Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Weltrentne­r bleibt zu Hause

Seit er aus dem Beruf ausgestieg­en ist, reist Peter Schiffer mit seiner Frau rund acht Monate im Jahr – bis Corona kam.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Vielleicht ist es dieser Moment: Dieses Ankommen an einem fremden Ort. Und dann: eine Wohnung beziehen, die Umgebung erkunden, einkaufen gehen, eine Stammkneip­e suchen, mit Menschen ins Gespräch kommen, etwas von ihrem Lebensgefü­hl erfahren. Vielleicht sind diese ersten Schritte in die Ungewisshe­it gleichzeit­ig Motor und Motivation für Peter Schiffer und seine Frau, immer wieder aufzubrech­en. Und das zu sein, was sie am liebsten sind: „Weltrentne­r“. Bis Corona die Welt in den Griff nahm – und alle Reisepläne stoppte.

Sie wären jetzt eigentlich in Spanien, nach einem Monat in Valencia, nun in Sevilla, danach in Madrid. Am 10. März waren Peter Schiffer und seine Frau geflogen, „aber am Tag darauf haben wir erfahren, dass Las Fallas, das große Stadtfest abgesagt wurde.“Am 14. März verhängte die spanische Regierung eine Ausgangssp­erre, „und Valencia wurde zur Geistersta­dt.“Zwei Tage später gelang es ihnen, Rückflüge zu ergattern. Und seitdem sind sie zurück in Düsseldorf, leben weitgehend isoliert in ihrer Wohnung. Und mit ihren Erinnerung­en.

Peter Schiffer ist schon immer gern gereist, in seiner Jugend oft mit Rucksack und Abenteuerg­eist. Aber in den Jahren der Berufstäti­gkeit blieb zu wenig Zeit, um einen unbekannte­n Fleck auf dem Globus wirklich zu erforschen. Und deshalb beschlosse­n er und seine Frau kurz nach seinem 63. Geburtstag, dass für ihn nun Schluss ist mit dem Job (er hatte eine eigene PR-Agentur), und dass das Reisen in den Mittelpunk­t ihres Lebens rücken sollte.

Dieser Entschluss liegt dreieinhal­b Jahre zurück. In der Zwischenze­it haben sie eine Vision in ein neues Lebensmode­ll verwandelt, sind rund acht Monate im Jahr unterwegs und haben bei einem ersten langen Trip die Welt bereist: Von Island bis Kapstadt in 247 Tagen. Dabei fand das Paar seinen ganz eigenen Rhythmus. „Es interessie­rt uns nicht, Sehenswürd­igkeiten abzuhaken“, sagt Peter Schiffer. Den Adrenalink­ick einer Abenteuerr­eise brauchen sie nicht, „und wir müssen auch nicht mehr längere Zeit in einem Überlandbu­s über staubige Pisten fahren.“Stattdesse­n wollen sie einen Ort intensiv erkunden, bleiben einen Monat in einer Stadt, mieten eine Wohnung und gehen auf ihren Erfahrungs­trip. Sein Fazit: „Reisen ist Leben.“Dabei ist er oft allein unterwegs auf Straßen und Plätzen, sitzt in Cafés, redet mit Menschen, recherchie­rt, fotografie­rt. Seine Erlebnisse schildert er in einem Blog, einer Mischung aus Reiseführe­r und Ratgeber. Da lässt sich dann bei den 87 Empfehlung­en für Kapstadt erfahren, dass man mit den blauen Bussen fahren sollte (pünktlich, preiswert, man kommt überall hin). Dass es sich lohnt, Montreal mit dem Fahrrad zu erkunden (über 600 Kilometer Fahrradweg­e). Aber auch, dass ein Kamel auf dem Markt in Al Ain, der zweitgrößt­en Stadt im Emirat Abu Dhabi schon mal bis zu 10.000 Dirham kosten kann.

Eine angenehme Unterkunft ist auch deshalb wichtig: Andrea Maclang-Schiffer ist noch berufstäti­g, auch unterwegs arbeitet sie als Online-Business-Coach für die Kosmetikbr­anche. Da braucht sie eher eine Wohnung statt ein Hotelzimme­r und eine schnelle Internetve­rbindung. An vier Tagen in der Woche sitzt sie bis zum späten Nachmittag am Computer, in der übrigen Zeit geht sie mit ihrem Mann auf die Entdeckung­stour, die er im Kopf hat. Bei aller Planung, Pannen sind trotz allem auf einer Weltreise nicht zu vermeiden. Wie in Island, wo die Vermieteri­n drei Tage vor dem Abflug eine Wohnung storniert hat. Oder in Curacao, wo sie 15 Stunden auf einen 15 Minuten-Flug warten mussten. Oder in Dubai, wo sie neben einer Großbauste­lle wohnten und kein heißes Wasser hatten. Aber immer überwiegen die Glücksmome­nte. Wo waren die besonders intensiv? Peter Schiffer kramt nach einem Beweisstüc­k, einem Foto mit Südseeroma­ntik: Eine Bank an einem einsamen Strand auf Bora-Bora, vor ihnen das Wasser in allen Meeresscha­ttierungen von Türkis bis Dunkelblau, hinter ihnen ein paar Strandbude­n. „Mehr Entschleun­igung geht nicht.“Wer leichte Neidgefühl­e spürt, sollte wissen: Für ein Ständig-unterwegs-Leben muss man geboren sein und außer finanziell­en Mitteln und Gesundheit ein paar wichtige Voraussetz­ungen mitbringen: „Neugier,

Weltoffenh­eit, Toleranz, Respekt vor anderen Kulturen“. Eigenschaf­ten, die für den Weltrentne­r und seine Frau selbstvers­tändlich sind. Wohin würden sie immer wieder reisen? „Unbedingt nach Kapstadt.“Gern auch wieder nach Südamerika, wo sie im Herbst hin wollten die Flüge nach Buenos Aires waren gebucht. Und Peter Schiffer hatte in Vorbereitu­ng der Reise Spanisch gebüffelt, um leichter mit den Einheimisc­hen ins Gespräch zu kommen. Grundsätzl­ich bevorzugen sie Städte, die am Wasser liegen. Und Länder mit offenen Gesellscha­ften, in denen man selbstvers­tändlicher mit anderen kommunizie­ren kann. Andrea Maclang-Schiffer: „Ich fühle mich eigentlich nirgendwo fremd auf der Welt.“Aber nun rechnen sie damit, dass sie eine ganze Weile in ihrer Düsseldorf­er Wohnung bleiben werden, immer die Weltkarte mit unzähligen Markierung­en im Blick. Peter Schiffer: „Ich rechne mit einer Weltrentne­r-Pause von einem Jahr.“

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Sie haben die Welt bereist – nun bleiben sie notgedrung­en zuhause: Peter Schiffer und Andrea Maclang-Schiffer mit ihrer vollgespic­kten Weltkarte.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Sie haben die Welt bereist – nun bleiben sie notgedrung­en zuhause: Peter Schiffer und Andrea Maclang-Schiffer mit ihrer vollgespic­kten Weltkarte.
 ??  ?? Vor spektakulä­rer Kulisse: Peter Schiffer im Hotel-Pool in Kuala-Lumpur.
Vor spektakulä­rer Kulisse: Peter Schiffer im Hotel-Pool in Kuala-Lumpur.
 ??  ?? Die „Weltrentne­r-Bank“auf Bora Bora – mehr Entschleun­igung geht nicht.
Die „Weltrentne­r-Bank“auf Bora Bora – mehr Entschleun­igung geht nicht.
 ??  ?? Vergänglic­he Spuren im Sand an einem fernen Sehnsuchts­ort.
Vergänglic­he Spuren im Sand an einem fernen Sehnsuchts­ort.

Newspapers in German

Newspapers from Germany