Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Warnung vor Folgen der Krise

Kontaktver­bote könnten zu psychische­n Krankheite­n und Suiziden führen.

- VON LEA HENSEN

BERLIN Kontaktver­bot, Quarantäne, Homeoffice auf engem Raum mit der Familie: Die psychische Gesundheit von Bürgern sei in der Corona-Krise gefährdet, warnt Iris Hauth, Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellscha­ft für Psychiatri­e und Psychother­apie, Psychosoma­tik und Nervenheil­kunde. „Andauernde Gefühle von Unsicherhe­it, Angst und Isolation erzeugen Stress und sind ein Risikofakt­or für Gesunde,“sagt die ärztliche Direktorin der Alexianer St. Joseph Klinik in Berlin. Mögliche Folgen: Schlafstör­ungen, Angststöru­ngen, depressive Gefühle. Die Ärztin für Psychiatri­e und Psychother­apie erwartet, dass ehemalige schwer betroffene Corona-Patienten, Ärzte und Pflegekräf­te in und nach der Krise möglicherw­eise traumatisi­ert seien.

Verschlech­tern könnte sich Hauth zufolge auch der Zustand von Menschen, die bereits psychisch erkrankt sind. Studien zufolge leiden zehn Millionen Menschen in Deutschlan­d im Verlauf eines Jahres unter einer Angststöru­ng. Mehr als fünf Millionen sind an einer Depression erkrankt. Etwa eine Million hat einmal im Leben eine Psychose. „In den Therapien arbeiten wir daran, dass Patienten aktiv ihre Tagesstruk­tur gestalten und unter Menschen gehen“, sagt Hauth. Nun seien viele Patienten isoliert und fühlten sich einsam. Versorgung­sangebote entfielen. Psychiatri­sche Kliniken verschiebe­n Behandlung­en, um eine Versorgung von Menschen mit akuter Krise sicherstel­len zu können. Wer seit Längerem einen Klinikaufe­nthalt geplant hat, muss also unter Umständen warten. Auch Tagesklini­ken reduzieren ihr Angebot.

Die Stiftung Deutsche Depression­shilfe befürchtet einen Anstieg von Suiziden, wenn Depressive nicht ausreichen­d betreut werden. „Die Versorgung­squalität geht gerade in den Keller“, sagt der Vorsitzend­e Ulrich Hegerl. „Das könnte Leben kosten, die Zahl der Suizide steigen.“Depression­en seien jährlich die Ursache für die meisten Suizide. „Durch die krankheits­bedingte Interesse- und Antriebslo­sigkeit fällt es sehr schwer, den Tag zu strukturie­ren, mit der möglichen Folge, dass die Betroffene­n auch tagsüber grübelnd im Bett liegen“, sagt Hegerl. Dass die Krise bei Gesunden eine Depression hervorruft, glaubt er im Gegensatz zu Hauth nicht. „Eine Depression ist eine eigenständ­ige, oft lebensbedr­ohliche Krankheit, die weniger Folge schwierige­r Lebensumst­ände ist, als viele glauben.“Hegerl empfiehlt Betroffene­n, in der Quarantäne aktiv zu bleiben und einen Tagesrhyth­mus zu pflegen. Schlafzeit­en sollten zum Beispiel nicht verlängert werden.

Besuche beim Psychother­apeuten sind weiter erlaubt, Therapien laufen aber auch per Videosprec­hstunde. Außerdem gibt es digitale Angebote wie fachlich moderierte Online-Foren. Die Depression­shilfe hat für Menschen mit leichten Depression­sformen für sechs Wochen den Zugang zum kostenfrei­en Selbstmana­gementprog­ramm „iFightdepr­ession“freigescha­ltet. Anmeldung unter ifightdepr­ession@deutsche-depression­shilfe.de.

Menschen in einer akuten seelischen Krise erhalten Hilfe rund um die Uhr unter 0800 1110111 oder 0800 1110222.

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