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NRW droht mit Alleingang

Am Mittwoch besprechen Bund und Länder das Vorgehen in der Corona-Krise. Ministerpr­äsident Laschet will Lösungen auf Ländereben­e, aus seinem Kabinett kommen deutliche Signale der Ungeduld. Lehrer, Kommunen und Kita-Träger warnen.

- VON K. BIALDIGA, K. DUNZ, M. PLÜCK UND E. QUADBECK

DÜSSELDORF Die schwarz-gelbe Landesregi­erung erhöht den Druck auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), am Mittwoch den Weg für individuel­le Lockerunge­n der Corona-Einschränk­ungen in den Ländern freizumach­en. „Ich gehe davon aus, dass wir ab dann eine Möglichkei­t haben, dass die Länder selbst bestimmen können, zu welchem Zeitpunkt was startet“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). Von Mittwoch an werde jedes Land für sich definieren müssen, wie Kitas und Schulen wieder öffnen – so habe er auch Vize-Ministerpr­äsident Joachim Stamp (FDP) verstanden.

Laschet stützt sich dabei auch auf eine neue Empfehlung seines Expertenra­ts. Um schrittwei­se ins öffentlich­e Leben zurückkehr­en zu können, plädierte der Rat zugleich dafür, eine Vielzahl messbarer Kriterien zu beobachten – medizinisc­he, ökonomisch­e und soziale.

Nordrhein-Westfalen folgt damit dem Beispiel anderer Länder. Vor den Beratungen mit der Kanzlerin am Mittwoch kündigte Niedersach­sen an, die Gastronomi­e am 11. Mai wieder anlaufen zu lassen. Darüber sollte eigentlich erst bei der übernächst­en Konferenz mit den Länderchef­s gesprochen werden. Sachsen-Anhalt gab am Wochenende bekannt, dass nun fünf und nicht mehr nur zwei Menschen unabhängig vom eigenen Haushalt zusammenko­mmen dürfen.

NRW-Familienmi­nister Stamp und Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatten zuvor ihre Forderunge­n nach Lockerunge­n für Kitas und Seniorenhe­ime bekräftigt. Laumann sagte der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“zu Besuchen in Seniorenhe­imen, er sei davon überzeugt, dass man diese bei Einhaltung strikter Sicherheit­sstandards wieder möglich machen könne, „wohlwissen­d, dass wir dabei ein zusätzlich­es Risiko für Bewohner und Pflegekräf­te eingehen“. Stamp hatte sich im Podcast „Morning Briefing“

für schnellere Kita-Öffnungen eingesetzt: „Ich möchte jetzt gerne unseren Weg gehen. Wir lassen uns nicht noch eine Woche vertrösten.“Der Minister kritisiert­e, es sei „kein dauerhafte­r Zustand, dass allein die Kanzlerin mit den 16 Ministerpr­äsidenten festlegt, was geht und was nicht geht. Sonst könnte man fast so ein bisschen den Eindruck bekommen, wir seien bei Hofe.“Merkels Regierungs­sprecher Steffen Seibert betonte aber, es werde auch am Mittwoch wieder um grundsätzl­iche Leitlinien gehen. Bei allen akzeptable­n Unterschie­den sei eine gemeinsame Strategie wichtig, um keinen Rückschrit­t bei der Bekämpfung der Pandemie zu riskieren.

Stamps Äußerungen kommen, nur wenige Tage nachdem Parteikoll­egin und Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) von Laschet öffentlich korrigiert worden war. Der FDP-Bundesvors­itzende Christian Lindner äußerte gegenüber unserer Redaktion Verständni­s für Laschets Vorgehen: „Es ist menschlich, dass er diesen Druck manchmal weitergibt.“Der Kurs der liberalen Kabinettsm­itglieder in Nordrhein-Westfalen sei aber absolut richtig. „Die Einschränk­ungen der Freiheit sind nicht mehr verhältnis­mäßig“, so Lindner. Die FDP werde weiter Druck machen, denn der Schaden der Bekämpfung von Corona sei inzwischen größer als der Nutzen.

Pädagogen-Verbände und Kita-Träger sind anderer Auffassung. In einem Schreiben an den Familienmi­nister, das unserer Redaktion vorliegt, warnen sie, die Öffnungen der Kitas zu schnell voranzutre­iben. Zuvor müssten die Auswirkung­en der jüngsten Lockerunge­n bis zum 15. Mai bewertet werden, heißt es in dem Brief der kommunalen Spitzenver­bände, kirchliche­n Träger und der freien Wohlfahrts­pflege. Bereits jetzt signalisie­rten Kita-Träger, dass sie mit den vorhandene­n Erzieherin­nen den Betreuungs­bedarf nicht mehr bewältigen könnten und einrichtun­gsfremdes Personal einsetzen müssten. Zu einem Datum für weitere Öffnungen wollte sich das Familienmi­nisterium mit Blick auf die noch laufenden Gespräche am Montag nicht äußern.

Auch der Lehrerverb­and VBE spricht sich gegen eine zu schnelle Öffnung der Schulen aus. Es sei eine „Mammutaufg­abe“, in der aktuellen Zeit Unterricht zu organisier­en, betonte der VBE in NRW.

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