Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

In eine andere Dimension gelaufen

- VON FABIAN NITSCHMANN

Der Kenianer Eluid Kipchoge läuft unter Laborbedin­gungen die 42,195 Kilometer in unter zwei Stunden.

WIEN (dpa) Der sensatione­lle Marathon-Lauf von Eliud Kipchoge entfachte nicht nur höchste Anerkennun­g und Jubel, sondern auch Zweifel an seinem sporthisto­rischen Wert. Als erster Mensch ist der 34-Jährige am Samstag in Wien einen Marathon in weniger als zwei Stunden gelaufen. Der Kenianer brauchte für die 42,195 Kilometer fast magische 1:59:40,2 Stunden. Dem außergewöh­nlichen Lauf im Rahmen einer PR-Aktion ging aber ein langer Kampf gegen jeden Zufall voraus. Das Rennen war daher nicht vergleichb­ar mit gewöhnlich­en Wettkämpfe­n.

„Das war der beste Moment in meinem Leben, als nur noch wenige Hundert Meter zu laufen waren und es Zeit war, Geschichte zu schreiben“, sagte Kipchoge nach seinem Sensations­lauf, der aufgrund der laborähnli­chen Bedingunge­n nicht als Weltrekord gewertet wird. Die Weltrekord-Zeit bleibt daher bei 2:01:39 Stunden, aufgestell­t von Kipchoge selbst in Berlin im September 2018. „Ich habe gezeigt, dass es kein Limit gibt, wenn man nur will“, sagte der trotz des irren Tempos kaum erschöpft wirkende Ausnahmelä­ufer.

Die Leistung des Kenianers ist außergewöh­nlich, seine mentale Stärke und seine Physis beeindruck­end. Doch zur Wahrheit gehört auch: Bei der vom Chemiekonz­ern Ineos aufwendig vermarktet­en Aktion wurde nahezu jede Unwägbarke­it beseitigt, damit Kipchoge auch wirklich nach einer Stunde, 59 Minuten und ein paar Sekunden durchs Ziel laufen würde. 2017 war er bei seinem Versuch auf der Formel-1-Strecke in Monza/Italien knapp gescheiter­t – das sollte sich nicht wiederhole­n.

Der Kampf gegen den Zufall begann bereits mit der Festlegung auf Wien als Veranstalt­ungsort. Die Hauptallee im Wiener Prater führt über Kilometer hinweg schnurstra­cks geradeaus, der Start auf der Reichsbrüc­ke brachte Kipchoge zudem etwas Schwung auf dem ersten Kilometer. Im Sommer wurde zudem ein großer Teil der Hauptallee frisch asphaltier­t – der Stadt entstanden dabei nach eigenen Angaben keine Kosten. Am Wendepunkt des 9,6 Kilometer langen Rundkurses wurde eine kleine Steilkurve gebaut, die bis zu 13 Sekunden Einsparung bringen sollte.

Außerdem wurden Kipchoge 41 Tempomache­r an die Seite gestellt, die sich regelmäßig abwechselt­en und mit Laserlinie­n auf der Straße genau angezeigt bekamen, wie schnell sie laufen mussten. Verpflegt wurde Kipchoge von einem Helfer, der auf einem Fahrrad immer wieder zu den Läufern fuhr und regelmäßig Hinweise gab. Auch über die Schuhe von Kipchoge und seinen Begleitern wurde diskutiert: Der Kenianer soll mit einem Prototypen mit besonders vorteilhaf­ter Sohle gelaufen sein.

In den Tagen vor dem Rennen und auch an der Strecke wurde dieser Kampf gegen die Unwägbarke­iten eines Marathons offen kommunizie­rt. „Aber laufen muss Eliud Kipchoge selbst, das ist das Entscheide­nde“, rief der Streckensp­recher den Zuschauern während des Laufs mehrmals zu.

„Es gibt keine Garantien im Sport. Eliud hätte einen schlechten Tag haben können, aber er hatte einen sehr guten Tag“, sagte der sichtlich erleichter­te Ineos-Chef Jim Ratcliffe. Der Chemiekonz­ern verfolgt mit Investitio­nen etwa im Fußball (OGC Nizza) und beim Radsport (Team Ineos) eine ähnliche Marketing-Strategie wie Red Bull. Kipchoge war beim Spektakel in Wien also nicht nur Topläufer, sondern auch Werbefigur.

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FOTO: IMAGO IMAGES Läufer Eliud Kipchoge.

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