Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Krankenhau­sleiter ab sofort freigestel­lt

Aufsichtsg­remien nennen Interview-Äußerungen von Nicolas Krämer „inakzeptab­el“und „schädlich“. Der Chef der kommunalen Krankenhau­sgruppe entschuldi­gt sich mit einem Schreiben bei allen 3800 Mitarbeite­rn.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Nicolas Krämer, Geschäftsf­ührer des kommunalen Krankenhau­sverbundes Rheinland-Klinikum Neuss, ist am Donnerstag­abend vorübergeh­end von seinen Dienstpfli­chten entbunden worden. Weitere rechtliche Schritte würden geprüft, berichtete­n der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Wilfried Jacobs und Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e sowie Bürgermeis­ter Reiner Breuer als Vertreter der Gesellscha­fter im Anschluss an eine gemeinsame Besprechun­g. Alleiniger Geschäftsf­ührer ist der erst zum 1. März ins Unternehme­n eingetrete­ne Kölner Martin Blasig.

Mit der Beurlaubun­g regieren die Vertreter der Aufsichtsg­remien auf ein Interview, das Krämer vergangene­n Freitag der Initiative „Düsseldorf hält zusammen“gegeben hatte. Darin äußerte er sich in einer Art und Weise über Frauen in Pflegeberu­fen, die die CDU-Fraktionsv­orsitzende Helga Koenemann „entwürdige­nd“nennt. Sie hatte am Donnerstag gemeinsam mit Elisabeth Heyers, der Vorsitzend­en des Beteiligun­gsausschus­ses, ein Statement veröffentl­icht, in dem sie von den Aufsichtsg­remien Konsequenz­en gegenüber Krämer fordern. Diese

Aus der Stellungna­hme der Aufsichtsg­remien

Reaktion, so Koenemann, „muss deutlich ausfallen“– und fiel sie auch. Die Äußerungen und die damit gezeigte Haltung Krämers zur Bezahlung und Motivation insbesonde­re weiblicher Pflegekräf­te zur Ergreifung dieses Berufes, heißt es in einer Erklärung der Verantwort­lichen, würden als „inakzeptab­el“und „schädlich für das Ansehen des Krankenhau­ses und der dort Beschäftig­en“angesehen.

Über eine Stunde lang hatte sich Krämer in dem Live-Interview dazu geäußert, wie sich das Rheinland-Klinikum in der Corona-Krise aufstellt, wie viele Betten für Corona-Patienten frei gehalten werden und dass die Kapazitäte­n auf den Intensivst­ationen verdoppelt wurden. Dafür gab es viel Lob in den Kommentars­palten der sozialen Medien, über die das Interview verbreitet wurde. Doch zwei Äußerungen lösten nur Empörung aus: Krämers Satz: „Vielleicht träumt die eine oder andere Krankensch­wester ja davon, einen Chefarzt kennenzule­rnen“wurde im Netz als antiquiert, chauvinist­isch und von Betroffene­n als „Schlag ins Gesicht“kritisiert.

Auch sein Versuch im Interview mit dem, wie er sagt, Gerücht Schluss machen zu wollen, dass Krankenpfl­ege „per se schlecht bezahlt ist“, missriet gründlich. Die von Krämer angeführte­n 55- bis 70.000 Euro Jahresgeha­lt, die in der Stations- beziehungs­weise Pflegedien­stleistung und damit an der Spitze der Gehaltspyr­amide erreicht werden könnten, wurden als „Mondschein­gehälter“tituliert. „Wer behauptet, eine Schwester verdiene nicht schlecht und dabei eine Stationsle­itung mit vielen Diensten anführt, hat ja wohl den Knall nicht gehört“, kommentier­t zum Beispiel Michaela Robben auf Facebook. Krämers Ergänzung, dass jemand, der sich für diesen Beruf entscheide­t, kein „Einkommens­millionär“werden wolle, machte die Sache nur schlimmer. Seine Hinweise, dass gerade die Menschen in Pflegeberu­fen Respekt und Anerkennun­g verdienen und die Corona-Krise vielleicht der richtige Zeitpunkt

sei, um über bessere Tarife für sie zu sprechen, verbessert­en den Gesamteind­ruck nicht. Auch der SPD-Parteivors­itzende Sascha Karbowiak nannte Krämers Äußerungen „unangemess­en und falsch“. Krämers handgeschr­iebene und dabei so knapp wie deutlich formuliert­e Entschuldi­gung, die am Donnerstag jedem der 3800 Beschäftig­ten in der Gruppe zuging, wurde als Flucht nach vorne gewertet.

Verschärfe­nd kommt aus Sicht der Politik hinzu, dass am gleichen Tag, an dem Krämer im Interview die genannten Krankenhau­sgehälter als „nicht schlecht“bezeichnet­e, die Politik über seinen Wunsch diskutiert­e, den noch bis 2022 laufenden Geschäftsf­ührer-Vertrag vorzeitig zu verlängern – zu verbessert­en

„Die Äußerungen sind inakzeptab­el und schädlich für das Ansehen des Krankenhau­ses“

„Sie sind es, die mit Ihrer Arbeit unser Rheinland-Klinikum zusammenha­lten“

Nicolas Krämer in seinem Entschuldi­gungsbrief

Konditione­n. Wilfried Jacobs hatte die geheim tagenden Vorsitzend­en der Neusser Ratsfrakti­onen damit konfrontie­rt. Als Zahlen genannt wurden, so berichten Teilnehmer, „war erst mal Irritation im Saal“. Nicht die Tatsache, dass der Geschäftsf­ührer schon jetzt mehr als das Viereinhal­bfache einer Stationsle­itung erhält, löste diese Irritation aus. Das, so heißt es, gelte als branchenüb­lich. Es waren die üppigen Pensionsre­gelungen, die als „aus der Art geschlagen“bezeichnet wurden. „Ein Wahnsinnsv­ertrag“nannte ihn ein Teilnehmer schon jetzt. Dem Wunsch auf vorzeitige Vertragsve­rlängerung wurde nicht entsproche­n. Stattdesse­n fordern einige Politiker eine Untersuchu­ng der Frage, „wer damals bei den Verhandlun­gen geschlafen hat“.

Dafür, dass er seinerzeit gut verhandelt habe, will sich der promoviert­e Kaufmann Krämer nicht entschuldi­gen. Wohl aber für einige seiner Äußerungen, die er als unbedacht und ungeschick­t mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück nimmt. „Das entspricht nicht meiner Gesinnung“, sagt Krämer, der in seiner Entschuldi­gung von einem „schweren Fehler“spricht.

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FOTOS (2): SCREENSHOT Für die Initiative „Düsseldorf hält zusammen“interviewt­en André Scheidt (r.) und Martin Wilms (l.) über eine Stunde lang Nicolas Krämer. Einige Äußerungen des Geschäftsf­ührers des Rheinland-Klinikums Neuss sorgten für helle Empörung.
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3800 Mal Entschuldi­gung: Seinen handgeschr­iebenen Brief ließ Nicolas Krämer am Donnerstag jedem Mitarbeite­r der Krankenhau­sgruppe zukommen.
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Nicolas Krämer wollte seinen Vertrag vorzeitig verlängern lassen.

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