Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Video bringt DFL in Bedrängnis
Vereine sollen über positive Corona-Tests der Öffentlichkeit nichts sagen. Die Verbandszentrale will das lieber zentral übernehmen – bei 1724 Proben hat es zehn Infizierte gegeben. Ein Eklat bei Hertha BSC erschüttert die Glaubwürdigkeit der Branche.
KÖLN Im Internet kursiert ein Video, in dem es einen Einblick in das Innenleben eines Fußballvereins gibt. Solche Dokumente sind recht selten. Die Kabine gilt als Heiligtum, die Klubs schotten sich in diesen Tagen obendrein hermetisch ab. Doch da gibt es Salomon Kalou, 34, Profi in Diensten von Hertha BSC. Er ist auf der Plattform Facebook mit einem Video für seine sogenannten Follower live gewesen. In der Handyaufnahme ist unter anderem zu sehen, wie er sich mit einem Betreuer und einigen Spielern die Hand gibt. Abstandsregeln halten sie nicht ein. Kalou zeigt im Verlauf seinen Gehaltszettel vor. Teamkollege Vedad Ibisevic beschwert sich, dass ihm elf Prozent vom Lohn gestrichen worden seien, einem Kollegen wurden wohl 15 Prozent weniger überwiesen. Unklar ist, ob die Kollegen im Klaren sind, dass sie weiter aufgenommen werden.
Kalous Arbeitgeber fand die Aktion überraschender Weise wenig amüsant und suspendierte ihn am Abend. Und auch bei der DFL in Frankfurt hat man vor Wut geschäumt. In einer Mitteilung heißt es: „Die Bilder von Salomon Kalou aus der Kabine von Hertha BSC sind absolut inakzeptabel. Hierfür kann es keine Toleranz geben – auch mit Blick auf Spieler und Klubs, die sich an die Vorgaben halten, weil sie die Ernsthaftigkeit der Situation erfasst haben.“
Man kann diese Taktlosigkeit erschreckend finden – wahrscheinlich ist es einfach nur eine ziemliche ehrliche Bestandsaufnahme, wie einige, nicht alle, Fußballer die aktuelle Situation erleben. Für die DFL kommt der Eklat zum ungünstigsten Zeitpunkt. Denn bei der DFL ist man darum bemüht, alles irgendwie in geregelte Bahnen zu lenken. Ein schier unlösbares Vorhaben – wie sich spätestens jetzt offenbart.
Seit Donnerstag sind laut DFL insgesamt 1724 Corona-Tests bei den 36 Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga erfolgt. Dabei wurden Proben von Spielern und weiterem Mannschaftspersonal wie Trainerstab und Physio-Therapeuten entnommen und von fünf Fachlabor-Verbünden im gesamten Bundesgebiet untersucht. Zehn Infektionsfälle seien identifiziert und den Gesundheitsämtern gemeldet worden.
Beim 1. FC Köln alleine sind drei Fälle bekannt geworden. Über die hatte der Verein noch die Öffentlichkeit informiert, bevor es von der DFL einen Maulkorb für alle Klubs gab. In einer E-Mail an alle 36 Profiklubs wurden sie dazu aufgefordert, einzeln von der Verkündung von Testergebnissen abzusehen. „Wir empfehlen, bis dahin von eigenen Verlautbarungen abzusehen und auf diese zu verweisen“, heißt es in einem Schreiben von DFL-Direktor Ansgar Schwenken an die Klubs, das der „Kicker“zuerst veröffentlichte. Die DFL bestätigte den Vorgang. Das Vorgehen des 1. FC Köln war nach Informationen unserer Redaktion allerdings sehr wohl mit der Zentrale in Frankfurt am Main abgestimmt.
Im Kölner Fall musste laut Anordnung
des Gesundheitsamtes niemand außer den Betroffenen in Quarantäne. Die Mitarbeiter der Behörde gehen davon aus, dass sich alle an die strikten Vorgaben auch gehalten haben – es also eher unwahrscheinlich sei, dass sich weitere Spieler angesteckt hätten. Ein zweiter Test bestätigt diese Annahme: Kein weiterer hat sich infiziert.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte noch am Wochenende betont, dass es für Bundesliga-Spieler keine „Privilegien“geben könne. Das Konzept der Deutschen Fußball Liga für eine Fortsetzung des Spielbetriebs halte Seehofer nach wie vor „für eine sehr gute Grundlage für Lockerungen in diesem Bereich“. Personen, die in unmittelbarem Kontakt mit einer positiv getesteten Person gewesen sind, müssten in 14-tägige Quarantäne gehen. Dies sei ein Prinzip, das derzeit für die gesamte Bevölkerung gelte, „und es gibt eben keinen Grund, warum das bei Fußballprofis anders sein sollte“, betonte ein Sprecher von Seehofer.
Die Zukunft der Fußball-Bundesliga entscheidet sich an diesem
Mittwoch. Denn dann stimmen sich Bund und Länder darüber ab, ob die Saison zu Ende gespielt werden darf oder abgebrochen wird – wie in vielen andere Ligen in Europa. Die DFL reklamiert indes für die Branche, dass die Millionenverluste bei einer Nicht-Fortsetzung zahlreiche Vereine wohl in den Konkurs treiben würden. Die Politik steht also mächtig unter Druck, vor allem die Ministerpräsidenten wollen sich später nicht vorwerfen lassen müssen, sie wären dafür verantwortlich, dass der FC Schalke oder der Hamburger SV komplett vom Spielbetrieb abgemeldet wurden.
Andere sind verwundert, dass der Fußball überhaupt die Chance bekommt, um seine Zukunft zu kämpfen. Schon vor dem Kalou-Video hat der Fußball hierzulande extreme Missgunst erlebt. Die Kritiker dürften sich nun bestätigt fühlen.