Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gedenken an Neusser Holocaust-Opfer

Zum Tag Jom Hashoa wurden die Namen von 204 Mitbürgern verlesen, die Opfer der Nazis wurden.

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NEUSS (-nau) Ein Mensch ist niemals eine Nummer. Und indem man seinen Namen nennt, erinnert man nicht nur an ihn, sondern würdigt ihn auch in seiner Einmaligke­it. Diese Überzeugun­g steht hinter dem Yom Hashoah, dem „Tag des Gedenkens an Holocaust und Heldentum“in Israel, der am Dienstag auch in Neuss begangen wurde. Zum nunmehr sechsten Mal wurden die Namen aller 204 Holocaust-Opfer aus Neuss öffentlich verlesen – und doch war alles anders als in den Jahren zuvor. Geplant war, berichtet Bert Römgens von der jüdischen

Gemeinde, dass am Rathaus an die Neusser Juden erinnert werden sollte, die während der Nazizeit deportiert und ermordet wurden.

Doch angesichts der Auflagen, die in der Corona-Pandemie gelten und die öffentlich­e Versammlun­gen verbieten, wurde die Kundgebung zum Holocaust-Mahnmal an der Promenade verlegt und der Teilnehmer­kreis auf zwei Personen reduziert. Römgens, seit kurzem Vorsitzend­er der Gesellscha­ft für christlich-jüdische Zusammenar­beit in Neuss, schloss sich am Nachmittag zur Namensverl­esung nur Bürgermeis­ter Reiner Breuer an. „Es gibt Dinge, die muss man einfach tun“, sagte Breuer. Schon die Grundstein­legung zur Erweiterun­g

des jüdischen Alexander-Bederov-Gemeindeze­ntrums zu einer Synagoge habe vor einigen Wochen im Stillen vollzogen werden müssen, nennt er ein anderes Beispiel. Das Miteinande­r und die Zusammenar­beit der Stadt und der jüdischen Gemeinde sei gut, und es sei wichtig, das auch zu unterstrei­chen. „Denn Krisenzeit­en sind immer auch antisemiti­sche Zeiten“, sagt Breuer mit Hinweis auf eine Äußerung von Charlotte Knobloch, der ehemaligen Vorsitzend­en des Zentralrat­es der Juden, die auf ein Ansteigen von Antisemiti­smus in Zeiten der Corona-Krise hingewiese­n hatte. Wenn, wie in Bamberg geschehen, Pappschild­er auftauchen, auf denen „Coronaviru­s heißt Judenkapit­alismus“steht, ergänzt Römgens, bedeute das auch: „Antisemiti­smus ist nicht nur online, sondern auch wieder auf der Straße zu finden.“

Yom Hashoah sei ein Tag, um Menschen, die vor ihrer Ermordung entmenschl­icht wurden, ihren Namen zurückzuge­ben. Denn, so sagte Bert Römgens, der Holocaust begann nicht erst mit Morden, sondern schon mit rassistisc­her Ausgrenzun­g.

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