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365-Euro-Ticket: Ein günstiger Preis allein reicht nicht aus
Düsseldorf diskutiert über ein Ticket für den ÖPNV, das einen Euro am Tag kosten soll. Andere Städte haben das Modell bereits ausprobiert – und unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Für einen Euro pro Tag unbegrenzt mit Bus und Bahn fahren – mit dieser Idee sollen in Düsseldorf mehr Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr motiviert werden. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) liebäugelt schon länger mit der Idee des 365-Euro-Tickets, nun erhofft er sich dafür Unterstützung vom Bund. Denn das Bundesverkehrsministerium will in zehn Modellkommunen ein günstigeres Ticket für den öffentlichen Nahverkehr fördern. Während in Düsseldorf noch über die Idee diskutiert wird, haben andere Kommunen bereits damit ihre Erfahrungen gemacht.
Allen voran steht die Stadt Wien. Dort wurde bereits 2012 eine Jahreskarte für 365 Euro für die Wiener Linien eingeführt, die österreichische Hauptstadt gilt seitdem als Vorbild für einen kostengünstigen öffentlichen Nahverkehr. Und das zeigt sich insbesondere anhand der Passagierentwicklung: 2011, im Vorjahr der Ticketeinführung, hatten die Wiener Linien 875 Millionen Fahrgäste, 2018 waren es 965,9 Millionen, was einem Anstieg um 10,4 Prozent entspricht. In Düsseldorf betrug der Anstieg im selben Zeitraum dagegen nur 4,2 Prozent (von 215,7 auf 224,8 Millionen). Besonders deutlich zeigt sich der Effekt aber bei der Menge der verkauften Jahreskarten in Wien. 2011 waren es noch 363.000 Abonnements, 2012 bereits 501.000 und im vergangenen Jahr 822.000, was mehr als einer Verdopplung der Menge vor Einführung des 365-Euro-Tickets entspricht. Die Wiener Linien haben damit nicht nur die Menge ihrer Jahreskarten steigern können, sondern seit 2015 auch mehr Abonnenten als zugelassene Pkws (709.000). Im Vergleich hatte die Rheinbahn 2011 215.000 Abonnenten, deren Anzahl mit 207.000 im Jahr 2018 sogar um 3,7 Prozent gesunken ist und deutlich hinter der Menge an zugelassenen Fahrzeugen in Düsseldorf (307.500) steht.
Aber dieser Zuwachs an Fahrgästen hat seinen Preis, da mit der Vergünstigung Einnahmeeinbußen einhergehen. Diese waren in Wien noch relativ moderat. Vor der Einführung des 365-Euro-Tickets kostete eine Jahreskarte dort rund 450 Euro. In Düsseldorf zahlen Fahrgäste für die günstigste Option ohne Zeitbeschränkung, dem Ticket 1000, dagegen 820 Euro pro Jahr. Dadurch würden der Rheinbahn mehr als die Hälfte der Einnahmen durch ihre Jahresabonnements entgehen. Lediglich 60 Prozent ihrer Betriebskosten können die Wiener Linien selbst decken, der Rest kommt durch städtische Zuschüsse. Bei der Rheinbahn sind es derzeit 81,2 Prozent. Der VRR schätzte kürzlich die durch ein 365-Euro-Ticket entstehende Lücke auf 34 Millionen Euro.
Doch die Umsetzung des Projekts ist nicht nur eine Frage der Kosten. „Der Preis ist das eine, es muss auch
das Gesamtangebot passen“, erzählt Lisa Schmid von den Wiener Linien. Neben der Senkung des Fahrpreises habe man auch viel Geld in den Ausbau des Liniennetzes, dichtere Taktungen sowie der Anschaffung neuer Fahrzeuge investiert, um dem gestiegenen Andrang gerecht zu werden. 96 Prozent der Wiener Bevölkerung könne inzwischen im Umkreis von 500 Metern eine Haltestelle erreichen.
Dass ein vergünstigter Preis allein nicht ausreicht, beweist auch das Beispiel Bonn. In der Bundesstadt läuft bereits seit Anfang des Jahres ein Modellversuch mit einem 365-Euro-Ticket. Von 17.000 veranschlagten Tickets wurden bis September gerade einmal 6000 verkauft. Kritiker sehen dafür vor allem zwei Gründe verantwortlich. Zum einen sei die Zielgruppe für das Ticket relativ klein: Denn das 365-Euro-Ticket kann nur von Neukunden erworben werden, zudem gilt es nicht nur im Stadtgebiet, weshalb das Angebot für Pendler nicht attraktiv sei. Zum anderen sei im Zuge der Ticketeinführung das Angebot nicht nennenswert erweitert worden. Auch das günstigste Ticket sei nicht attraktiv, solange man nicht überall mit Bus und Bahn hinkomme.