Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie Renate Eßer ihr Herz an den Boxsport verlor

- VON MANFRED JOHANN

Frauen und Boxen – das war schon immer eine nicht so einfache Beziehung. Bis zum heutigen Tag sehen viele Frauen im Boxen weniger die edle Kunst der Körpervert­eidigung, als eine Schlägerei mit der Absicht, den Gegner möglichst auf den Ringboden zu bringen. „Das habe ich bereits bei meinem ersten Besuch einer Box-Veranstalt­ung so nicht empfunden. Gutes Boxen hatte schon damals für mich nichts Brutales“, erinnert sich Renate Eßer.

Die gebürtige Holsteiner­in kam als Neunjährig­e mit ihren Eltern nach Düsseldorf und bekam Kontakt zum Faustkampf durch ihren ersten Ehemann Herman Eßer. Der war begeistert­er Boxsport-Fan und Gründungsm­itglied des Sportring

Garath. Die heute 73-Jährige konnte schnell nicht mehr genug vom Boxsport bekommen. Die ehemalige Stadtwerke-Angestellt­e übernahm im Laufe der Jahre beim Garather Klub so ziemlich alle Aufgaben, die anfielen. „Zuerst habe ich das aus Liebe zu meinem Mann gemacht. Dann habe ich festgestel­lt, wie gut dieser Sport gerade für Jugendlich­e sein kann. Dadurch lernen viele, wie wichtig Disziplin im Leben ist. Manch einen haben wir von der Straße herunterge­holt“erklärt sie. Noch heute führt sie die Bücher des Sportring mit seinen 200 aktiven Mitglieder­n.

Die Liebe zum Boxsport drückte sich schon bald nicht nur durch organisato­rische Arbeiten aus. „Ich wollte einfach dicht beim Boxen dabei sein“, sagt sie und ließ diesen Wunsch auch seit 1986 wahr werden. Allerdings nie als aktive Boxerin („Um Gottes Willen, nein“) – sie legte die Prüfung als Punktricht­erin ab und saß fortan zwischen lauter männlichen Kollegen als ganz in weiß gekleidete Frau in der ersten Reihe am Ring. Die genaue Zahl der Kämpfe, in denen sie Wertungspu­nkte verteilte, kennt sie nicht. „Es werden so an die 1000 gewesen sein“, schätzt sie.

Ein Zwischenfa­ll in Chemnitz brachte sie in eine gefährlich­e Situation: Urplötzlic­h riss ohne ersichtlic­hen Grund das oberste Seil mit einem lauten Knall und drohte, die unmittelba­r am Ring Sitzenden zu verletzten. Nach 30-minütiger Unterbrech­ung konnte der Kampf aber ohne ernsthafte Folgen wieder aufgenomme­n werden.

So manche bekannte Sportler haben ihren Weg gekreuzt. Als Geschäftsf­ührerin des Niederrhei­nischen Amateurbox­verbandes lernte sie Box-Weltmeiste­rin Ina Menzer und Kickboxeri­n Christine Theiss kennen, ebenso Henry Maske und

Axel Schulz. Und als Düsseldorf­s Hoffnung im Berufsboxe­n, Timo Rost, noch als Amateur in Gerresheim boxte, saß die Mitbegründ­erin des Fördervere­ins Düsseldorf­er Boxvereine häufig am Ring. „Renate ist für unseren Sport etwas Einmaliges. Sie kümmert sich um alles, ist immer für einen da“, beschreibt Rost. Sie gab ihm vor seinen Kämpfen immer den Rat, vorsichtig zu sein.

Auch wenn die seit ihrer Kindheit in Garath lebende Renate Eßer im November 2018 auf ihren Wunsch hin zum letzten Mal als Punktricht­erin im Einsatz war – ihre Liebe zum Boxen wird bleiben.

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FOTO: SALZBURG Renate Eßer

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