Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Unsere Fans machen uns stolz“
Fortunas Marketingvorstand freut sich über die große Solidarität mit dem Klub. Für die Eigenvermarktung sieht er die Krise als Chance.
Ein ruhiger Start sieht anders aus. Zehn Monate ist Christian Koke jetzt als Vorstandsmitglied mit dem Schwerpunkt Marketing bei Fortuna im Amt, und ein wenig zurücklehnen konnte sich der 47-Jährige dabei zu keiner Zeit. Trubel um seine Vorstandskollegen Thomas Röttgermann und Lutz Pfannenstiel, Trennung von Trainer Friedhelm Funkel, eine neue Aufsichtsratsspitze, jetzt die Corona-Krise. Koke jedoch bleibt zuversichtlich.
Fällt Ihnen zu Hause schon die Decke auf den Kopf?
KOKE Nein, überhaupt nicht. Wir haben so viele Krisenstäbe ins Leben gerufen, um mit dieser Lage vernünftig umzugehen und das Beste für den Verein zu erarbeiten, dass mein Arbeitsalltag nicht viel anders aussieht als vorher. Wir wollen immer aktiv nach vorne gehen. Der Unterschied ist, dass die Arbeit jetzt zu 90 Prozent von zu Hause aus passiert, mit vielen Gesprächen und Videokonferenzen.
Ihr Hauptjob besteht ja darin, Kontakte zu schaffen und zu halten, Wege für Fortuna zu erschließen. Ist das schwieriger geworden?
KOKE Sponsoring und Marketing sind natürlich Bereiche, in denen man viel mit Menschen zu tun hat. Persönlicher Austausch ist da schon wichtig. Aber die modernen Technologien geben uns die Möglichkeit, das aktuelle Manko zu überbrücken.
Haben Sie ein Beispiel parat?
KOKE Wir haben zum Beispiel einen Podcast für unsere Partner aufgenommen, in dem ich sie direkt angesprochen habe. Und am vergangenen Donnerstag hatten wir einen überragenden digitalen Partner-Stammtisch, bei dem 91 Leute zugeschaltet waren. Ich habe über die Lage der Nation berichtet (lacht), und dann konnten sich alle austauschen. Zudem haben Mentaltrainer Axel Zehle und Erik Thommy den Alltag unserer Profis beschrieben. Wir haben ein sehr positives Feedback bekommen.
Was können Sie Ihren Partnern denn derzeit sagen?
KOKE Das Wichtigste ist, allen zu vermitteln, dass wir zusammenstehen, dass wir da sind für unsere Partner, dass es einen Solidaritätsgedanken gibt. Gerade in dieser Phase können wir diesen Zusammenhalt zeigen und individuelle Lösungen anbieten. Das ist ja auch das Thema der Eigenvermarktung, dass wir ab diesem Sommer angehen. Der digitale Partner-Stammtisch war praktisch der Startschuss dazu.
Könnte diese Krise Verein und Sponsoren womöglich sogar enger zusammenschweißen?
KOKE Da bin ich mir ganz sicher. Wir reden immer von der Fortuna-Familie, und das können wir jetzt in dieser Krise leben.
Wobei viele Firmen gerade wirtschaftliche Sorgen haben.
KOKE Deshalb können wir jetzt auch nicht von jedem erwarten, dass er sich fest an uns bindet. Die Krise wird auch Auswirkungen auf etliche Unternehmen haben. So haben einige zum 31. März ihren Vertrag mit uns gekündigt, ganz einfach, weil sie die Situation noch nicht überblicken können. Diese Partner werden wir jetzt sicher nicht aufs Abstellgleis schieben, im Gegenteil.
Zu Beginn der Krise wurde ligaweit von möglichen Schadenersatzforderungen von Sponsoren gesprochen. Drohen diese auch Fortuna?
KOKE Auch das nehmen wir proaktiv auf und sprechen mit unseren Partnern. Aber das lässt sich für niemanden absehen. Wenn die Saison mit Geisterspielen weitergeht, können wir unsere vertraglichen Pflichten durch TV-Übertragungen erfüllen. Hospitality, also alle Dinge, die nur über Präsenz in der Arena möglich sind, sind eine andere Herausforderung, aber auch da haben wir Ideen.
Verraten Sie uns eine!
KOKE Dafür ist es noch etwas zu früh, da müssen wir noch Möglichkeiten zur Realisierung prüfen. Aber es gibt etwa das Gedankenspiel, zwei Stunden vor einer Partie ein Catering-Paket beim Partner abzuliefern, dem auch ein Sky-Ticket für dieses Spiel beiliegt. Das haben wir bei Sky auch schon einmal angesprochen. Aber das ist nicht von heute auf morgen umsetzbar. Wichtig ist, für jeden Partner eine kreative Lösung zu finden und im Gespräch zu bleiben. Rund 85 Prozent der über 600 Partner haben wir bereits direkt erreicht.
Im Interview mit unserer Redaktion versicherte Fortunas Aufsichtsratsspitze, der Verein sei gut aufgestellt für diese Krise. Wie sehen Sie, an vorderster Front, die Lage?
KOKE Es ist für uns alle eine herausfordernde und schwierige Zeit, doch wenn wir unsere Maßnahmen umsetzen, ist es keine existenzbedrohende Situation. Aber wenn wir noch längere Zeit so leben, wie wir im Moment leben, müssen wir alle abwarten, welche Auswirkungen das auf die gesamte Wirtschaft hat.
Haben Sie schon konkrete Signale bekommen, dass Fans auf Rückzahlungen für ihre nicht nutzbaren Dauerkarten verzichten?
KOKE Ja, viele sogar. Das kann einen Verein nur sehr stolz machen. Wir arbeiten im Gegenzug stark daran, den Service für Fans zu verbessern.
Kommen wir zum Thema Eigenvermarktung. Ist es nicht sehr riskant, ausgerechnet mitten in der Corona-Krise damit zu beginnen?
KOKE Die Entscheidung ist ja schon weit vorher gefallen, ich sehe es eher als Chance. Das haben wir als Vorstand auch dem Aufsichtsrat vermitteln können, darüber bin ich sehr glücklich. Nehmen wir den digitalen Stammtisch: Wer kann denn besser, auch emotional, unsere Partner erreichen als wir von Fortuna selbst? Gerade durch diese Krise sind wir noch dichter an unseren Partnern dran, und nicht zuletzt darum geht es bei der Eigenvermarktung.
Wie gehen Sie konkret vor?
KOKE Wir haben alle Kontakte, telefonisch, per Video, Podcast und postalisch, vom bisherigen Weg über unseren langjährigen Vermarkter Infront direkt auf Fortuna Düsseldorf umgestellt. Wir richten eine digitale Plattform ein, auf der sich alle Partner vernetzen können. Und ab der nächsten Woche haben wir eine digitale Sprechstunde im Angebot. Das haben wir alles etwas vorgezogen, weil sich jetzt die Chance geboten hat. Durch die Krise ist richtig Schwung in die Sache gekommen.
Wie viele neue Mitarbeiter haben Sie für die Eigenvermarktung eingestellt?
KOKE Wir wollen auf die gleiche Personenzahl kommen wie vorher in der Kooperation mit Infront. Das
wären dann 14, und im Moment stehen wir bei zehn. Wir sind schon sehr weit.
Ist das kein wirtschaftliches Risiko?
KOKE Nein. Zentrale Themen wie Vertragsmanagement oder Rechnungen lagen immer bei uns. Und die Summe, die Infront uns jährlich garantierte, haben wir schon zum jetzigen Zeitpunkt übertroffen. Ich möchte aber noch einmal ganz klar sagen, dass es eine gute und wichtige Partnerschaft mit Infront war.
Erfolgt die Trennung auch, weil sich die Zeiten geändert haben?
KOKE Exakt. Die Einnahmesituation hat sich verschoben, Fernseheinnahmen spielen eine weit wichtigere Rolle als früher. Zudem wollen wir unsere Sponsoringeinnahmen deutlich steigern. Die Garantien der Vermarkter haben nicht mehr die Relevanz früherer Jahre. Und mit den besonderen Herausforderungen der Corona-Krise hätte ein Vermarkter wahrscheinlich noch eher zu kämpfen als ein Vertreter von Fortuna Düsseldorf, der direkt an die Tür eines Partners klopft.
Die Krise wird uns alle noch eine Weile begleiten. Was ist für Sie dabei die größte Herausforderung?
KOKE Das Nicht-Überschaubare der Situation. Wenn man Fakten hat, kann man damit umgehen, aber die haben wir nur punktuell. Aber wenn wir als Team zusammenrücken, werden wir aus dieser Krise positiv herausgehen.
BERND JOLITZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.