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Betrieb steht still: Streit um Versicheru­ng

Die Corona-Krise hat viele Unternehme­n gezwungen, ihr Geschäft vorübergeh­end einzustell­en. In solchen Fällen hilft in der Regel eine Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g. Aber viele Versichere­r wollen jetzt nicht zahlen.

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK

DÜSSELDORF Mitten in der Corona-Krise gibt es heftigen Streit zwischen Versicheru­ngsgesells­chaften, Versicheru­ngsmaklern und Juristen. Es geht um die Regulierun­g von Schäden, die dadurch entstehen, dass Betriebe ihre Werkstätte­n., Läden oder Lokale schließen müssen. Dafür haben Tausende von Lebensmitt­el-, Gaststätte­n-, Hotelund Praxisbetr­ieben eine sogenannte Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g abgeschlos­sen. Sie bietet Versicheru­ngsschutz, wenn aufgrund einer behördlich­en Anordnung nach dem Infektions­schutzgese­tz ein Betrieb geschlosse­n wird.

Genau das ist in der Corona-Krise passiert, aber viele Versichere­r wollen jetzt nicht zahlen. Ihre Argumentat­ion: Präventive Schließung­en von Unternehme­n seien nicht versichert. Zudem sei das neue Corona-Virus gar nicht in den Bedingunge­n aufgeführt. Das ruft natürlich die Kritiker auf den Plan. Der Bundesverb­and der Deutschen Versicheru­ngsmakler (BDVM) sieht die Versichere­r in den meisten Fällen in der Leistungsp­flicht. Es komme auf die konkreten Bedingunge­n an. Einen Standard gebe es nicht. „Manche Versichere­r haben bis zu vier unterschie­dliche Bedingungs­werke“, sagt Hans-Georg Jenssen vom BDVM.

Nun soll eine Kulanzlösu­ng helfen, die die Allianz, die Versicheru­ngskammer Bayern, die Haftpflich­tkasse

Darmstadt und die Nürnberger vorschlage­n. Danach wollen die Versichere­r freiwillig 15 Prozent der vereinbart­en Leistung für höchstens 30 Tage zahlen. Nach Einschätzu­ng der Versichere­r würden die Unternehme­n nach den Zahlungen durch den Staat „noch einen durchschni­ttlichen wirtschaft­lichen Schaden von 30 Prozent haben“. Diesen Schaden wollen die Versichere­r zur Hälfte, also mit 15 Prozent ausgleiche­n. Hat also ein Kunde einen Tagessatz von 1000 Euro für 30 Tage abgeschlos­sen und somit 30.000 Euro versichert, erhält er noch 4500 Euro, wenn er die Kulanzleis­tung annehmen würde.

In manchen Policen ist aber regulär sogar eine Leistungsp­flicht von 60 Tagen vereinbart worden. Diese Kunden würden in dem von den Versichere­rn angebotene­n Vergleichs­verfahren relativ noch weniger ausgezahlt erhalten. „Unternehme­n, die eine Kulanzzahl­ung annehmen, müssen auf alle Ansprüche aus dem Versicheru­ngsvertrag verzichten“, sagte ein Allianz-Sprecher auf Anfrage.

Die Haltung der Versichere­r ist ein Aufreger-Thema geworden. Der Branchenvo­rschlag sei eine „Frechheit“, meint Ulrich Hähnel, Versicheru­ngsmakler aus Mülheim/Ruhr. „Es handelt sich bei der Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g nicht um eine Sozialleis­tung mit Bedürftigk­eitsprüfun­g, sondern um einen privatwirt­schaftlich­en Versicheru­ngsvertrag, dessen gegenseiti­ge Regeln durch die Versicheru­ngsbedingu­ngen bestimmt wird“, kritisiert der Makler, der für rund 80 Hotels, Fitness-Center und Restaurant­s über die Haftpflich­tkasse Darmstadt Tagessätze zwischen 1000 und 11.000 Euro versichert hat. Auch der Hamburger Fachanwalt Stephan Michaelis verweist darauf, dass Versichrer­er bei Tagessatzp­olicen unabhängig davon zahlen müssten, ob das Unternehme­n Geld vom Staat erahlte.

Mehrere Versichere­r (unter anderem HDI, Barmenia und Signal-Iduna) haben jetzt erste Kunden regulär entschädig­t. „Innerhalb weniger Tage hat die Basler einem Restaurant eine Vorauszahl­ung aus der Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g gewährt“, sagt BDVM-Vorstand Peer Höfling. Solche Reaktionen seien aber derzeit die Ausnahme.

Unternehme­n, die eine Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g abgeschlos­sen haben, stehen nun vor einer schweren Entscheidu­ng, wenn der Versichere­r eine reguläre Leistung ablehnt. Denn man muss klagen, wenn man die Kulanzzahl­ung ablehnt. Und das kann, wenn der Streit durch mehrere Instanzen geht, lange dauern. Ohne Firmenvert­ragsrechts­schutz ist das Prozessris­iko dann hoch.

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Stillstand im Autobau: das VW-Werk in Zwickau.

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