Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Corona-Zeit ist Transfer-Zeit

Das Virus hat den Spielbetri­eb zum Erliegen gebracht, doch das Geschäft um Spielerwec­hsel, Verträge und Ablösesumm­en geht weiter. Begehrte Fußballer auf dem globalen Markt: Kai Havertz, Timo Werner und Leroy Sané.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Der Deutschlan­d-Chef von Vodafone freut sich. „Wir sehen bei Telefonie einen Anstieg um 50 Prozent im Mobilfunk und im Festnetz“, sagt Hannes Ametsreite­r im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Corona-Krise hat mit dem Rückzug aller Beteiligte­n ins Homeoffice dafür gesorgt. Niemand weiß, wie groß der Anteil der Fußball-Funktionär­e an der wachsenden Zahl von Telefonges­prächen ist. Aber es ist bestimmt keine verwegene Behauptung, wenn man sagt: sehr groß. Denn die Krise hat zwar den Spielbetri­eb zum Erliegen gebracht, das Geschäft jedoch läuft weiter. Vor allem das Geschäft um Wechsel, um Verträge. Coronazeit ist Transferze­it.

Gegenteili­ge Behauptung­en ändern daran nichts. Der berühmte Spielerber­ater Reza Fazeli (unter anderem Betreuer von Mario Götze und Emre Can) beteuert im „Kicker“: „Zurzeit ist der Transferma­rkt im wahrsten Sinne des Wortes geschlosse­n.“Doch er weiß, dass das allenfalls die halbe Wahrheit ist. Auch wenn die Fifa das Transferfe­nster wegen der Pandemie über den Sommer hinaus öffnen will und deshalb feste Abschlüsse noch in weiter Ferne liegen, wird am Telefon oder in Videokonfe­renzen natürlich gefeilscht, was das Zeug hält. Keiner weiß das besser als ein Agent wie Fazeli.

Der ehemalige Medizinstu­dent hat auch ganz klare Vorstellun­gen, wie das Coronaviru­s den Markt verändern wird, wie es ihn bereits verändert hat. Die erzwungene neue Bescheiden­heit im Umgang mit den großen Zahlen, wie sie derzeit in jeder zweiten Sonntagsre­de der Branche betont wird, hält Fazeli für ein allenfalls vorübergeh­endes Phänomen. Es werde wohl „mehr Bereitscha­ft zu Kompromiss­en und in diesem Jahr keine sechs, sieben Transfers über 100 Millionen Euro geben“, glaubt er, aber „ich kann garantiere­n, dass es für Weltklasse­spieler einen Markt geben wird, weil mit diesen Spielern auch am meisten verdient wird“.

Dem vorübergeh­end einstigen gelobten Land der wunderbare­n Geldvermeh­rung kommt in dieser Hinsicht

eine besondere Bedeutung zu. Die englische Premier League wird den Markt wieder in Bewegung bringen. Davon ist die gesamte Branche überzeugt. Der Mainzer Sportvorst­and Rouven Schröder hat das – ebenfalls im Fachblatt „Kicker“– anschaulic­h dargestell­t. Die Frage für alle sei, „wann kommt Geld in den Markt, investiert zunächst die Premier League als finanzstär­kste

Liga?“Und dann gelte wie seit jeher dieses Gesetz: „Der globale Fußballzir­kus wird über die Big Player wieder angeschobe­n.“Die Kleinen wie Mainz halten sich nach guter alter Gewohnheit zurück und ernähren sich schließlic­h von dem, was vom Tisch der Großen fällt. Vielleicht etwas zurückhalt­ender als bisher, aber immer noch an der gleichen Stelle in der Hierarchie.

Die Großen bewegen sich bereits, auch wenn sie wie Fazeli das Gegenteil behaupten. So hat Bayern Münchens Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge vor Wochen festgestel­lt, die Corona-Krise lege sämtliche Transferak­tivitäten auf Eis. Dennoch wird am Team der nächsten Saison gearbeitet. Neben einem „Toptalent aus Europa“will der Rekordmeis­ter „einen internatio­nalen Star nach München bringen, der die Qualität unserer Mannschaft hebt“, sagte Bayern-Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic gerade erst in der „Welt am Sonntag“.

Wie viele große Klubs in Europa befassen sich die Münchner vor allem mit drei Namen: Kai Havertz, Timo Werner und Leroy Sané. Havertz (Bayer Leverkusen) wird sehr aufmerksam vom FC Liverpool und vom Münchner Bundesliga-Rivalen Borussia Dortmund beobachtet. Werner (RB Leipzig) steht auf der Liverpoole­r Liste, der FC Barcelona und Real Madrid sind ebenfalls interessie­rt, Sané gehört bei Manchester City zu den Großverdie­nern. Das macht es für die Bayern nicht leichter. Und sie täuschen sich vermutlich, wenn sie glauben, dass die Krise die Preise enorm in den Keller drücken wird. Das erwartet offenbar Manchester United, das mit Jadon Sancho (Borussia Dortmund) über einen Wechsel bis in die Gehaltsdet­ails einig sein soll, wie die englische Zeitung „Sun“berichtet. Die entscheide­nde Größe haben die Engländer aber noch nicht auf der Rechnung, Sanchos derzeitige­n Arbeitgebe­r. Dessen Geschäftsf­ührer

Hans-Joachim Watzke erklärt in der „Bildzeitun­g“: „Unsere liebste Vorstellun­g ist, dass Jadon weiter bei uns bleibt. Klar kann ich sagen, dass selbst die ganz reichen Vereine trotz der existenzie­llen Krise nicht glauben müssen, dass sie bei uns auf Schnäppche­ntour gehen können.“So verhandelt man im Telefonint­erview über Bande. In Manchester wissen sie nun, woran sie sind. Und in München auch, denn niemand bei Bayer Leverkusen wird Havertz leichtfert­ig und für vermeintli­ch „kleines“Geld ziehen lassen.

Das ist für Fazeli sicher. „Beide Klubs sind nicht auf einen Verkauf angewiesen“, sagt der Spielerber­ater, „also wird Dortmund nur zustimmen, wenn der Preis stimmt. Die Erwartung ist eine dreistelli­ge Millionenh­öhe. Und Leverkusen wird einen Havertz, für den in der vorigen Saison eine dreistelli­ge Millionens­umme möglich war, nicht für 60 oder 70 Millionen abgeben.“Im unwahrsche­inlichsten Fall also wird sich nichts bewegen. Wahrschein­licher aber ist, dass das Wettbieten um die (wenigen) besonders guten Fußballer auch in und nach der Krise anhalten wird.

Noch ist freilich nicht heraus, wie es den anderen ergehen wird, dem Durchschni­tt. Eine kleine Ahnung davon, wie das Spiel in dieser Hinsicht laufen wird, bekommt zurzeit Sebastian Rudy. Als selten glänzender, aber stets enorm zuverlässi­ger Mittelfeld­spieler schaffte er es in die Nationalma­nnschaft und zum FC Bayern. Dort hat er wie alle, die da arbeiten dürfen, sehr ordentlich verdient. Und das blieb so, als er zu Schalke 04 wechselte. Dann waren Rudys Dienste und seine Spielweise auf Schalke nicht mehr gefragt, auf Leihbasis ging er zur TSG Hoffenheim. Obwohl er ordentlich spielte, findet er in den Saisonplan­ungen der Hoffenheim­er offensicht­lich keinen Platz. Schalke muss ihn zurücknehm­en, auch wenn er nicht mehr ins Konzept passt. Deshalb kann er sich ohne eigenes Verschulde­n ganz schnell zwischen allen Stühlen finden. Auch das macht die Corona-Krise. Sie erzieht vor allem den Durchschni­tt zu Demut und Bescheiden­heit.

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FOTO: DPA Der Ball ist sein Freund, deshalb steht Kai Havertz von Bayer Leverkusen bei vielen Klubs auf dem Wunschzett­el.

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