Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein Hauch von Leben
Atemtraining kann jeder Mensch jeden Tag durchführen. Wissenschaftler bestätigten außerdem in mehreren Studien die Wirksamkeit bei Ängsten, Depressionen und sozialer Isolation.
Wirkungen auf die Psyche hat. So neigen ängstliche und depressive, aber auch mit starken Schmerzen belastete Menschen zu einer anhaltenden Hyperventilation, also einer überproportionierten Einatmung mit abfallenden Kohlendioxidwerten. In deren Folge untersäuert das Blut, was seinerseits wieder Ängste auslösen und verstärken kann. Für den Betroffenen sehr unangenehm sind Hyperventilations-Tetanien: Starrkrämpfe mit Pfötchenstellung. Per Rückatmung in eine Brötchentüte, aber auch durch Atemtraining lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen: Der pH-Wert des Bluts sinkt wieder ins gemäßigt Saure, und damit kommen von dieser Seite keine angstverstärkenden Impulse mehr. Am „Fatebenefratelli e Oftalmico“-Hospital in Mailand erzielte man beachtliche und langfristige Therapie-Erfolge, indem man 69 Patienten mit Angststörungen und Depressionen in ein regelmäßiges Atemtraining einwies. Am Anfang sollten die Probanden ihre Übungen noch täglich durchführen, doch später reichte auch einmal pro Woche – in Eigenregie und ohne Anleitung. „Atemübungen erfordern also letztendlich – wenn man sie einmal beherrscht – nicht viel Zeit“, betont Studienleiterin und Neuro-Wissenschaftlerin Stefania Doria.
Gute Gründe also, den Atem aus dem stiefmütterlichen Abseits holen, in das ihn unsere kurzatmige Zeit verfrachtet hat. „Beispielsweise nach der 365er-Methode, die derzeit von Therapeuten oft empfohlen wird“, rät André. Dabei unterbricht man täglich drei Mal den Alltagsablauf, um sechs Mal pro Minute – auf eine Gesamtdauer von fünf Minuten – tief (jeweils fünf Sekunden) ein- und auszuatmen. „Und das 365 Tage pro Jahr“, so der französische Psychiater.
Man kann sich aber auch die Hilfe eines professionellen Atemtherapeuten holen. Wobei der nicht nur sprachliche Anweisungen gibt. Er legt auch schon mal die Hand auf seine Patienten, auf deren Bauch oder Rücken oder Brustkorb, weil der Körper, wie es von Steinaecker erklärt, „die Neigung hat, dorthin zu atmen, wo er berührt wird“.
Die Krankenkassen erstatten allerdings solch eine psychotherapeutisch orientierte Atemarbeit meistens nicht, weil sie wissenschaftlich nicht belegt sei. Was im Vergleich zu anderen Verfahren wie etwa kognitiver Verhaltenstherapie sicherlich stimmt, aber nicht bedeutet, dass gar nicht zu ihr geforscht wurde. So hat von Steinaecker selbst schon mal eine Studie mit Asthmapatienten durchgeführt. Deren Ergebnisse waren positiv – allerdings anders, als sie erwartet hatte. „Denn Asthma-Patienten werden mittlerweile medikamentös so gut eingestellt, dass man an ihrer Erkrankung kaum noch etwas verbessern kann“, so von Steinacker. Doch dafür hatten die Probanden durch die Atemtherapie deutlich weniger Ängste also vorher, und sie hatten mehr Sozialkompetenz, gingen mehr auf ihre Mitmenschen zu. Und das kann gerade Asthma-Patienten mit ihrer oft deutlich zurückgezogenen Lebensweise eine echte Hilfe sein.