Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Auf der Suche nach Heines Doktorarbeit
Eine historische Schnitzeljagd führt auf den Spuren von Heinrich Heine durch die Altstadt. Unser Autor wagte den Selbstversuch.
Heinrich Heine brauche meine Hilfe, das steht in der SMS, die ich kurz nach der Registrierung für die Schnitzeljagd bekomme. Wenn einer der größten Schriftsteller und Dichter Deutschlands um Unterstützung bittet, sei es auch nur in einem Spiel, fühlt man sich doch geehrt. Also hoch von der Couch und ab in die Altstadt. Meine erste Aufgabe ist simpel: Zum Heinrich-Heine-Institut an der Bilker Straße gehen und eine Bestätigungs-SMS schicken. Manche der nächsten Rätsel bringen mich ins Schwitzen, auch wenn das Wetter noch recht frisch ist.
„Planlos in Düsseldorf: Helft Heine!“heißt die neue Tour, und das fasst meine Gefühle ganz gut zusammen. Erst seit einem halben Jahr wohne ich in Düsseldorf – wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, habe ich die Stadt bisher nicht so richtig kennengelernt. Ich war in einigen Kultkneipen, in ein paar Museen, hier und da in meinem neuen Viertel unterwegs, muss aber trotzdem immer noch fast täglich auf den Navigationsdienst meines Handys zurückgreifen. Vielleicht ist die Schnitzeljagd eine gute Gelegenheit, um meinen neuen Wohnort besser zu erkunden.
Einmal am Heine-Institut angekommen, schicke ich das Wort „Start“an die Nummer für die Schnitzeljagd und bekomme prompt das erste Rätsel. „Der Meister wurde in eine prekäre Lage gebracht“, steht dort, gemeint ist Heine. Zunächst will man aber überprüfen, ob ich denn wirklich vor Ort bin. „Schreibt mir, was Luise am Nebenhaus zu Heinrichs Zeit bei Müdigkeit empfahl“, steht in der ersten Anweisung. Ich gehe ein paar Schritte zurück, schaue links und rechts und sehe zunächst – gar nichts. An dieser Stelle sei vielleicht angemerkt, dass Rätsel nicht wirklich meins sind, schon hier brauche ich ein bisschen Hilfe. Dankenswerterweise haben die Tourmacher mit Menschen wie mir gerechnet und Tipps in der Schnitzeljagd eingebaut. Ich rufe einen solchen Joker auf: „An der Fassade in Stein geschlagen begegnet ihr Luise Hensel.“Jetzt sehe ich die Steinplatte, die am rechten Nachbarhaus des Instituts angebracht ist. Danach ist die Antwort einfach, auch wenn der am Morgen gefallene Regen das Entziffern des Textes erschwert.
Die Geschichte hinter der Schnitzeljagd haben sich zwei wissenschaftliche Mitarbeiter des Heine-Instituts einfallen lassen: Heine-Biograf Jan-Christoph Hauschild und Autor Enno Stahl. „Heines Widersacher behaupten, er trage seine Doktortitel zu Unrecht“, erklärt Stahl den Hintergrund der Mission. Heine findet den Vorwurf, er hätte sich den akademischen Grad erkauft, alles andere als nett und sucht also nach Helfern, um die Authentizität seiner Promotion zu beweisen. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. In einem noch erhaltenen Brief äußerte sich Heine zu dem Vorfall: „Man mag mich Bastard nennen, Sohn eines Henkers, Strauchdieb, Atheist, schlechter Dichter: Ich lache darüber, aber es zerreißt mir das Herz, meine Doktorwürde in Frage gestellt zu sehen.“
Mit „planlos.in“, dem Konzept hinter der Tour, ist Stahl schon vertraut. Vor fast genau einem Jahr startete nämlich in Neuss eine von dem selben Unternehmen entwickelte Schnitzeljagd, an der Stahl auch als Autor wesentlich mitwirkte. Finanziert wurde die Entwicklung der Tour in Düsseldorf von der Heine-Gesellschaft. „Es ist fast schon eine Pflicht, das in Düsseldorf zu machen“, sagt Felix Droste, Vorsitzender der Heine-Gesellschaft, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Rheinische Post Mediengruppe ist. Idee und Entwicklung für die digitalen Schnitzeljagden kommen von einer Londoner Firma, die 2016 von drei Aachenern gegründet wurde. Sie haben schon Rätsel-Touren für ihre Heimatstadt sowie für Bonn, Heinrich Heine Hamburg und Köln konzipiert. „Es gibt ein sehr lebendiges Klientel von Leuten, die das gerne machen“, sagt Stahl. Von ihm lerne ich auch, dass man am besten in Gruppen von vier bis sechs Personen loszieht, wenn man die Tour in Düsseldorf schnell absolvieren möchte. Auch in Anbetracht der Kosten wäre es nicht verkehrt, sich ein paar Freunde als Unterstützung zu holen: Der Spaß kostet nämlich 24 Euro. Zwei bis drei Stunden braucht man nach Stahls Schätzung für das Lösen aller Rätsel.
Ich werde wahrscheinlich ein bisschen länger brauchen. Schon die Suche nach der Steintafel hat mich einige Minuten gekostet, und das war ja nur die erste Frage, die zum Reinkommen. Und ich habe einen Hinweis benutzt, dafür werden zu meiner Gesamtzeit fünf Minuten dazu gerechnet. Am Ende der Tour können Teilnehmer sehen, wie gut sie im Vergleich zu anderen abschneiden. Mir persönlich ist das alles ein bisschen zu konkurrenzbetont, ich schaue erstmal, wie weit ich es überhaupt schaffe. Zumal die Heine-Schnitzeljagd von „planlos.in“als „knifflig“eingestuft wurde, der vierten von fünf Schwierigkeitsstufen.
Ein bisschen eingeschüchtert von dieser Bewertung mache ich trotzdem weiter mit dem nächsten Schritt: Ins Heine-Institut reingehen, am Empfang ein paar „magische“Worte aufsagen und sich einen Umschlag geben lassen. So weit, so gut. Im Umschlag finde ich einen Zettel in Postkartengröße, auf dessen Rückseite ein Kreuzworträtsel. Ich soll die Karte gut aufbewahren, steht in der nächsten SMS. Der Absender dieser Nachricht ist Heinrich Heine höchstpersönlich: „Ich danke für Ihr Kommen, nur können Sie auch helfen?“Und so schickt mich der berühmte Düsseldorfer auf eine Reise durch seine Heimatstadt, ich soll das nach ihm benannten Institut verlassen und dem beschriebenen Weg folgen.
Aber an dieser Stelle, liebe Leser, hört das Protokoll der Schnitzeljagd auf. Ich möchte ja nicht zu viel vorwegnehmen. In diesem Sinne: Frohes Rätseln!
„Es zerreißt mir das Herz, meine Doktorwürde in Frage gestellt zu sehen“