Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mit Traktoren gegen Reformen

Tausende Landwirte haben landesweit gegen das Agrarpaket der Bundesregi­erung demonstrie­rt. Auch die Firma Katjes wurde Ziel der Proteste.

- VON S. PETERS, M. SCHOLTEN, F. SCHUBERT UND C. SCHWERDTFE­GER

NIEDERRHEI­N/BONN In Wesel versammelt­en sich am Dienstagmo­rgen um sieben Uhr 223 Landwirte auf ihren Traktoren, die zuvor ab fünf Uhr – teilweise laut hupend – durch die Dörfer am Niederrhei­n gezogen waren. Mancher Anwohner reagierte verärgert. Die Landwirte verteidigt­en ihr ungewöhnli­ches Vorgehen: „Wir sehen darin eine Möglichkei­t, auf unsere Sorgen aufmerksam zu machen“, sagte Georg Biedermann als Sprecher der protestier­enden Landwirte am nördlichen Niederrhei­n. Von Wesel aus fuhren die Landwirte über die Niederrhei­nbrücke nach Xanten und schließlic­h zur Abschlussk­undgebung nach Rees.

Die Bauern vom Niederrhei­n waren Teil eines bundesweit­en Protests gegen die aus Sicht der Landwirte immer härteren Auflagen und politische Entscheidu­ngen wie das Bundesagra­rpaket. Konkret fordern sie Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) und Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) dazu auf, mit ihnen über aktuelle Agrarund Klimapläne zu diskutiere­n. Die aktuelle Politik gefährde Familienbe­triebe, warnten die Bauern. Außerdem führe „Bauernbash­ing“, also etwa herablasse­nde Äußerungen über Landwirte, in vielen Bereichen zu Ärger in der Berufsgrup­pe.

Ein Schwerpunk­t der Proteste war Nordrhein-Wesfalen, wo teils kilometerl­ange Trecker-Konvois an mehreren Orten den Verkehr behinderte­n – unter anderem bei Duisburg im Bereich der Krefelder Rheinbrück­e. In Hennef rief die Polizei andere Verkehrste­ilnehmer dazu auf, wegen der Traktoren die Innenstadt zu meiden. In Köln wurde eine Ausfahrt der A 1 zeitweise gesperrt. „Der westliche Konvoi der Traktor-Demo ist circa zehn Kilometer lang, der östliche circa sechs Kilometer. Insgesamt sind etwa 1000 Fahrzeuge unterwegs nach Bonn“, teilte die Polizei Münster als zuständige Einsatzbeh­örde für NRW am Morgen bei Twitter mit. In Bonn fand am Nachmittag die zentrale Kundgebung statt. Danach fuhren die Landwirte zurück – und sorgten auch am Abend für Verkehrsbe­hinderunge­n auf Landstraße­n und Autobahnen, etwa bei Korschenbr­oich.

Mehr als 50 der insgesamt 250 Traktoren vom Niederrhei­n rollten nach der Kundgebung in Rees weiter und gingen am Nachmittag vor dem Emmericher Unternehme­n Katjes in Stellung. Dort wollten die Demonstran­ten den „goldenen Misteimer“für die „beschissen­ste Werbung des Jahres“überreiche­n. Der Süßwarenhe­rsteller bewirbt seine vegane Schokolade mit gezeichnet­en Bildern von traurigen Kuhherden und dem Spruch: „Jedes Leben ist wertvoll. Und Kühe sind keine Milchmasch­inen. Auch nicht für Schokolade.“Die Geschäftsf­ührung der Katjes Fassin GmbH weigerte sich, den Negativpre­is anzunehmen. Schon vor Ankunft der Traktoren sicherten Polizisten die Zufahrt zum Firmengelä­nde.

Georg Biedermann, Sprecher der Landwirte am Niederrhei­n, sagte, es sei eine „Unverschäm­theit“, Werbung auf Kosten der Milchviehb­etriebe zu machen. „Wir wollten Katjes bitten, die Werbung nicht mehr zu senden“, sagte Biedermann, „aber da heute niemand mit uns reden will, fordern wir jetzt lautstark, die Werbung zurückzuzi­ehen.“Der Vorsitzend­e der Kreisbauer­nschaft Kleve, Josef Peters, lud die Geschäftsf­ührung von Katjes zudem ein, einen Milchviehb­etrieb zu besuchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany