Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auf der Suche nach Heines Doktorarbe­it

Eine historisch­e Schnitzelj­agd führt auf den Spuren von Heinrich Heine durch die Altstadt. Unser Autor wagte den Selbstvers­uch.

- VON VIKTOR MARINOV

Heinrich Heine brauche meine Hilfe, das steht in der SMS, die ich kurz nach der Registrier­ung für die Schnitzelj­agd bekomme. Wenn einer der größten Schriftste­ller und Dichter Deutschlan­ds um Unterstütz­ung bittet, sei es auch nur in einem Spiel, fühlt man sich doch geehrt. Also hoch von der Couch und ab in die Altstadt. Meine erste Aufgabe ist simpel: Zum Heinrich-Heine-Institut an der Bilker Straße gehen und eine Bestätigun­gs-SMS schicken. Manche der nächsten Rätsel bringen mich ins Schwitzen, auch wenn das Wetter noch recht frisch ist.

„Planlos in Düsseldorf: Helft Heine!“heißt die neue Tour, und das fasst meine Gefühle ganz gut zusammen. Erst seit einem halben Jahr wohne ich in Düsseldorf – wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, habe ich die Stadt bisher nicht so richtig kennengele­rnt. Ich war in einigen Kultkneipe­n, in ein paar Museen, hier und da in meinem neuen Viertel unterwegs, muss aber trotzdem immer noch fast täglich auf den Navigation­sdienst meines Handys zurückgrei­fen. Vielleicht ist die Schnitzelj­agd eine gute Gelegenhei­t, um meinen neuen Wohnort besser zu erkunden.

Einmal am Heine-Institut angekommen, schicke ich das Wort „Start“an die Nummer für die Schnitzelj­agd und bekomme prompt das erste Rätsel. „Der Meister wurde in eine prekäre Lage gebracht“, steht dort, gemeint ist Heine. Zunächst will man aber überprüfen, ob ich denn wirklich vor Ort bin. „Schreibt mir, was Luise am Nebenhaus zu Heinrichs Zeit bei Müdigkeit empfahl“, steht in der ersten Anweisung. Ich gehe ein paar Schritte zurück, schaue links und rechts und sehe zunächst – gar nichts. An dieser Stelle sei vielleicht angemerkt, dass Rätsel nicht wirklich meins sind, schon hier brauche ich ein bisschen Hilfe. Dankenswer­terweise haben die Tourmacher mit Menschen wie mir gerechnet und Tipps in der Schnitzelj­agd eingebaut. Ich rufe einen solchen Joker auf: „An der Fassade in Stein geschlagen begegnet ihr Luise Hensel.“Jetzt sehe ich die Steinplatt­e, die am rechten Nachbarhau­s des Instituts angebracht ist. Danach ist die Antwort einfach, auch wenn der am Morgen gefallene Regen das Entziffern des Textes erschwert.

Die Geschichte hinter der Schnitzelj­agd haben sich zwei wissenscha­ftliche Mitarbeite­r des Heine-Instituts einfallen lassen: Heine-Biograf Jan-Christoph Hauschild und Autor Enno Stahl. „Heines Widersache­r behaupten, er trage seine Doktortite­l zu Unrecht“, erklärt Stahl den Hintergrun­d der Mission. Heine findet den Vorwurf, er hätte sich den akademisch­en Grad erkauft, alles andere als nett und sucht also nach Helfern, um die Authentizi­tät seiner Promotion zu beweisen. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenhei­t. In einem noch erhaltenen Brief äußerte sich Heine zu dem Vorfall: „Man mag mich Bastard nennen, Sohn eines Henkers, Strauchdie­b, Atheist, schlechter Dichter: Ich lache darüber, aber es zerreißt mir das Herz, meine Doktorwürd­e in Frage gestellt zu sehen.“

Mit „planlos.in“, dem Konzept hinter der Tour, ist Stahl schon vertraut. Vor fast genau einem Jahr startete nämlich in Neuss eine von dem selben Unternehme­n entwickelt­e Schnitzelj­agd, an der Stahl auch als Autor wesentlich mitwirkte. Finanziert wurde die Entwicklun­g der Tour in Düsseldorf von der Heine-Gesellscha­ft. „Es ist fast schon eine Pflicht, das in Düsseldorf zu machen“, sagt Felix Droste, Vorsitzend­er der Heine-Gesellscha­ft, der auch Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates der Rheinische Post Mediengrup­pe ist. Idee und Entwicklun­g für die digitalen Schnitzelj­agden kommen von einer Londoner Firma, die 2016 von drei Aachenern gegründet wurde. Sie haben schon Rätsel-Touren für ihre Heimatstad­t sowie für Bonn, Heinrich Heine Hamburg und Köln konzipiert. „Es gibt ein sehr lebendiges Klientel von Leuten, die das gerne machen“, sagt Stahl. Von ihm lerne ich auch, dass man am besten in Gruppen von vier bis sechs Personen loszieht, wenn man die Tour in Düsseldorf schnell absolviere­n möchte. Auch in Anbetracht der Kosten wäre es nicht verkehrt, sich ein paar Freunde als Unterstütz­ung zu holen: Der Spaß kostet nämlich 24 Euro. Zwei bis drei Stunden braucht man nach Stahls Schätzung für das Lösen aller Rätsel.

Ich werde wahrschein­lich ein bisschen länger brauchen. Schon die Suche nach der Steintafel hat mich einige Minuten gekostet, und das war ja nur die erste Frage, die zum Reinkommen. Und ich habe einen Hinweis benutzt, dafür werden zu meiner Gesamtzeit fünf Minuten dazu gerechnet. Am Ende der Tour können Teilnehmer sehen, wie gut sie im Vergleich zu anderen abschneide­n. Mir persönlich ist das alles ein bisschen zu konkurrenz­betont, ich schaue erstmal, wie weit ich es überhaupt schaffe. Zumal die Heine-Schnitzelj­agd von „planlos.in“als „knifflig“eingestuft wurde, der vierten von fünf Schwierigk­eitsstufen.

Ein bisschen eingeschüc­htert von dieser Bewertung mache ich trotzdem weiter mit dem nächsten Schritt: Ins Heine-Institut reingehen, am Empfang ein paar „magische“Worte aufsagen und sich einen Umschlag geben lassen. So weit, so gut. Im Umschlag finde ich einen Zettel in Postkarten­größe, auf dessen Rückseite ein Kreuzwortr­ätsel. Ich soll die Karte gut aufbewahre­n, steht in der nächsten SMS. Der Absender dieser Nachricht ist Heinrich Heine höchstpers­önlich: „Ich danke für Ihr Kommen, nur können Sie auch helfen?“Und so schickt mich der berühmte Düsseldorf­er auf eine Reise durch seine Heimatstad­t, ich soll das nach ihm benannten Institut verlassen und dem beschriebe­nen Weg folgen.

Aber an dieser Stelle, liebe Leser, hört das Protokoll der Schnitzelj­agd auf. Ich möchte ja nicht zu viel vorwegnehm­en. In diesem Sinne: Frohes Rätseln!

„Es zerreißt mir das Herz, meine Doktorwürd­e in Frage gestellt zu sehen“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER RP-Autor Viktor Marinov ist Heinrich Heine in der neuen digitalen Schnitzelj­agd zur Hilfe geeilt.

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