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So teuer ist das Material der Athleten
Vielen Sportlern brechen die Einnahmen weg. Ihre Ausrüstung muss dennoch finanziert werden. Dabei gibt es große Unterschiede
DÜSSELDORF Die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio werden wegen der Coronavirus-Pandemie um ein Jahr verschoben. Die Entscheidung ist für viele Sportler immens wichtig. Statt sich in Zeiten von Kontaktverbot und geschlossenen Sportstätten irgendwie in Olympiaform halten zu müssen, können sie ihr Training nun den aktuellen Umständen anpassen. Genauso wichtig für viele Athleten: Sie können nun auch planen, wie es finanziell für sie weitergeht. Denn die Verschiebung von Olympia bedeutet auch, dass eventuelle Siegprämien in diesem Jahr wegfallen und Sponsorengelder ausbleiben. Das kann vor allem in Randsportarten existenzbedrohend sein.
Viele Sportverbände und Athleten haben den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und Sponsoren aufgerufen, die Leistung, die bereits mit hartem Training und Wettkämpfen für das Ziel Olympia erbracht wurde, auch finanziell anzuerkennen. Die Deutsche Sporthilfe hat schon vor der Verschiebung der Olympischen Spiele ihren Athleten zugesichert, dass sie die Förderung auch während der Corona-Krise aufrechterhält. Sie ist eine private Förderinitiative, die derzeit etwa 4000 Spitzenathleten, Talente und Parasportler unterstützt. „Die Förderung wird für den aktuell bewilligten Zeitraum unverändert fortgeführt“, sagte Thomas Gutekunst, im Sporthilfe-Vorstand zuständig für die Athletenförderung.
Thomas Gutekunst Mitglied im Sporthilfe-Vorstand
Durch den Ausfall von Saisonhöhepunkten wie Weltmeisterschaften müsse vor allem für viele Wintersportler eine Lösung für die Einstufung ab der neuen Förderperiode gefunden werden, sagte Gutekunst. Die neue Periode beginnt im Mai. Normalerweise dienen die Ergebnisse der Athleten beim jeweiligen Saisonhöhepunkt als Grundlage für die Förderhöhe. „Wenn der Saisonhöhepunkt ausfällt, müssen wir uns die Fälle sehr individuell anschauen und für geeignete neue Regeln sorgen“, sagte Gutekunst. „Die Gelder für alle Sommersportler sind für die laufende Förderperiode gesichert, auch unabhängig von Tokio 2020“, versicherte er.
Die meisten Spitzenathleten sind auf diese finanzielle Unterstützung angewiesen. Denn die Kosten für Wettkampfreisen, Training und Ausrüstung sind hoch. Wenn deutsche Spitzensportler um Medaillen kämpfen, dann sieht die Welt vor allem deren Erfolg oder Misserfolg. Doch das aufwendige Training und der hohe Zeitaufwand sind nur möglich, wenn dafür auch genug Geld da ist. Viele Athleten müssen neben Training und Wettkämpfen auch Ausbildung, Studium oder Beruf stemmen. In den wenigsten Fällen verdienen sie mit ihrem Sport so viel, dass sie davon leben können – und schon gar nicht so viel, um nach der Karriere ausgesorgt zu haben.
Ihre Sportverbände und in einigen Fällen auch die Sportförderung des Bundes beteiligen sich an den Kosten für den Sport, doch das reicht nicht, um alle Ausgaben zu decken. Selbst als Weltmeister oder Olympiasieger ist man als Judoka oder Ruderer für zahlungskräftige Sponsoren nicht interessant genug.
Deswegen hat es sich unter anderem die Deutsche Sporthilfe zur Aufgabe gemacht, Talente und Top-Athleten bei der Karriereplanung strategisch und finanziell zu unterstützen, die nicht schon ausreichend durch ihren Verband oder von Sponsoren finanziert werden. 18 Millionen Euro beträgt das Förderbudget pro Jahr.
In der Top-Talente- und der Top-Team-Förderung erhalten die
Sporthilfe-Athleten 300 Euro pro Monat für die Berufsvorbereitung. Als Grundförderung erhalten die Top-Talente 700 Euro im Monat, die Top-Athleten 800. Das soll ihnen die Möglichkeit verschaffen, finanziell unabhängiger zu sein und unter anderem auch die bestmögliche Ausrüstung nutzen zu können.
Die Summe für Kleidung und Sportgeräte ist schon bei weniger materialintensiven Sportarten über die Jahre beträchtlich, selbst wenn Teile davon durch die Sportverbände
oder Vereine gestellt werden. Um die Dimension der nötigen Ausgaben zu verdeutlichen, hat die Sporthilfe für einige Sportarten die Kosten für jeden Teil der Sportausrüstung aufgeschlüsselt. Wirklich günstig ist keine Sportart.
Während sich im Fußball die Sportartikelfirmen darum reißen, die großen Teams auszustatten, müssen viele Randsportarten aber auch beliebte Wintersportarten oder Leichtathletik-Disziplinen um das beste Material kämpfen und teils hohe Preise zahlen. Vergleichsweise günstig ist nach der Analyse der Sporthilfe das Fechten. Die Fechter müssen für ihren Schutzanzug, Schuhe, die Klingen und Säbelhalterungen 1147 Euro veranschlagen. Dann haben sie allerdings auch nur einen Satz Ausrüstung im Schrank. Und sowohl Säbel als auch Anzug oder Schuhe müssen im Laufe einer Saison durchaus mal ersetzt werden. Jacke und Unterweste, die die Treffer des Gegners aushalten müssen, kosten zusammen etwa 400 Euro. Die Gesichtsmaske liegt nochmals bei etwa 150 Euro. Am Ende dürften die Fechter damit dann doch etwas höhere Ausgaben haben als Läufer.
Die Leichtathleten tragen auf der Bahn meist nicht viel. Allerdings brauchen sie für Training und Wettbewerbe pro Saison zehn Paar Laufschuhe. Macht zusammen etwa 1000 Euro - plus die Preise für Spikes, Lauftights, Socken, Trikot und Trainingsausrüstung. Gesamtsumme: 1745 Euro. Ein Feldhockey-Spieler muss mit 2405 Euro rechnen, die ihn oder seinen Verein seine Sportausstattung kostet. Bei einem Eishockey-Keeper sind es immerhin schon 8490 Euro pro Satz.
Deutlich teurer wird es, wenn hochtechnisierte Fahrzeuge hinzukommen. Spitzenreiter bei den Materialkosten ist der Bobsport. Ein Weltcup-tauglicher Viererbob kostet alleine schon 100.000 Euro. Ein Satz Kufen liegt bei 15.000 Euro. Genau wie den Bob bekommen die besten Piloten auch einige Kufen gestellt. Weil das aber nicht immer die schnellsten sind, hat zum Beispiel Weltmeister Francesco Friedrich mehrere Kufen auf eigene Kosten angeschafft. Von den Siegprämien bleibt dann nicht mehr viel übrig. Selbst nach WM- und Gesamtweltcupsieg blieben „kaum mehr als 20.000 Euro Prämie pro Nase“für ein Bobteam, sagte Friedrich dem „Spiegel“.
Insgesamt kostet das Material für den Piloten und seine drei Anschieber pro Saison 121.280 Euro. Die Anzüge und Helme der vier Athleten sind mit insgesamt 1400 (Anzüge) und 2400 Euro (Helme) vergleichsweise günstig. Stürzt ein Team, kommen Reparaturen am Bob und oftmals neue Helme hinzu, da nur so die Sicherheit der Fahrer weiterhin gewährleistet werden kann. Die tatsächlichen Ausgaben für ein BobTeam können also im Laufe einer Saison nochmal deutlich steigen. Immerhin arbeitet der deutsche Verband mit Autoherstellern zusammen, die auch ein Interesse an der Entwicklung der Bobhelme und an der Werbefläche Bobsport haben, so dass die Zusammenarbeit in Sachen Materialentwicklung auch finanzielle Vorteile hat.
Knapp über 40.000 Euro kostet ihr Sport die Bahnradfahrer. Das Fahrrad für die Bahn ist wegen seines Materials und der besonderen Stabilität des Rahmens mit 30.000 Euro sehr teuer. Zudem trainieren die Athleten auf Straßenrennrädern, die je 4000 Euro wert sind. Pro Saison verschleißen die Bahnradfahrer zwei davon. Damit ist ihre Ausrüstung teurer als die der Segler. 31.484 Euro müssen diese samt Boot für ihren Sport rechnen. Ähnlich teuer ist der Sport für Biathleten, deren Ausrüstung etwa 23.224 Euro kostet. Teuerster Einzelposten: das Gewehr mit 4000 Euro. Im Wintersport hat es zum Beispiel Skicross oder Shorttrack deutlich schwerer als Biathlon, finanzielle Unterstützung über Sponsoren zu generieren. Trotzdem ist der Materialaufwand recht hoch: Im Shorttrack liegt er bei etwa 5000 Euro, im Skicross gar bei 17.800 Euro.
„Wir müssen für geeignete neue Regeln sorgen“
„Es bleiben kaum mehr als 20.000 Euro Prämie pro Nase“
Francesco Friedrich Bobpilot
Leichter als Athleten in Randsportarten wie BMX (6320 Euro), Squash (4700 Euro) oder Judo (3040 Euro) haben es zum Beispiel Skispringer (7108 Euro), alpine Skirennfahrer (8140 Euro) oder Beachvolleyballer (10.670 Euro). Ihre Sportarten sind entweder regelmäßig im TV zu sehen oder locken durch attraktive Wettkampfserien Geldgeber an.
Für sich genommen mögen die Materialkosten für viele Sportarten nicht gerade unerschwinglich klingen. Auf zehn Jahre gesehen investieren die Athleten in ihren Sport aber so viel wie andere in einen Kleinwagen oder ein Eigenheim. Fallen Preisgelder wegen Verletzung oder eben ausgefallener Wettkämpfe weg, müssen einige Athleten um ihr finanzielles Überleben kämpfen. Noch gar nicht eingerechnet ist da der Weg in den Bundeskader oder in die Weltspitze.