Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Künstliche Intelligenz, Algorithmen und andere IT-Lösungen rollen auch den Kanzleimarkt auf. Die Häuser müssen sich damit auseinandersetzen, denn die Entwicklung birgt für sie Risiken und Chancen gleichermaßen.
Wirtschaftskanzleien und Beratungsunternehmen müssen sich wie Unternehmen anderer Branchen derzeit einer großen Herausforderung stellen: Die Digitalisierung verändert auch diesen Markt gravierend.
Dr. Frank Hülsberg von Warth & Klein Grant Thornton schildert beim RP-Wirtschaftsforum „Wirtschaftskanzleien“diese Entwicklung am Beispiel der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Hier entstehen gerade viele Systeme, die mithilfe von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz viele Arbeiten übernehmen, die bislang noch von Fachkräften ausgeführt werden. In der Sozietät McDermott Will & Emery beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe speziell mit solchen so genannten Legaltech-Angeboten. Eine erste Marktübersicht unterscheidet nach Schilderung von Dr. Thomas Gennert Anwendungen beziehungsweise Tools, die Arbeitsabläufe der Anwälte erleichtern, von solchen, die den Mandanten helfen, die Arbeit besser zu organisieren, sowie Tools, die neue Dienstleistungen ermöglichen. Wenn Mandanten zum Beispiel im Arbeitsrecht neue Anwendungen suchen, können die juristischen Experten dazu beraten, was der Markt bietet und was sinnvoll ist.
Auch beim M&A-Geschäft (Mergers and Acquisitions, Unternehmenskäufe und -verkäufe) revolutionieren Legaltechs die Arbeit, wie Dr. Ulrich Flege (McDermott) ergänzt: „Wir testen automatisierte Auswertungen von Verträgen, Unterlagen und Daten.“Dabei fällt eine Erkenntnis auf: „Die Maschine ist schneller, aber die Qualität der menschlichen Arbeit ist besser – und das ist es, worauf es am Ende ankommt.“Diese Einschätzung teilt auch Dr. Jochen Lehmann (Schmidt, von der Osten & Huber). Es komme entscheidend darauf an, dass die einzelnen Produkte echte Marktreife erlangt hätten. „Dann werden auch mittelständische und kleine Kanzleien diese Produkte nutzen und von ihnen sicher profitieren.“Für seine Sozietät sieht er aber eine Besonderheit: „Wir beraten eher wenig im standardisierten Massengeschäft, sondern bieten vor allem individuelle Rechts- und Unternehmensberatung. Da zählt Vertrauen. Diese Tätigkeit wird auch in 30 Jahren nicht durch Computer und Algorithmen ersetzbar sein.“
DASS MAN DIE BEDEUTUNG des Fortschritts nicht hoch genug einschätzen könne, zeigt Hans Peter Bork, Geschäftsführer der Rheinische Post Mediengruppe, an einem Beispiel aus einer anderen Branche, dem Geschäft mit Sprachübersetzungen etwa von Beipackzetteln bei Medikamenten, in dem sich die Mediengruppe ebenfalls engagiert. „Hier überrollt die Entwicklung die Erwartungen.“Die Maschine könne inzwischen vieles besser als der Mensch, der dann nur noch für die Steuerung und Überwachung zuständig sei.Im juristischen Massengeschäft haben Legaltechs ebenfalls den Menschen weitgehend verdrängt. Als Beispiele nennen die Experten Portale, die Fluggast- oder Mieterrechte durchsetzen. Doch Kanzleien müssten solche Geschäfte nicht ganz aus der Hand geben, merkt Dr. Volker Hees (Hoffmann Liebs) an: „Wir wollen
uns nicht von IT-Dienstleistern abhängig machen. Als Kanzlei müssen wir selbst Lösungen für solche Themen anbieten.“
Massenklagen stellen die Juristen indes vor eine Herausforderung: Wie sollen sie die Datenmengen behandeln und auswerten? Das gehe ohne IT-Lösungen nicht, betont Lucas van Randenborgh (Beiten Burghardt). Die Anwendungen könnten bei der Klassifizierung und Auswertung von Daten helfen. „Für uns sind solche Anwendungen etwa bei Due Diligence-Prüfungen und der Auswertung von Mietverträgen interessant“, berichtet Ingrid Burghardt-Richter (FPS Rechtsanwälte) aus der praktischen Arbeit. Bei der Due Diligence, also der Analyse eines Unternehmens im Zuge von Verkaufsprozessen, werde künftig vieles automatisch laufen. „Aber für die Überprüfung der Ergebnisse und Bewertung, was der Mandant davon hat, werden auch in Zukunft Menschen gebraucht.“
„Wir müssen uns als Berater verstehen“, betont auch Dr. Sven-Joachim Otto von der EY Law Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Beratung nutzt nach seiner Darstellung aber viele technische Dienstleistungen. Aus seinem Haus kann Otto dabei auf eine ganze Reihe von Tools verweisen, zum Beispiel komplexe Compliance Management-Systeme, Generatoren von Arbeitsverträgen oder Due Diligence-Anwendungen, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz Muster erkennen.