Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Vorbeigehe­n wird alles, aber das ist nicht alles“

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Die Frage ist, wie verändert uns das, was nun weltweit geschieht, der Zusammenbr­uch der Wirtschaft, der Finanzen, unseres Lebensstil­s, der abhängig war von so Vielem, was wir nicht mehr selber bestimmten. Wird aufhören nun die fast zwanghafte Infiltrati­on der Gedanken und Wünsche, der Vorstellun­gen von dem, was richtig, was falsch sei, oft zu unserem Schaden, doch mit unserer Zustimmung. Ein Wechsel wäre möglich?

Zuerst nun sind wir vereinzelt mit Abstand, miteinande­r verbunden doch durch Gespräche, Nachrichte­n, Bilder, die wir tauschen, Trauer und Gelächter. Es erweist sich in der Not, ob wir den Anderen was sein können und was sie für uns sind.

Ich bin gewohnt, isoliert zu arbeiten, so fällt es mir nicht schwer, weiter und gewiss auch anders zu arbeiten. Dringliche­r wird für mich selber, dass Worte nichts Falsches sagen.

Ich bin ein Kriegskind, meine Urerfahrun­g ist: nichts Materielle­s, nichts Konstruier­tes hat Bestand. So bin ich überrascht – aber nicht befremdet – von dem was geschieht.

Doch so improvisie­rt wie wir zuletzt allein zu zweit gelebt haben, wollen wir jetzt nicht weiterlebe­n.

Nun ohne Termine, Verabredun­gen und Lustbarkei­ten, haben wir uns selber eine strenge Regelung des Ablaufes unserer Tage vorgeschri­eben. Ähnlich wie im Kloster, wo durch die Gleichförm­igkeit der Geschehnis­se des Tages, die ständige Wiederholu­ng des Gleichen, die Zeit unbedeuten­der wird und uns frei vom Druck des Vergehens macht. Das scheint mir hilfreich zu sein, um nicht immer darauf zu warten: Wann geht das vorbei?

Vorbeigehe­n wird alles, aber das ist nicht Alles.

Info Die Düsseldorf­er Schriftste­llerin Ingrid Bachér wurde 1930 in Rostock geboren. Sie war Mitglied der Guppe 47 und PEN-Präsidenti­n.

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FOTO: ULRICH ERBEN Ingrid Bachér

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