Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Merkels Mühe mit den Länderchefs
Die Kanzlerin pocht auf gemeinsame Leitlinien – gibt es eine Perspektive für Gaststätten?
BERLIN Die Frage an Angela Merkels Regierungssprecher drängt sich auf. Ob die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin zu den Corona-Maßnahmen am Mittwoch nicht überflüssig sei, wenn sowieso alle Bundesländer inzwischen machten, was sie wollten, wird Steffen Seibert am Montag in Berlin gefragt. Da hatte Niedersachsen gerade angekündigt, bereits vom 11. Mai an Gaststätten und ab 25. Mai Hotels unter strengen Auflagen stufenweise wieder zu öffnen. Dabei war bei der Schalte am vorigen Donnerstag vereinbart worden, diesen sensiblen Bereich erst beim übernächsten Mal zu besprechen.
Ebenso hatten sich die Ministerpräsidenten darauf verständigt, sich vorab zu informieren, wenn einer von ihnen wieder einen Sonderweg gehe. Aber das klappte nicht einmal unter den Länderchefs, die auch Parteikollegen sind. So habe Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Samstag die Lockerung der Kontaktbeschränkungen angekündigt, ohne jemandem vorher Bescheid zu sagen, dass in seinem Land nun fünf statt zwei Menschen außerhalb des eigenen Haushalts zusammenkommen dürften, wird beklagt.
Der Druck der Wirtschaft wächst, die Entscheidung über die schwer angeschlagene Branche der Restaurants und Hotels vorzuziehen. Dafür spricht auch, dass die Wirtschaftsminister der Länder am Dienstag mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) über mögliche Lockerungen der Corona-Beschränkungen in der Gastronomie und Hotellerie beraten wollen. Bund und Länder hatten vorige Woche die zuständigen Fachminister beauftragt, Vorschläge für Rahmenbedingungen einer schrittweisen Öffnung von Gastronomie- und Tourismusangeboten vorzubereiten – für das übernächste digitale Treffen. Aus dem Kreis der Länder verlautete, Merkel werde nicht daran vorbeikommen, bereits am Mittwoch eine klare zeitliche Perspektive dafür aufzuzeigen. Sonst sei „ohnehin kein Halten mehr“.
Am Mittwoch wird es laut Seibert um Beschlüsse für Schulen, Kitas und Sport gehen. Aber auch er sprach bereits von einer Perspektive auch für die Gastronomie. Seibert sah keinen Grund, die regelmäßigen Bund-Länder-Schalten für überflüssig zu erklären. Es gehe um grundsätzliche Leitlinien, eine gemeinsame Strategie, um die Erfolge im Kampf gegen die Pandemie nicht zu gefährden. Dabei könne es „natürlich regionale, lokale Nuancen geben“.
FDP-Chef Christian Linder sagte unserer Redaktion, die 16 Landesfachminister für Kitas und Schulen
hätten gemeinsame Konzepte zur Öffnung beschlossen. Bereits vergangene Woche hätten Merkel und die Ministerpräsidenten darüber sprechen können. „Dem Vernehmen nach hat Frau Merkel das ohne Sachgrund um ein Woche verschoben, die Kitas und Schulen gut für Vorbereitungen hätten nutzen können.“NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) werde für seine Schulpolitik völlig zu Unrecht angegriffen.
Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) dämpfte derweil Hoffnungen auf einen schnellen Impfschutz. Es sei davon auszugehen, dass ein Impfstoff frühestens Mitte 2021 zur Verfügung stehen werde. Bedeutet: Alle brauchen noch einen langen Atem.