Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ich und Corona: Üben macht glücklich
In Zeiten etlicher Konzertabsagen hilft die Besinnung auf die Grundlagen des Instrumentalspiels.
Nachdem die Konzert-, Unterrichtsund auch Workshopabsagen innerhalb von ein paar Tagen auf mich niedergeprasselt sind wie dicke Hagelkörner und ich das so nach und nach verdaut hatte, stellte sich die Frage: Was mache ich mit der vielen Zeit?
Um mich herum wollten jetzt plötzlich alle mal so richtig kreativ werden. Das kam für mich nicht in Frage. Ich bin nämlich andauernd kreativ, komponiere, schreibe Schlagzeuglehrbücher, stelle Workshops auf die Beine, kümmere mich um meine Band (Forsonics), schreibe für Print- und Online Schlagzeugmagazine usw. Selbst beim Unterrichten wurschtle ich immer an neuen Konzepten herum und füttere meine Studenten mit neuen Übungen. Also, was mache ich jetzt mit der Zeit? Was wollte ich eigentlich schon immer mal machen?
Seit Jahren habe ich ein latent schlechtes Gewissen, das mich ab und zu zur Seite nimmt und fragt: Warum übst du eigentlich nicht mehr? Ok, du bereitest dich hier und da auf das eine oder andere Projekt, auf Proben und Konzerte vor, aber so richtig üben ist das nicht. Stimmt. Es gab tausend Gründe, warum ich keine Muße hatte, mich mal einen Vormittag oder einen Abend ans Schlagzeug zu setzen und zu üben. Im Alter von 35 Jahren und nach ungefähr 15 Jahren sehr intensiver Beschäftigung mit meinem Instrument hatte ich irgendwie die Nase voll vom Üben. Dann kamen die Kinder, und mit kleinen Kindern erledigt sich das Üben ohnehin von selbst.
Der Focus verschiebt sich, und ich habe meine Zeit, neben dem Unterrichten, vor allem in Projekte investiert, die „mal etwas werden könnten“. Im Klartext: Projekte, mit denen man Geld verdienen könnte. Als Musiker investiert man viel Zeit und Herzblut in Ideen, die „mal etwas werden könnten“. Spaß macht das immer, bringt aber oft kein Geld. Und so habe ich das Üben irgendwann völlig aus den Augen verloren.
Vor Weihnachten besuchte ich den Schlagzeugworkshop eines Kollegen. Dabei stellte er eine Übung vor und wurde gefragt, wofür genau er das denn bräuchte. Er sagte, das wüsste er nicht. Daraufhin wurde er verwundert gefragt, warum er das dann mache. Er antwortete, weil es Spaß macht. Das sei für ihn der wichtigste Impuls, um etwas zu üben. Alles andere würde sich dann schon von alleine ergeben. Das hat mich getroffen. Ja klar, das ist so simpel und doch so völlig klar. Genau darum bin ich Musiker geworden.
Spielen-Üben ist völlig abgekoppelt von Zeit, Erfolg, Geld etc. Natürlich möchte ich „besser“werden, aber vor allem möchte ich eine gute
Zeit dabei haben. Hier und jetzt, ohne Bewertung und Ziel. Ich tue es einfach, weil es mich erfüllt und Freude macht, und vertraue darauf, dass es mich weiterführt. Diese Erkenntnis hatte ich schon als ich 17 Jahre alt war und sich immer stärker der Wunsch in mir formte, Musiker zu werden. Vielleicht nicht so bewusst, wie das jetzt der Fall ist, aber ich hatte eine Ahnung, dass mich die Beschäftigung mit meinem Instrument lange „tragen“kann.
Mit der Corona-Krise und den damit verbundenen Absagen hatte ich schlagartig Zeit, und ich musste nicht lange überlegen, was ich mit dieser Zeit anfangen möchte. Üben! Und weil ich auch ein Netzwerker bin und Youtube, Facebook und Instagram nutze, um meine Arbeit zu promoten, poste ich zurzeit unter dem Titel „Üben macht glücklich!“ab und zu ein neues Video, in dem ich verschiedene Schlagzeugthemen bearbeite.
Sofort gab es Resonanz, Feedbacks, Austausch – ich bin anscheinend nicht der Einzige, der das so erlebt. Das gute alte Üben! Für mich persönlich eine schöne (Wieder-)Entdeckung in dieser komischen Zeit.
Unser Autor ist Jazzschlagzeuger und an der Robert-Schumann-Hochschule Dozent für Drumset.