Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Ins Fitnessstudio muss da keiner mehr“
Drei Landwirte erzählen, was freiwillige Erntehelfer auf den Feldern erwartet. Denn aufgrund der aktuell noch geltenden Reisebeschränkungen fehlen die Saisonarbeiter. Zumindest ein Teil soll aber kommen.
NIEDERRHEIN Die Corona-Krise trifft auch die Landwirtschaft besonders stark. Zum Start der arbeitsintensiven Ernte- und Anbauzeit von Spargel, Erdbeeren und Co. mangelt es aufgrund der noch geltenden Reisebeschränkungen an Saisonarbeitern auf den Feldern. Laut Landesregierung fehlen alleine in NRW 45.000 Erntehelfer. Zwar haben sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag auf eine Sonderregelung geeinigt, die es im April und Mai jeweils 40.000 Saisonarbeitern aus Osteuropa erlaubt, nach Deutschland zu reisen, der komplette Bedarf auf den Feldern in NRW wird damit aber vermutlich nicht gedeckt.
Um an freiwillige Helfer aus dem Inland zu kommen, bieten nun mehrere Online-Plattformen die Vermittlung von Arbeitskräften und Helfern an. Dem Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer zufolge haben sich allein im Rheinland bereits mehr als 3000 Freiwillige gemeldet, darunter Schüler, Studenten, Kurzarbeitende, Arbeitssuchende oder Rentner.
Doch was kommt auf die freiwilligen Helfer zu, die teilweise direkt von Vorlesungs- oder Schulbänken aufs Feld kommen? Drei Landwirte erzählen von der aktuellen Lage in ihrem Betrieb, über die anstrengende Feldarbeit und darüber, wie froh sie über jede helfende Hand sind.
Johannes und Kerstin Ophey, Opheys Spargelhof an der Niers in Goch Eigentlich arbeitet auf den Feldern von Johannes und Kerstin Ophey eine eingespielte Mannschaft aus etwa 14 Saisonarbeitern. „Die fallen aktuell komplett aus“, erzählt Kerstin Ophey. „Das zu ersetzen ist fast nicht machbar.“Dennoch muss die Arbeit auf den Spargel-, Erdbeerund Kartoffelfeldern des Familienunternehmens in Goch natürlich irgendwie bewältigt werden. Fünf freiwillige Helfer haben sich bereits bei den Opheys gemeldet und wollen auf den Feldern anpacken. „Es ist toll, dass sich junge Leute anbieten und wir Hilfe bekommen. Wir sind auch weiterhin auf der Suche nach Helfern“, erklärt Ophey.
Die Aufgaben im Familienbetrieb sind vielfältig und reichen vom Spargelstechen bis zum Abdecken der Erdbeerfelder. Da die routinierten
Arbeitskräfte ausfallen, müssen die neuen freiwilligen Helfer erst einmal eingearbeitet werden. „Heute morgen habe ich mit unseren Helfern Spargelstechen geübt. Die Technik muss man natürlich einmal erklärt bekommen“, beschreibt Ophey und scherzt. „Momentan ist das hier ein bisschen arbeiten unter Betreuung.“
Die richtige Technik beim Spargelstechen ist aber nur die halbe Miete. „Das ist schwere und körperliche Arbeit. Vor allem für Menschen, die das sonst in dem Maße nicht gewohnt sind. Ins Fitnessstudio muss hier auf jeden Fall keiner mehr.“
Die Saison auf Opheys Spargelhof läuft bis Ende Juni. Ob alle freiwilligen Helfer bis dahin durchhalten, wird sich zeigen. Eine tolle Erfahrung hat der Familienbetrieb bei seiner Suche nach Helfern auf jeden Fall schon gemacht. Eine Bachelorabsolventin aus dem Bereich der Landwirtschaft hatte sich bei den Landwirten gemeldet. „Top engagiert“, wie Ophey erklärt. „Die ist ab heute bis August fest bei uns beschäftigt.“
Franz-Jakob Schiffer, Gemüsebau Schiffer in Meerbusch
Die fachlichen Qualifikationen für das Pflanzen und Ernten von Salat, Kohlrabi und Co. sind gar nicht so hoch. „Helfer müssen körperlich fit sein und Durchhaltevermögen haben“, sagt Landwirt Franz-Jakob Schiffer. „Viele haben auch ein verkehrtes Verständnis davon, wie eine Ernte in der Landwirtschaft aussieht. Mal zwei, drei Stunden etwas mitschneiden und dann ist das okay, ist natürlich nicht, was wir brauchen. Darauf kann man nicht den Betrieb aufbauen.“
Schiffer hat für die Freiwilligen extra Videos gefilmt und auf YouTube hochgeladen, um den Bewerbern zu zeigen, was auf sie zukäme. Etwa sechs Stunden am Stück ist man in einem Erntekopf und verrichtet monotone Arbeit. „Die Motivation ist da, aber sie lässt dann auch schnell nach.“
Doch das größte Problem ist die aktuelle Unsicherheit. „Bei uns haben sich sehr viele gemeldet, alle sehr euphorisch, aber es scheitert oft an den Rahmenbedingungen.
Bis Ende Mai oder in den Juni rein bräuchten wir die schon sicher. Aber die Studenten und Köche und Kellner sind natürlich weg, wenn die Uni wieder weitergeht oder das Restaurant aufmacht. Darauf aufbauend kann ich ja jetzt keinen Salat pflanzen. Aber der Wille ist da! Es ist ein ganz tolles Zeichen, dass viele uns helfen wollen.“
Aber Schiffer stellt klar, ohne die rumänischen Gastarbeiter, die sonst während der Saison 95 Prozent der Kräfte ausmachen, wird es schwierig. „Wir brauchen die rumänischen Gastarbeiter als Grundstock. Die letzten 20 oder 30 Prozent können wir durch Willige ausgleichen. Aber wenn wir die Saisonarbeitskräfte aus Rumänien nicht bekommen, bricht das System hier zusammen. Das kann man nicht abdecken. Nicht annähernd.“
Aus diesem Grund hatte Schiffer auf eine gelockerte Einreisebeschränkungen, wie sie die Bundesregierung am Donnerstag verkündet hat, gehofft. „Wir müssen den Anbau sonst einschränken. Massiv. Da reden wir nicht über zehn Prozent, dann reden wir wahrscheinlich über die Hälfte.“
Heinrich Beumer, Beumers Hof in Duisburg
In Duisburg hält Heinrich Beumer auf seinem Erdbeerhof erst einmal die Füße still. Er hofft, dass sich die schwierige Lage für alle Landwirte entspannt hat, wenn die Erdbeersaison beginnt. „Wir warten erstmal ab und schalten noch keine Inserate für die Suche nach freiwilligen Helfern auf unseren Feldern“, erklärt Beumer, der den Betrieb 2008 von seinem Vater übernommen hat. „Unsere Saison beginnt ja erst Ende April – also in gut drei Wochen. Wir arbeiten mit einem festen Team zusammen und wollen mit ihnen gemeinsam entscheiden, wie es möglicherweise weitergehen kann.“Auf die Hilfe durch seine festen Saisonkräfte kann der Duisburger Landwirt nach der am Donnerstag verkündeten Entscheidung der Bundesregierung hoffen. Ob er dann zusätzlich freiwillige Helfer für die Ernte auf seinen Erdbeerfeldern benötigt, wird sich zeigen. (mit dpa)