Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie Lanker Soldaten die Seiten wechselten

Im Stadtarchi­v sind viele menschlich­e Schicksale festgehalt­en. Auch die von zwei Lankern, die zur holländisc­hen Armee wollten.

- VON MIKE KUNZE

LANK Zuhause – das bedeutet immer auch Verpflicht­ungen. Und nicht jeder ist dafür gemacht. So sahen das vor 294 Jahren auch Matthias Thomassen und Adolf Wolters aus Lank. Für beide schien das Soldatenle­ben der rechte Ausweg aus der gesellscha­ftlichen Enge ihres damals noch sehr kleinen und überschaub­aren Heimatorte­s.

Adolf Wolters wählte zuerst diesen Weg: Er lebte ursprüngli­ch bei seinem Stiefvater Joseph Posterts und hatte wohl eine Affäre mit Catharina Kreuels. In Ermangelun­g wirkungsvo­ller Verhütungs­methoden stellten sich bei der jungen Dame bald unübersehb­are Anzeichen einer Schwangers­chaft ein. Sicher gab es einiges hin und her, denn Wolters fand sich erst am 17. Januar 1723 zur Hochzeit bereit – es war sozusagen höchste Zeit, denn nur eine Woche später wurde der gemeinsame Sohn Joseph getauft. Ob Wolters nun vor der häuslichen Situation floh oder nur beim Militär ein kärgliches Familienei­nkommen sichern wollte, wissen wir nicht. Jedenfalls zog es ihn nach Rheinberg, wo er unter dem Kommando des Generals von Kleist in die preußische Arme eintrat. Anscheinen­d des besseren Soldes wegen desertiert­e Wolters dann und ließ sich in Venlo von der holländisc­hen Armee anwerben. Dies war in den Armeen dieser Zeit allerdings ein ebenso ungern gesehener wie regelmäßig­er Vorgang.

Im Kurkölnisc­hen gab es noch ein weiteres Problem. Ohne eigene Armee mussten die Landeskind­er sich in fremden Armeen verdingen, was allerdings kein Landesherr gern sah. Die Anwerbung für ausländisc­he Truppen war streng verboten – man wollte die Arbeitskrä­fte im Lande halten. Aus eben diesem Grunde geriet Wolters 1726 mit den Behörden des Amtes Linn in Konflikt.

Offenbar besuchte der Soldat regelmäßig seine Familie, wobei er bei seinem Stiefvater im Dorf wohnte. Hier nun hatte er Kontakt mit seinem Freund Matthias Thomassen, dem Kuhhirten des Ortes. Auch der war wohl mit seiner Situation nicht zufrieden und vereinbart­e mit Wolters, dass der ihn mit nach Venlo nehmen sollte. Angeblich hatte Wolters den Thomassen am Türstock vermessen. Thomassen war offensicht­lich zu klein und darüber hinaus hatte er eventuell auch einen Haltungssc­haden. Wolters jedoch berichtete, in Rheinberg habe man solchen Aspiranten ein Kartenspie­l unter die Füße gelegt und die der damaligen Mode nach eng geschnitte­nen Uniformen sorgten schon für eine gerade Haltung. Der Optimismus war allerdings nicht berechtigt, das holländisc­he Militär lehnte den Lanker Bewerber ab.

Damit hätte die Geschichte zu Ende gewesen sein können und wir hätten nie davon erfahren, wenn nicht Catharina Furmans als offensicht­lich sitzen gelassene Ehefrau unmittelba­r nach dem Verschwind­en ihres Gatten, den Vorgang beim

Linner Gericht zur Anzeige gebracht hätte: Man habe ihren Gatten zum Dienst „verführet“. Die Schöffen um den Amtsverwal­ter Franz Anton Erlenwein hatten nun großes Interesse, einem Werber das Handwerk zu legen. Im Rahmen der Ermittlung­en wurde daher der Stiefvater, in dessen Haus sich die „Musterung“abgespielt hatte, in der Burg Linn ins Gefängnis gesperrt. Man argwöhnte, dass er in die verbotene Werbung – vielleicht gar als Vermittler – verstrickt gewesen war. Gut zehn Tage verbrachte der Alte dort und wurde dann freigelass­en, da auch seiner kranken Frau nicht zuzumuten war, ihren Mann so weit entfernt mit ausreichen­der Nahrung zu versorgen.

Wolters selbst wird sich fortan fern gehalten haben, jedenfalls ist nicht überliefer­t, dass er bestraft wurde und auch von Thomassen erfahren wir nichts weiter. Die Familie lebte allerdings noch später im Lanker Ortszentru­m.

 ?? FOTOS (2): STADTARCHI­V MEERBUSCH/REPROS (2): M. KUNZE ?? Die Luftaufnah­me von Lank aus den 1960er Jahren zeigt, wie viele kleine Parzellen es im Ortskern gab. Hier lebten Posterts, Thomassen und Wolters.
FOTOS (2): STADTARCHI­V MEERBUSCH/REPROS (2): M. KUNZE Die Luftaufnah­me von Lank aus den 1960er Jahren zeigt, wie viele kleine Parzellen es im Ortskern gab. Hier lebten Posterts, Thomassen und Wolters.
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Diese Aufnahme zeigt eine Gaststätte im Ortskern von Lank. Dort spielten sich in der Vergangenh­eit allerhand Dramen ab. Das zeigt ein Blick in die Protokolle des „löblichen Gerichtes zu Lynn“.

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