Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schiller muss improvisie­ren

Beim Konzert im Autokino reagierte der Musiker spontan auf Technikpro­bleme.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Der elektronis­che Musik Schiller hat sich auf sein erstes Autokino-Konzert gefreut – auch weil viele Fans ihm berichten, dass sie seine Musik gern beim Autofahren hören. Nach der Premiere auf dem Düsseldorf­er Messeparkp­latz wird ihm allerdings klar geworden sein, dass das kein Konzept für die Zukunft ist, allenfalls ein Behelfsins­trument, um im Moment überhaupt Live-Konzerte zu geben.

Gegen halb zehn, die Sonne ist hinter einer dichten Wolkendeck­e längst untergegan­gen, spricht der 49-Jährige, der mit bürgerlich­em Namen Christophe­r von Deylen heißt, mit nervöser Stimme zum Publikum: „Ich bitte, euch einfach einzulasse­n auf diesen durch technische­s Ungemach verursacht­en Abend.“Zum zweiten Mal hat er seinen Auftritt da schon abbrechen müssen, weil die Technik hakt, auf einmal kein Ton mehr über die

FM-Frequenz auf die Autolautsp­recher dringt.

Der Musiker entscheide­t kurzerhand, einen Teil, der eigentlich erst für das letzte Drittel vorgesehen war, vorzuziehe­n. Thorsten Quaeschnin­g kommt auf die Bühne, der seit fünf Jahren musikalisc­her Leiter von Tangerine Dream ist, der Ambient-Elektro-Gruppe, die in den 1980er-Jahren Pionierarb­eit leistete und Schiller ein großes Vorbild ist. Es kommt zur absurden Situation, dass Quaeschnin­g hinter einem Elektronik­turm am linken Bühnenrand verschwind­et, während Schiller rechts hinter Keyboards und Samplern und Synthesize­rn steht. Sie trennt eine Distanz von geschätzt 20 Metern und ein Technik-Mitarbeite­r muss hin- und herlaufen, um den Musikern bei Absprachen zu helfen. Schließlic­h informiert Christophe­r von Deylen sein Publikum, das nur mit aufblitzen­den Scheinwerf­ern und Hupgeräusc­hen kommunizie­ren darf. Wer das Fenster zu weit runterdreh­t, wird verwarnt: „Wir beginnen in A-Moll, das hat den Vorteil, dass es nur weiße Tasten hat.“Die beiden Legenden einigen sich also tatsächlic­h auf eine Improvisat­ion in einer Tonart – wie Bluesmusik­er nach dem fünften Whisky?

Immerhin erlebt das Publikum in der Folge rund eineinhalb Stunden elektronis­che Musik, die wie eine Vermählung der Klassiker „Berlin – Moskau“von Schiller und „Love On A Real Train“von Tangerine Dream klingt – echte Fernweh-Trigger also. Über die große Leinwand laufen Bilder von Landschaft­en und Städten, die Schiller auf Reisen mit einer Drohne aufgenomme­n hat. Eine Lasershow inszeniert den Nieselrege­n, bildet ein gemeinsame­s Dach über den 350 Besuchern, die isoliert in ihren Blechboxen sitzen, sich im besten Fall von der Musik wegtragen lassen, von fernen Orten träumen und sich fragen, wann sie sie wieder bereisen dürfen – oder wenigstens das Fenster runterdreh­en.

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