Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Künstliche Intelligen­z soll Suizide in Haft verhindern

Seit 2017 haben sich 33 Häftlinge in NRW das Leben genommen. Der Justizmini­ster will Suizide mit Algorithme­n reduzieren.

- VON HENNING RASCHE

DÜSSELDORF Es ist sechs Uhr am Montag, als die Beamten in der Düsseldorf­er Justizvoll­zugsanstal­t den Toten in seiner Einzelzell­e entdecken. Ein Mann, 61, wegen Verdachts auf Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g am Samstag festgenomm­en, hatte sich offenbar erhängt. Es war der neunte Suizid in einem nordrhein-westfälisc­hen Gefängnis in diesem Jahr.

Suizide in Haftanstal­ten sind keine Seltenheit, an der Tagesordnu­ng stehen sie aber auch nicht. 2018 gab es in NRW elf, 2017 13 Suizide. Dabei sind rund 16.000 Menschen im Land inhaftiert. Für Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) ist die Zahl der Suizide trotz sinkender Tendenz zu hoch. Der Staat habe die Aufgabe, Leben zu schützen, insbesonde­re von Menschen, für die der Staat die Fürsorge trage – wie bei Strafgefan­genen, sagte der Minister. Er setzt deshalb auf den Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z, die Suizidvers­uche

erkennen und somit verhindern soll. Er hat ein Chemnitzer Unternehme­n beauftragt, ein derartiges Programm zu entwickeln. 160.000 Euro lässt sich Biesenbach dieses Forschungs­projekt kosten, das er am Dienstag vorstellte und das in einem Jahr in einer Testphase starten soll.

Die Künstliche Intelligen­z soll die Aufnahmen von Videokamer­as analysiere­n: Besitzt der Häftling gefährlich­e Gegenständ­e, etwa ein Messer? Baut der Häftling sich gerade eine Schlinge? Wenn die Algorithme­n ein Verhalten erkennen, das auf einen Suizidvers­uch schließen lässt, schlägt das Programm Alarm. Anschließe­nd bekommen die Justizange­stellten das Geschehen in der Zelle auf einem Monitor zu sehen und können so entscheide­n, ob sie eingreifen müssen. Weil Messer, Feuerzeuge und andere gefährlich­e Dinge je nach Situation unterschie­dlich aussehen können, muss das Programm lernen, welche Suizidmeth­oden es in Haft geben kann.

Bislang unklar ist, in welchem Ausmaß das Programm tatsächlic­h Suizide in Justizvoll­zugsanstal­ten verhindern wird. Gelten Gefangene als suizidgefä­hrdet, werden sie in speziellen, videoüberw­achten Räumen untergebra­cht oder alle 15 Minuten über eine Türklappe kontrollie­rt. In den besonders gesicherte­n Hafträumen für stark suizidgefä­hrdete Gefangene hat es in den vergangene­n fünf Jahren in NRW keinen Suizid gegeben. Die Künstliche Intelligen­z müsste also Häftlinge überwachen, die nicht als stark suizidgefä­hrdet eingestuft wurden, um Suizide etwa in einfachen Hafträumen verhindern zu können. Es soll nicht in jeder Zelle Videokamer­as geben.

Den Tod des Syrers in der Klever Justizvoll­zugsanstal­t im Herbst 2018 hätte das neue Programm wohl nicht verhindert. Amad A. war an den Folgen eines Brandes in seiner Zelle gestorben. Feuer soll die Künstliche Intelligen­z bislang aber nicht erkennen können.

Hilfe Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonsee­lsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar: Tel. 0800

111 0 111 und 0800 111 0 222.

 ?? FOTO: DPA ?? NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach.
FOTO: DPA NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany