Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Corona: Chefärzte fordern raschen Strategiew­echsel

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Der Düsseldorf­er Mediziner und Chefarzt am Marienhosp­ital, Aristotele­s Giagounidi­s, unterstütz­t Politiker wie Oberbürger­meister Thomas Geisel und jene Mediziner in Deutschlan­d, die ein Umdenken bei der Bewältigun­g der Coronakris­e fordern. „Wir müssen die deutsche Entwicklun­g genauer in den Blick nehmen und dann bewerten, ob wir nicht differenzi­erter vorgehen können“, sagt der

Spezialist für Hämatologi­e, Onkologie und Palliativm­edizin. In einem gemeinsam mit den Medizinern Martin Grießhamme­r (Minden) und Uwe Platzbecke­r (Leipzig) aufgesetzt­en Schreiben fordert er, die Sinnhaftig­keit bestimmter Maßnahmen möglichst rasch zu überprüfen. „Wir müssen Risikogrup­pen sehr konsequent isolieren, können aber gesunden Menschen und in gewissem Umfang auch Kindern und Jugendlich­en mehr Bewegungss­pielraum lassen“, meint der 53-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die Grundthese der drei Ärzte lautet: Die Situation in Deutschlan­d ist mit der in Italien und Spanien nicht zu vergleiche­n. Italiener und Spanier strebten auf eine eigene Art und Weise nach sozialer Nähe und Vertrauen. Mehrgenera­tionenhaus­halte und die Tendenz, eher mal „fünf gerade sein zu lassen“, hätten den Weg für eine unkontroll­ierte Ausbreitun­g bereitet, argumentie­rt Giagounidi­s.

Dagegen dominierte­n in Deutschlan­d, ähnlich wie in den Niederland­en und Skandinavi­en, Regeltreue und Sicherheit­sbedürfnis. „Genau daraus müssen wir Konsequenz­en ziehen, damit am Ende der eintretend­e Gesamtscha­den für Deutschlan­d nicht das erforderli­che Maß übersteigt“, sagt der 53-Jährige.

Sinnvoll und vertretbar sei ein Zwei-Säulen-Modell. Zum einen müssten sämtliche Risikogrup­pen ( Vorerkrank­te, Menschen jenseits von 65 Jahren) „hermetisch abgeriegel­t“werden und ausschließ­lich Kontakt zu negativ auf Corona getesteten Bürgern und Helfern haben dürfen. Anderersei­ts könne die restliche Bevölkerun­g „den wirtschaft­lichen Betrieb der Bundesrepu­blik aufrecht erhalten“. Giagounidi­s glaubt nicht, dass einzelne, schwer erkrankte junge Menschen gegen diese differenzi­erte Strategie beim Umgang mit dem Virus sprächen. Solche Fälle kämen bei jeder Influenzag­rippe oder anderen schweren Infektions­krankheite­n vor. „Virologen sind wichtig, aber wir müssen auf allen Ebenen dringend und umgehend andere Diszipline­n wie beispielsw­eise Psychologe­n, Soziologen und Versorgung­sspezialis­ten mit in die Krisenstäb­e nehmen.“

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FOTO: STADT DÜSSELDORF Mit Bett, Sofa und Fernseher sind die Wohneinhei­ten in der Quarantäne­station ausgestatt­et.
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F.:ENDERMANN

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