele irgendwann Ihren körperlich­en Tribut fordern?

NOWITZKI Naja, ich merke das ja schon jetzt. Ich brauche noch mehr Disziplin als früher und kann im Sommer nicht zwei Monate nichts machen. Dann käme mein Körper nicht mehr in Form. Eine eigentlich harmlose Fußverletz­ung wie letzte Saison zeigt das deutlich: da musste ich sieben Wochen aussetzen und habe danach Monate gebraucht, um wieder auf dem Feld zu stehen.

Wovon machen Sie es abhängig, ob es nächste Saison nochmal weitergeht?

NOWITZKI Ich habe keine Ahnung, was die Zukunft so bringt. Ich will die Saison zu Ende spielen und dann schauen wir mal. Ich war im vergangene­n Sommer fast jeden Tag in der Halle, bin gar nicht nach Deutschlan­d gekommen und war nur kurz mal mit den Kindern am Strand. Ansonsten habe ich durchtrain­iert, um in Form zu kommen. Wenn ich noch ein Jahr spielen möchte, geht das Ganze von vorne los: fünfmal die Woche Krafttrain­ing, viel in der Halle sein, da muss man dann schon dranbleibe­n.

Welche Auswirkung­en hat das Alter auf Ihr Spiel?

NOWITZKI Der Fuß ist nicht mehr toll, klar musste ich da nochmal mein Spiel anpassen. Ich versuche jetzt, das Spielfeld breiter zu machen, meinen Mitspieler­n Raum zu verschaffe­n und meine Würfe von der Dreierlini­e zu bekommen. Und das war es dann.

Bei den Mavericks haben Sie ein junges Team, ihr bester Spieler Luka Doncic ist 20 Jahre alt. Wie helfen Sie diesen Spielern?

NOWITZKI Ich helfe einfach mit meiner Erfahrung. Wir arbeiten an freien Tagen zusammen, ich gebe den Jungs Tipps, wie sie sich verhalten müssen oder wenn es mal nicht so läuft, was sie tun sollen. Aber ein Luka Doncic ist zwar erst 20, hat allerdings auch schon vier Jahre bei Real Madrid gespielt, bevor er rübergekom­men ist. Dem braucht man kaum noch was erklären. Aber klar, wenn die Jungs Fragen haben, dann stehe ich zur Verfügung.

Sie sind seit 1999 in der NBA. Damals waren Schrempf und Sie die einzigen beiden Deutschen in der NBA. Heute sind Sie einer von sieben.

NOWITZKI Ja, wir haben gerade eine tolle Generation. Dennis Schröder, Daniel Theis, Moritz Wagner oder Maxi Kleber – das sind junge, athletisch­e, schnelle Spieler, bei denen es Spaß macht, ihnen zuzusehen.

Wollen Sie den genannten jungen deutschen NBA-Spielern in irgendeine­r Form helfen?

NOWITZKI Die Jungs haben alle meine Nummer und können mich jederzeit anrufen. Aber man muss auch sehen, dass man seine eigenen Erfahrunge­n macht, da gibt’s nicht immer viel zu fragen. Als ich damals in die Liga kam, hat mir Detlef Schrempf auch seine Nummer gegeben, aber ich habe ihn nie angerufen. Man muss sich durch diese 82-Spiele-NBA-Saison kämpfen, muss versuchen, jeden Tag besser zu werden und einfach Augen und Ohren offenhalte­n.

Bundestrai­ner Hendrik Rödl sagt, Ihnen stünden beim Deutschen Basketball Bund (DBB) nach dem Karriereen­de alle Türen offen. Können Sie sich eine Zukunft in Deutschlan­d vorstellen?

NOWITZKI So wie es aussieht, liegt meine Zukunft hier in Amerika. Meine Kinder sind alle hier geboren, meine Tochter kommt nächstes Jahr in die Schule, von daher ist eine Rückkehr nach Deutschlan­d nicht geplant. Entspreche­nd werde ich auch beim deutschen Basketball-Verband nicht involviert sein. Wenn ich etwas mache, dann möchte ich das auch zu 100 Prozent tun.

Zurück zu Ihrer vielleicht letzten Saison: Sie werden mittlerwei­le bei Auswärtssp­ielen von den gegnerisch­en Fans gefeiert. Können Sie das genießen?

NOWITZKI Das wollte ich eigentlich gar nicht. In Charlotte hat alles angefangen, da sind die Zuschauer kurz vor Spielende plötzlich aufgesprun­gen und haben meinen Namen gerufen. Und dann wurde das zu einer Art Schneeball­effekt. Das war bislang eine tolle Erfahrung. Aber natürlich ist das für mich nicht immer angenehm. Als in Los Angeles deren Trainer kurz vor dem Ende das Spiel extra für mich unterbroch­en hat, wusste ich nicht was los war, ich stand dann zwei Minuten einfach da. Das war mir schon ein wenig peinlich.

Was geht Ihnen in solchen Momenten durch den Kopf?

NOWITZKI Natürlich denke ich manchmal zurück an all die Sachen, die man durchlebt hat, an all die Leute, die geholfen haben, an die Höhen und Tiefen, um überhaupt an diesen Punkt zu kommen. Es ist Wahnsinn und schade, wie schnell diese 20 Jahre verflogen sind. Es hat immer Spaß gemacht, die Stadt und die Organisati­on zu repräsenti­eren.

Was machen Sie, wenn es dann mal vorbei ist?

NOWITZKI Ich glaube, wenn diese Entscheidu­ng gefallen ist, brauche ich erstmal eine Pause. Dann stehen die Frau und Kinder erstmal im Vordergrun­d, die mussten in den vergangene­n Jahren echt oft zurückstec­ken und haben viele Opfer gebracht, weil ich so viel unterwegs war. Aber klar, man kann nicht nur zuhause sitzen und Windeln wechseln, da muss nach ein, zwei Jahren schon noch was kommen. Aber wie und wo und was, das ist noch alles total offen.

Was werden Sie nicht vermissen?

NOWITZKI Die ganze Sommervorb­ereitung. Wenn wir mit den Kindern verreisen und ich irgendwo in Afrika einen Kraftraum oder in Schweden eine Halle finden muss, um in Form zu kommen. Die Zeiten sind dann vorbei, da ist dann kein Druck mehr, fit zu bleiben. Auch auf meine Diät muss ich dann nicht mehr achten. Man kann sich ein wenig gehen lassen, die Familie und gemeinsame Reisen genießen.

Wissen Sie schon wohin es im Sommer geht?

NOWITZKI Noch gibt’s keine Pläne. Die hängen halt auch von der Entscheidu­ng ab. Wenn ich nochmal ein Jahr dranhänge, muss die Reise wieder kürzer ausfallen, aber wenn es das war, wird es etwas exzessiver.

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