Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kommt nach der Europawahl das große Stühlerücken?
Union und SPD drohen am Sonntag massive Stimmenverluste. Mit einer Kabinettsumbildung könnte die Kanzlerin ihre Nachfolge weiter vorantreiben.
BERLIN In weniger als einer Woche ist Europawahl. Und nie zuvor war das Ergebnis so wichtig für das Machtgefüge in der Bundesregierung wie dieses Mal. Umfragen zufolge droht Union und SPD ein Verlust von zusammen mehr als 17 Prozentpunkten. Sollte es für CDU und CSU tatsächlich ein Desaster geben, könnte aus der Neubesetzung des Justizministeriums ein größeres Stühlerücken im letzten Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden. Denn dann stünde CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer massiv unter Druck, sich zu bewegen.
Sicher ist bereits, dass Katarina Barley als Europa-Spitzenkandidatin der SPD nach Brüssel gehen wird. Wer ihr auf dem Posten im Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz nachfolgen wird, ist hingegen offen. Gehandelt wird weiterhin Hessens SPD-Chefin in spe, Nancy Faeser, die sich wohl die größten Chancen ausrechnen darf – wenn sie denn will. Im Gespräch sind auch Hamburgs frühere Justizsenatorin Jana Schiedek, die Stralsunder Bundestagsabgeordnete Sonja Steffen und Fraktionsvizechefin Eva Högl, die jedoch wenige Fürsprecher hat.
Besonders spannend aber kann es auf Unionsseite werden. Landen die Schwesterparteien bei der Europawahl deutlich unter den aktuellen Umfragewerten, könnte sich Merkel zum Handeln gezwungen sehen. Für den Fall gilt als eine Option, dass die CDU der CSU vorschlägt, das Innen- gegen das Wirtschaftsressort zu tauschen. Beide amtierenden Minister, Horst Seehofer (CSU) und Peter Altmaier (CDU), müssten gehen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer könnte das Innenressort übernehmen. Auch im Saarland war sie schon Innenministerin. In der Flüchtlingskrise fiel sie dadurch auf, dass sie wie Kanzlerin Merkel sprach, aber wie der damalige bayerische Ministerpräsident Seehofer handelte. Allerdings gilt diese Variante als äußerst unwahrscheinlich, weil die CSU damit ihre Position im Kabinett verschlechtern würde, ohne etwas zu gewinnen.
Kramp-Karrenbauer wird auch für das Bildungsministerium gehandelt, in dem Amtsinhaberin Anja Karliczek bislang glücklos geblieben ist. Aus Kramp-Karrenbauers Umfeld ist allerdings zu hören, dass ihr das Bildungsressort mit Blick auf die angestrebte Kanzlerkandidatur nicht gewichtig genug erscheine. Die CDU-Vorsitzende selbst hat zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass sie keinen Ministerposten anstrebt. In einer Krisensituation könnte sie dennoch nach einem Ministerium greifen.