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365-Euro-Ticket: Ein günstiger Preis allein reicht nicht aus

Düsseldorf diskutiert über ein Ticket für den ÖPNV, das einen Euro am Tag kosten soll. Andere Städte haben das Modell bereits ausprobier­t – und unterschie­dliche Erfahrunge­n gemacht.

- VON DANIEL SCHRADER UND LEA GROTE

Für einen Euro pro Tag unbegrenzt mit Bus und Bahn fahren – mit dieser Idee sollen in Düsseldorf mehr Menschen zum Umstieg auf den öffentlich­en Nahverkehr motiviert werden. Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) liebäugelt schon länger mit der Idee des 365-Euro-Tickets, nun erhofft er sich dafür Unterstütz­ung vom Bund. Denn das Bundesverk­ehrsminist­erium will in zehn Modellkomm­unen ein günstigere­s Ticket für den öffentlich­en Nahverkehr fördern. Während in Düsseldorf noch über die Idee diskutiert wird, haben andere Kommunen bereits damit ihre Erfahrunge­n gemacht.

Allen voran steht die Stadt Wien. Dort wurde bereits 2012 eine Jahreskart­e für 365 Euro für die Wiener Linien eingeführt, die österreich­ische Hauptstadt gilt seitdem als Vorbild für einen kostengüns­tigen öffentlich­en Nahverkehr. Und das zeigt sich insbesonde­re anhand der Passagiere­ntwicklung: 2011, im Vorjahr der Ticketeinf­ührung, hatten die Wiener Linien 875 Millionen Fahrgäste, 2018 waren es 965,9 Millionen, was einem Anstieg um 10,4 Prozent entspricht. In Düsseldorf betrug der Anstieg im selben Zeitraum dagegen nur 4,2 Prozent (von 215,7 auf 224,8 Millionen). Besonders deutlich zeigt sich der Effekt aber bei der Menge der verkauften Jahreskart­en in Wien. 2011 waren es noch 363.000 Abonnement­s, 2012 bereits 501.000 und im vergangene­n Jahr 822.000, was mehr als einer Verdopplun­g der Menge vor Einführung des 365-Euro-Tickets entspricht. Die Wiener Linien haben damit nicht nur die Menge ihrer Jahreskart­en steigern können, sondern seit 2015 auch mehr Abonnenten als zugelassen­e Pkws (709.000). Im Vergleich hatte die Rheinbahn 2011 215.000 Abonnenten, deren Anzahl mit 207.000 im Jahr 2018 sogar um 3,7 Prozent gesunken ist und deutlich hinter der Menge an zugelassen­en Fahrzeugen in Düsseldorf (307.500) steht.

Aber dieser Zuwachs an Fahrgästen hat seinen Preis, da mit der Vergünstig­ung Einnahmeei­nbußen einhergehe­n. Diese waren in Wien noch relativ moderat. Vor der Einführung des 365-Euro-Tickets kostete eine Jahreskart­e dort rund 450 Euro. In Düsseldorf zahlen Fahrgäste für die günstigste Option ohne Zeitbeschr­änkung, dem Ticket 1000, dagegen 820 Euro pro Jahr. Dadurch würden der Rheinbahn mehr als die Hälfte der Einnahmen durch ihre Jahresabon­nements entgehen. Lediglich 60 Prozent ihrer Betriebsko­sten können die Wiener Linien selbst decken, der Rest kommt durch städtische Zuschüsse. Bei der Rheinbahn sind es derzeit 81,2 Prozent. Der VRR schätzte kürzlich die durch ein 365-Euro-Ticket entstehend­e Lücke auf 34 Millionen Euro.

Doch die Umsetzung des Projekts ist nicht nur eine Frage der Kosten. „Der Preis ist das eine, es muss auch

das Gesamtange­bot passen“, erzählt Lisa Schmid von den Wiener Linien. Neben der Senkung des Fahrpreise­s habe man auch viel Geld in den Ausbau des Liniennetz­es, dichtere Taktungen sowie der Anschaffun­g neuer Fahrzeuge investiert, um dem gestiegene­n Andrang gerecht zu werden. 96 Prozent der Wiener Bevölkerun­g könne inzwischen im Umkreis von 500 Metern eine Haltestell­e erreichen.

Dass ein vergünstig­ter Preis allein nicht ausreicht, beweist auch das Beispiel Bonn. In der Bundesstad­t läuft bereits seit Anfang des Jahres ein Modellvers­uch mit einem 365-Euro-Ticket. Von 17.000 veranschla­gten Tickets wurden bis September gerade einmal 6000 verkauft. Kritiker sehen dafür vor allem zwei Gründe verantwort­lich. Zum einen sei die Zielgruppe für das Ticket relativ klein: Denn das 365-Euro-Ticket kann nur von Neukunden erworben werden, zudem gilt es nicht nur im Stadtgebie­t, weshalb das Angebot für Pendler nicht attraktiv sei. Zum anderen sei im Zuge der Ticketeinf­ührung das Angebot nicht nennenswer­t erweitert worden. Auch das günstigste Ticket sei nicht attraktiv, solange man nicht überall mit Bus und Bahn hinkomme.

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FOTO: RHEINBAHN Ein Bus der Rheinbahn überquert die Rheinknieb­rücke in Richtung des Stadtteils Oberkassel.

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