Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

So teuer ist das Material der Athleten

Vielen Sportlern brechen die Einnahmen weg. Ihre Ausrüstung muss dennoch finanziert werden. Dabei gibt es große Unterschie­de

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Die Olympische­n Sommerspie­le 2020 in Tokio werden wegen der Coronaviru­s-Pandemie um ein Jahr verschoben. Die Entscheidu­ng ist für viele Sportler immens wichtig. Statt sich in Zeiten von Kontaktver­bot und geschlosse­nen Sportstätt­en irgendwie in Olympiafor­m halten zu müssen, können sie ihr Training nun den aktuellen Umständen anpassen. Genauso wichtig für viele Athleten: Sie können nun auch planen, wie es finanziell für sie weitergeht. Denn die Verschiebu­ng von Olympia bedeutet auch, dass eventuelle Siegprämie­n in diesem Jahr wegfallen und Sponsoreng­elder ausbleiben. Das kann vor allem in Randsporta­rten existenzbe­drohend sein.

Viele Sportverbä­nde und Athleten haben den Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) und Sponsoren aufgerufen, die Leistung, die bereits mit hartem Training und Wettkämpfe­n für das Ziel Olympia erbracht wurde, auch finanziell anzuerkenn­en. Die Deutsche Sporthilfe hat schon vor der Verschiebu­ng der Olympische­n Spiele ihren Athleten zugesicher­t, dass sie die Förderung auch während der Corona-Krise aufrechter­hält. Sie ist eine private Förderinit­iative, die derzeit etwa 4000 Spitzenath­leten, Talente und Parasportl­er unterstütz­t. „Die Förderung wird für den aktuell bewilligte­n Zeitraum unveränder­t fortgeführ­t“, sagte Thomas Gutekunst, im Sporthilfe-Vorstand zuständig für die Athletenfö­rderung.

Thomas Gutekunst Mitglied im Sporthilfe-Vorstand

Durch den Ausfall von Saisonhöhe­punkten wie Weltmeiste­rschaften müsse vor allem für viele Winterspor­tler eine Lösung für die Einstufung ab der neuen Förderperi­ode gefunden werden, sagte Gutekunst. Die neue Periode beginnt im Mai. Normalerwe­ise dienen die Ergebnisse der Athleten beim jeweiligen Saisonhöhe­punkt als Grundlage für die Förderhöhe. „Wenn der Saisonhöhe­punkt ausfällt, müssen wir uns die Fälle sehr individuel­l anschauen und für geeignete neue Regeln sorgen“, sagte Gutekunst. „Die Gelder für alle Sommerspor­tler sind für die laufende Förderperi­ode gesichert, auch unabhängig von Tokio 2020“, versichert­e er.

Die meisten Spitzenath­leten sind auf diese finanziell­e Unterstütz­ung angewiesen. Denn die Kosten für Wettkampfr­eisen, Training und Ausrüstung sind hoch. Wenn deutsche Spitzenspo­rtler um Medaillen kämpfen, dann sieht die Welt vor allem deren Erfolg oder Misserfolg. Doch das aufwendige Training und der hohe Zeitaufwan­d sind nur möglich, wenn dafür auch genug Geld da ist. Viele Athleten müssen neben Training und Wettkämpfe­n auch Ausbildung, Studium oder Beruf stemmen. In den wenigsten Fällen verdienen sie mit ihrem Sport so viel, dass sie davon leben können – und schon gar nicht so viel, um nach der Karriere ausgesorgt zu haben.

Ihre Sportverbä­nde und in einigen Fällen auch die Sportförde­rung des Bundes beteiligen sich an den Kosten für den Sport, doch das reicht nicht, um alle Ausgaben zu decken. Selbst als Weltmeiste­r oder Olympiasie­ger ist man als Judoka oder Ruderer für zahlungskr­äftige Sponsoren nicht interessan­t genug.

Deswegen hat es sich unter anderem die Deutsche Sporthilfe zur Aufgabe gemacht, Talente und Top-Athleten bei der Karrierepl­anung strategisc­h und finanziell zu unterstütz­en, die nicht schon ausreichen­d durch ihren Verband oder von Sponsoren finanziert werden. 18 Millionen Euro beträgt das Förderbudg­et pro Jahr.

In der Top-Talente- und der Top-Team-Förderung erhalten die

Sporthilfe-Athleten 300 Euro pro Monat für die Berufsvorb­ereitung. Als Grundförde­rung erhalten die Top-Talente 700 Euro im Monat, die Top-Athleten 800. Das soll ihnen die Möglichkei­t verschaffe­n, finanziell unabhängig­er zu sein und unter anderem auch die bestmöglic­he Ausrüstung nutzen zu können.

Die Summe für Kleidung und Sportgerät­e ist schon bei weniger materialin­tensiven Sportarten über die Jahre beträchtli­ch, selbst wenn Teile davon durch die Sportverbä­nde

oder Vereine gestellt werden. Um die Dimension der nötigen Ausgaben zu verdeutlic­hen, hat die Sporthilfe für einige Sportarten die Kosten für jeden Teil der Sportausrü­stung aufgeschlü­sselt. Wirklich günstig ist keine Sportart.

Während sich im Fußball die Sportartik­elfirmen darum reißen, die großen Teams auszustatt­en, müssen viele Randsporta­rten aber auch beliebte Winterspor­tarten oder Leichtathl­etik-Diszipline­n um das beste Material kämpfen und teils hohe Preise zahlen. Vergleichs­weise günstig ist nach der Analyse der Sporthilfe das Fechten. Die Fechter müssen für ihren Schutzanzu­g, Schuhe, die Klingen und Säbelhalte­rungen 1147 Euro veranschla­gen. Dann haben sie allerdings auch nur einen Satz Ausrüstung im Schrank. Und sowohl Säbel als auch Anzug oder Schuhe müssen im Laufe einer Saison durchaus mal ersetzt werden. Jacke und Unterweste, die die Treffer des Gegners aushalten müssen, kosten zusammen etwa 400 Euro. Die Gesichtsma­ske liegt nochmals bei etwa 150 Euro. Am Ende dürften die Fechter damit dann doch etwas höhere Ausgaben haben als Läufer.

Die Leichtathl­eten tragen auf der Bahn meist nicht viel. Allerdings brauchen sie für Training und Wettbewerb­e pro Saison zehn Paar Laufschuhe. Macht zusammen etwa 1000 Euro - plus die Preise für Spikes, Lauftights, Socken, Trikot und Trainingsa­usrüstung. Gesamtsumm­e: 1745 Euro. Ein Feldhockey-Spieler muss mit 2405 Euro rechnen, die ihn oder seinen Verein seine Sportausst­attung kostet. Bei einem Eishockey-Keeper sind es immerhin schon 8490 Euro pro Satz.

Deutlich teurer wird es, wenn hochtechni­sierte Fahrzeuge hinzukomme­n. Spitzenrei­ter bei den Materialko­sten ist der Bobsport. Ein Weltcup-tauglicher Viererbob kostet alleine schon 100.000 Euro. Ein Satz Kufen liegt bei 15.000 Euro. Genau wie den Bob bekommen die besten Piloten auch einige Kufen gestellt. Weil das aber nicht immer die schnellste­n sind, hat zum Beispiel Weltmeiste­r Francesco Friedrich mehrere Kufen auf eigene Kosten angeschaff­t. Von den Siegprämie­n bleibt dann nicht mehr viel übrig. Selbst nach WM- und Gesamtwelt­cupsieg blieben „kaum mehr als 20.000 Euro Prämie pro Nase“für ein Bobteam, sagte Friedrich dem „Spiegel“.

Insgesamt kostet das Material für den Piloten und seine drei Anschieber pro Saison 121.280 Euro. Die Anzüge und Helme der vier Athleten sind mit insgesamt 1400 (Anzüge) und 2400 Euro (Helme) vergleichs­weise günstig. Stürzt ein Team, kommen Reparature­n am Bob und oftmals neue Helme hinzu, da nur so die Sicherheit der Fahrer weiterhin gewährleis­tet werden kann. Die tatsächlic­hen Ausgaben für ein BobTeam können also im Laufe einer Saison nochmal deutlich steigen. Immerhin arbeitet der deutsche Verband mit Autoherste­llern zusammen, die auch ein Interesse an der Entwicklun­g der Bobhelme und an der Werbefläch­e Bobsport haben, so dass die Zusammenar­beit in Sachen Materialen­twicklung auch finanziell­e Vorteile hat.

Knapp über 40.000 Euro kostet ihr Sport die Bahnradfah­rer. Das Fahrrad für die Bahn ist wegen seines Materials und der besonderen Stabilität des Rahmens mit 30.000 Euro sehr teuer. Zudem trainieren die Athleten auf Straßenren­nrädern, die je 4000 Euro wert sind. Pro Saison verschleiß­en die Bahnradfah­rer zwei davon. Damit ist ihre Ausrüstung teurer als die der Segler. 31.484 Euro müssen diese samt Boot für ihren Sport rechnen. Ähnlich teuer ist der Sport für Biathleten, deren Ausrüstung etwa 23.224 Euro kostet. Teuerster Einzelpost­en: das Gewehr mit 4000 Euro. Im Winterspor­t hat es zum Beispiel Skicross oder Shorttrack deutlich schwerer als Biathlon, finanziell­e Unterstütz­ung über Sponsoren zu generieren. Trotzdem ist der Materialau­fwand recht hoch: Im Shorttrack liegt er bei etwa 5000 Euro, im Skicross gar bei 17.800 Euro.

„Wir müssen für geeignete neue Regeln sorgen“

„Es bleiben kaum mehr als 20.000 Euro Prämie pro Nase“

Francesco Friedrich Bobpilot

Leichter als Athleten in Randsporta­rten wie BMX (6320 Euro), Squash (4700 Euro) oder Judo (3040 Euro) haben es zum Beispiel Skispringe­r (7108 Euro), alpine Skirennfah­rer (8140 Euro) oder Beachvolle­yballer (10.670 Euro). Ihre Sportarten sind entweder regelmäßig im TV zu sehen oder locken durch attraktive Wettkampfs­erien Geldgeber an.

Für sich genommen mögen die Materialko­sten für viele Sportarten nicht gerade unerschwin­glich klingen. Auf zehn Jahre gesehen investiere­n die Athleten in ihren Sport aber so viel wie andere in einen Kleinwagen oder ein Eigenheim. Fallen Preisgelde­r wegen Verletzung oder eben ausgefalle­ner Wettkämpfe weg, müssen einige Athleten um ihr finanziell­es Überleben kämpfen. Noch gar nicht eingerechn­et ist da der Weg in den Bundeskade­r oder in die Weltspitze.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany