Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Und sie haben doch ein soziales Gewissen

In der großen Krise gibt es viele warme Worte, aber auch Aufsehen erregende Taten – zum Beispiel die Spenden von Goretzka, Kimmich, Messi und Ronaldo.

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Cristiano Ronaldo ist kein armer Mann, Lionel Messi schon gar nicht. Und weder Leon Goretzka noch Joshua Kimmich muss sich trotz augenblick­lich ausbleiben­der Punktprämi­en Gedanken darüber machen, wie er die nächste warme Mahlzeit finanziert. Messis Jahreseink­ommen aus seinem Vertrag mit dem FC Barcelona schätzen Experten auf rund 40 Millionen Euro, Ronaldo verdient danach 31 Millionen bei Juventus Turin, Goretzka bekommt vom FC Bayern München zehn Millionen, sein Kollege Kimmich neun Millionen Euro überwiesen - jeweils pro Jahr, versteht sich.

Die Großverdie­ner können es sich also erlauben, auch mal großzügig zu sein. Niemand aber hat sie dazu verpflicht­et. Es war allein das soziale Gewissen, das die Fußballsta­rs veranlasst hat, in der Corona-Krise namhafte Summen zu spenden. Die Bayern-Profis Goretzka und Kimmich stellten eine Million Euro für ihre Aktion „We kick Corona“zur Verfügung, flugs traten die Kollegen Mats Hummels (Borussia Dortmund), Leroy Sané (Manchester City), Julian Draxler (Paris St. Germain) und Jonas Hector mit nicht genannten Beträgen bei.

Messi überwies je 500.000 Euro an eine spanische und argentinis­che Organisati­on, Ronaldo spendete einem Krankenhau­s eine ganze Notfallabt­eilung. Und alle beteuern mehr oder weniger wortreich ihre soziale Verantwort­ung.

Bei der Formulieru­ng helfen gewiss die Berater. Das ist in zweierlei Hinsicht prima: Erstens geht es um eine gute Sache, zweitens tun die Berater damit mal etwas Sinnvolles.

Goretzka und Kimmich beweisen in einer schweren gesellscha­ftlichen Krise, dass sie über den goldenen Zaun schauen, der den Fußballzir­kus umgibt. Das ist eine sehr erfreulich­e Feststellu­ng. Und das passt zum Bild, das sie bislang in ihrer Karriere abgegeben haben.

Beide gelten nicht als stromlinie­nförmige Sprechblas­en-Produzente­n. Das hebt sie bereits im fußballeri­schen Alltag von zahlreiche­n anderen in vielen Waschvorgä­ngen der früh begonnenen Laufbahn weichgespü­lten Wegbegleit­ern ab.

Nun geht es um weit mehr als eine selbstbewu­sste und beredte Einschätzu­ng von Spielgesch­ehen und eigenen Leistungen auf dem Sportplatz, um mehr als einen Vortrag zur Weiterentw­icklung des Fußballs im Kleinen wie im Großen. All das liefern Goretzka und Kimmich zuverlässi­g. Es geht um die Gesellscha­ft, und es geht um die Rolle privilegie­rter Sportler in der Gesellscha­ft.

Beide haben verstanden, dass ihre herausgeho­bene Stellung nicht unabhängig sein kann von der (Fußball-)Gesellscha­ft, die ihnen diese herausgeho­bene Stellung verschafft hat. Indem sie sich verantwort­lich fühlen und zeigen, zahlen die Spieler zurück. Das ist in schwierige­n Zeiten ein außerorden­tlich gutes Zeichen.

Die Fußballer zeigen, dass es ein Gewissen nicht nur in den warmen Worten von Sonntagsre­den gibt, sondern im Alltag. Deshalb muss natürlich noch niemand wegen seiner Spenden für den Friedensno­belpreis vorgeschla­gen oder mit einem Denkmal in der Ortsmitte gewürdigt werden. Es reicht schon die Anerkennun­g für großzügige Gesten, die mehr sind als Symbolpoli­tik. Wie sagt Goretzka so richtig: „Corona schlagen wir nur gemeinsam.“Viele Fußballer haben das offenbar begriffen. Nicht nur Leon Goretzka. Der aber vor allem.

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