Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wie ich an die Fortuna geriet
Für meine drei älteren Bruder war ich anfangs ziemlich lästig. Nicht nur, weil ein Nesthäkchen immer ziemlich lästig ist. Nein, wenn sie samstags die Sportschau ansehen wollten, quengelte ich oft so lange herum, bis auf dem Familienfernseher stattdessen „Die Leute von der Shiloh Ranch“eingeschaltet wurde. Und mehr als einen Fernseher gab es Anfang der 1970er eben nicht.
Heute glaube ich, dass das der Hauptgrund dafür war, dass die drei mich an jenem 1. September 1971 kurzerhand mitnahmen, als sie sich zum Flinger Broich aufmachten – nicht etwa brüderliche Nächstenliebe zum achtjährigen Steppke. Sie und Opa Paul, damals 71 Jahre alt, wollten Fortunas Spiel gegen den Hamburger SV sehen und dabei so ganz nebenbei die Gelegenheit nutzen, den unbequemen Westernserien-Lobbyisten zum mehrheitsfähigen Fußballfan zu machen.
Der Plan war perfide – und er war perfekt. Denn kaum hatte ich das Stadion im Stadtteil Flingern betreten, war es auch schon um mich geschehen. Wenn ich mich auch damals noch nicht für Fußball interessierte, so war mir doch zu Ohren gekommen, wer Uwe Seeler war. Und „Uns Uwe“lief doch da tatsächlich auf den Platz! In Fortunas zweitem Bundesliga-Heimspiel nach dem Wiederaufstieg, der wenige Monate vorher noch unbemerkt an mir vorbeigegangen war.
Andere sind in solchen Situationen zum Fan des prominenten Gegners geworden. Nicht ich. So wie es damals üblich war, kniete ich mit vielen anderen Kids meines Alters unten am Zaun auf einem Holzbrett, das eigens zu diesem Zweck dort hingelegt worden war. Und wie die anderen Kurzen sah ich zwar Seeler und Willi Schulz, aber eigentlich hatte ich nur Augen für die Roten.
Es wurde ein schmales 0:0, aber das war mir wurscht. Fortuna hatte mich erwischt und ließ mich nicht mehr los. Ein Vierteljahrhundert lang als Fan, der mit in Basel und bei den Pokalsiegen war, später als Berichterstatter. Der Blickwinkel hat sich stark verändert, das Leben mit Fortuna nicht. Sie hat mich immer wieder geärgert, mir viel Stress gemacht, ich habe sie zum Teufel gewünscht. Aber eins war Fortuna mir nie: gleichgültig. Und ich wage die Vorhersage: Das wird sie auch nie sein. „Die Leute von der Shiloh Ranch“habe ich übrigens nie wieder gesehen.