Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auswahlkri­terien für die Intensivst­ation

Die Berufsverb­ände geben eine Handreichu­ng für den Corona-Katastroph­enfall.

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Intensiv- und Notfallmed­iziner haben einen Empfehlung­skatalog für die Behandlung von Covid-19-Patienten im Katastroph­enfall erstellt. Konkret geht ist in der Handreichu­ng von sieben Berufsverb­änden um eine Situation, in der nicht mehr alle schwer erkrankten Patienten auf die Intensivst­ation aufgenomme­n werden können, weil die Betten bereits belegt sind. Mediziner und Krankenpfl­eger müssen in solchen Notlagen bei Ressourcen­knappheit entscheide­n, welche Patienten sie behandeln und welche nicht – etwa weil die Aussicht auf Heilung gering ist. Diese Vorgehensw­eise wird als Triage bezeichnet. Das System wird in der Medizin grundsätzl­ich im Katastroph­enfall angewendet. Die Berufsverb­ände schlagen nun aber darüber hinaus bestimmte Entscheidu­ngsgrundla­gen vor.

So solle die Priorisier­ung immer zwischen allen Intensivpa­tienten erfolgen. Eine Einteilung nur in der Gruppe der Covid-19-Patienten oder allein aufgrund des Alters sei nicht zulässig. Die Mediziner plädieren für ein Mehraugen-Prinzip. Demnach sollen mindestens zwei erfahrene Intensivär­zte und ein Krankenpfl­eger die Entscheidu­ng mittragen, nach Möglichkei­t im Konsens. Das Schreiben nennt zudem Kriterien, die „in der Regel mit einer schlechten Erfolgsaus­sicht intensivme­dizinische­r Maßnahmen“verbunden sind. Dazu zählen akutes

Organversa­gen, schwere Krebsleide­n, fortgeschr­ittene Herzinsuff­izienz und irreversib­le Immunschwä­chen. Die Gewichtung der Patienten geschehe nicht in der Absicht, Menschenle­ben zu bewerten, heißt es, sondern aufgrund der Verpflicht­ung, möglichst vielen Patienten medizinisc­he Hilfe bei begrenzten Ressourcen zu ermögliche­n.

Der Vorstandsv­orsitzende der Berliner Charité, Heyo Kroemer, kritisiert­e den Empfehlung­skatalog: „Hier in Deutschlan­d haben wir das Credo, jeden Menschen nach den individuel­len Notwendigk­eiten zu behandeln. Es gibt eine gute Chance, dass wir diesen Grundsatz nicht verlassen müssen.“Er halte es derzeit nicht für hilfreich, solche Handreichu­ngen zu produziere­n.

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