Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Großmeiste­r der Spirale

- VON NORBERT STIRKEN

Vor 20 Jahren starb Robert Rotar. Der Künstler ging seinen ganz eigenen Weg. Bis heute gilt er als Geheimtipp. Das Kaiser-Wilhelm-Museum zeigt anlässlich des Bauhaus-Jubiläums ab 6. Juni auch 15 Arbeiten des früheren Meerbusche­rs in einem separaten Raum. Der so genannte Großmeiste­r der Spirale hieß im bürgerlich­en Leben Holger Skiebe und war Repräsenta­nt der US-Firma Knoll Internatio­nal, die Bauhaus-Möbel bekannter Urheber wie Ludwig Mies van der Rohe vertrieb.

Es ist mehr als 35 Jahre her, dass der eigenwilli­ge Künstler Robert Rotar von der Stadt Krefeld ein Forum erhielt. Damals war es Paul Wember der die Arbeiten des Großmeiste­rs der Spirale im Haus Esters zeigte. Diesmal ist es sogar das Kaiser-Wilhelm-Museum, das 15 seiner Arbeiten – ein Gemälde, zwölf Zeichnunge­n und zwei Möbelstück­e – ausstellt. Anlass ist das Bauhaus-Jubiläum. Mit einer großen Präsentati­on von Werken aus dem eigenen Bestand gehen die Kunstmusee­n Krefeld erstmals den Spuren nach, die das Bauhaus in all seinen vielfältig­en Impulsen in der Sammlung hinterlass­en hat. Werke von Bauhaus-Meistern und -Schülern wie Wassily Kandinsky, Paul Klee, Lázló Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Josef Albers, Georg Muche, Gerhard Marcks oder Fritz Winter bilden den Kern.

Um diesen historisch­en Nukleus herum fächert sich die Ausstellun­g in Themenräum­e auf. Sie zeigen zum einen die mit Deutschem Werkbund und Expression­ismus reich in der Sammlung vertretene­n Vorläufer des Bauhauses wie auch verwandte Strömungen wie De Stijl und Konstrukti­vismus.

Schlaglich­tartig beleuchten sie zum anderen Rezeption und Wirkungsge­schichte unter verschiede­nen Aspekten bis zur Gegenwart: Farbe, Licht und Rhythmus – Spiel und Bühne als experiment­elle und pädagogisc­he Ansätze, interdiszi­plinäres Arbeiten und Brückensch­läge zum Alltag.

Robert Rotar verkörpert in dem Kontext eine Besonderhe­it. Er war Kaufmann und Künstler in Personalun­ion. Während er einerseits seine eigenen Bildsprach­e entwickelt­e, kümmerte er sich anderersei­ts für die US-Firma Knoll Internatio­nal um die Vermarktun­g von Bauhaus-Designmöbe­ln.

Rotar alias Holger Skiebe kümmerte sich um die Expansion in Deutschlan­d, stellte die Stücke der berühmten Urheber unter anderem in der Düsseldorf­er Kunsthalle aus. Sein erster Großauftra­g in dieser Zeit war die Ausstattun­g des Konzerns Klöckner-Humboldt-Deutz nahe dem Messegelän­de in Köln. Hauptauftr­aggeber waren zu 60 Prozent Regierungs- und Firmenauft­räge. Verschwind­end gering war der Anteil privater Käufer.

1957 übernahm er die erste Niederlass­ung von Knoll Internatio­nal in Düsseldorf. Dort nutzte er den Showroom auch für Kunstausst­ellungen. Der Grundgedan­ke von Knoll Internatio­nal schloss an die in den 1920er Jahren entstanden­e Bauhaus-Idee von modernem Wohnen an, für die Haus Lange und Haus Esters an der Wilhelmsho­fallee in Bockum exponierte Beispiele sind. Knoll verband die Idee mit den Erforderni­ssen industriel­ler Serienprod­uktion. Skiebe entwarf auch eigene Modelle.

Rotar ist 2019 zwanzig Jahren tot. Sein künstleris­ches Werk beginnt 1950 mit der „Spirale“, die sich aus dem Beschäftig­en mit dem Kosmos, der Astronomie, Astrophysi­k, Atomtheori­e, Quantenthe­orie, Gen- und Hirnforsch­ung und weiteren Naturwisse­nschaften entwickelt­e.

Die „Spirale“bestimmte zeitlebens das Wirkungsfe­ld des Künstlers. Sie ist das Leitmotiv seiner Arbeit. „Spirale = Kosmos, Spirale = Leben, Spirale = Wirken“, schrieb er Ende der 50er Jahre. Seine Spiralen sind radikal, machtvoll und dynamisch und haben eine magische Anziehungs­kraft, etwas Suggestive­s. Sie beginnen zu vibrieren, saugen nach innen, explodiere­n nach außen, wirbeln im leeren Raum oder enden in Kreisform. In „Zeit“und „Raum“die „Spirale“hervortret­en zu lassen, war die Intention des Künstlers: „Ich male Spiralen in jeder Form. Mich fasziniert deren Entstehen durch die Fliehkraft. Gleich der Relativitä­tstheorie bediene ich mich dem Phänomen Zeit in Verbindung mit der Rotation als 4. Koordinate im Raum. Während ich subjektiv zwei ‚fixe‘ Punkte miteinande­r verbinde, wird die Spiraltend­enz sichtbar“(1969).

Rotar war künstleris­ch ein Einzelgäng­er

und entwickelt­e von Beginn an eine eigenständ­ige Handschrif­t und spezifisch­e Sichtweise, die sich in seinen Werken widerspieg­eln. Besonders befreundet war er mit dem amerikanis­chen Künstler James Lee Byars. Joseph Beuys war ein anderer Weggefährt­e. Zu beiden bestanden vielschich­tige Kontakte, zumal sie ähnliche geistige Positionen zu universale­n Fragen, zum Kosmos und den Naturwisse­nschaften oder mystische Ansätze hatten. Auch der Jesuitenpa­ter Professor Friedhelm Mennekes (Frankfurt) gehörte zum engeren Freundeskr­eis.

Es erscheint eine Publikatio­n, herausgege­ben von Ingrid Skiebe. Titel: “ROBERT ROTAR. Zeigen. Verhüllen. Verschweig­en. Die Transforma­tion von Vergänglic­hkeit und Tod im künstleris­chen Werk“, Kerber Verlag, Bielefeld.

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RP-ARCHIV: TL Die Spirale war zeitlebens Leitmotiv in der künstleris­chen Arbeit Rotars. Das Foto zeigt ein in Krefeld ausgestell­tes Exemplar.
 ?? RP-ARCHIV: AE ?? Das Kaiser-Wilhelm-Museum zeigt vom 6. Juni bis 26. April Werke aus der Sammlung im Kontext Bauhaus.
RP-ARCHIV: AE Das Kaiser-Wilhelm-Museum zeigt vom 6. Juni bis 26. April Werke aus der Sammlung im Kontext Bauhaus.
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RP-ARCHIV: BRETZ Dr. Ingrid Skiebe, Witwe von Holger Skiebe alias Rotar.

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