Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Anschlag auf die Lübecker Synagoge
Der Notruf ging tief in der
Nacht ein: Am 25. März 1994 alarmierte um 2.17 Uhr ein
Nachbar der Lübecker Synagoge die Feuerwehr. Er hatte Flammen in dem Gebäude gesehen, in dem er Vorbeter war. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs brannte in Deutschland ein jüdisches Gebetshaus. Die Synagoge in Lübeck hatte den Nationalsozialismus überstanden, nun hatte eine Gruppe junger Männer beschlossen, sie mit Molotow-Cocktails zu zerstören. Die Feuerwehr war schnell vor Ort, die Menschen, die in den über der Synagoge liegenden Wohnungen lebten, konnten gerettet werden. In der Synagoge brannte der Vorraum aus. Die symbolische Bedeutung des Anschlags war weit größer. Der Schock in der jüdischen Gemeinde und in Deutschland saß tief. Nach den Neonazi-Anschlägen von Mölln und Solingen, den Krawallen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen stand nun Lübeck im Zentrum der Aufmerksamkeit. Schüler und Jugendliche organisierten Demonstrationen gegen Antisemitismus. Nach etwa einem Monat wurden die Täter gefasst. Die vier jungen Männer hatten aus rechtsextremen Motiven gehandelt. Sie wurden zu Haftstrafen von zwischen zwei und vier Jahren verurteilt. Doch Lübeck kam auch danach nicht zur Ruhe. Die Stadt erlebte eine mehrjährige Anschlagsserie. Ein halbes Jahr später brannte es erneut an der Synagoge. Kurz darauf schickten Rechtsextreme eine Briefbombe ins Rathaus, ein Mitarbeiter wurde verletzt. Anfang 1996 folgte der schwerwiegendste Anschlag. Brandstifter entzündeten ein Wohnhaus, weil dort Asylbewerber lebten. Zehn Menschen starben.