Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Straßenkon­zert schafft Verbindung

Jeden Sonntagabe­nd gibt Familie Höttecke in Lank-Latum ein Straßenkon­zert für die Nachbarsch­aft. Ein Besuch der sechsten Auflage.

- VON CHRISTOPH BAUMEISTER

LANK-LATUM Beim abendliche­n Sonntagssp­aziergang hört das Ehepaar Michels aus der Ferne Musik. Mit jedem Schritt nähert es sich der Mittelstra­ße 80 in Lank-Latum. Auf Sicherheit­sabstand bleiben die beiden Senioren plötzlich stehen und lauschen den Klängen der Familie Höttecke. „Diese Lieder habe ich schon lange nicht mehr gehört. Sie versetzen mich in meine Jugend zurück“, sagt Hubert Michels mit leuchtende­n Augen. „Es klappert die Mühle am rauschende­n Bach“, „Der Mai ist gekommen“oder „Kein schöner Land in dieser Zeit“gehören diesmal zum Repertoire der Hötteckes.

Vor sechs Wochen gaben Maike (12), Maja (11) und Ina (7) zum ersten Mal ein Straßenkon­zert für die Nachbarsch­aft. Mutter Stefanie spielt Akkordeon, ihre drei Töchter wechseln sich am Mikrofon mit dem Gesang ab. Doch auf dem Bürgerstei­g vor ihrem Haus stehend musizieren sie nicht alleine. Vor jedem ihrer Konzerte werfen sie den Nachbarn Liedzettel in den Briefkaste­n. So können alle vor ihren Fenstern und Haustüren nicht nur zuhören, sondern auch mitsingen. „Als Ende März die Kontaktspe­rre in NRW in Kraft gesetzt wurde, haben wir uns dazu entschloss­en, das erste Konzert zu geben – und da die Resonanz sehr gut war, machen wir das jetzt jeden Sonntag um 18 Uhr“, sagt die elfjährige Maja. „Für viele Menschen ist dieses Ritual wichtig geworden, um sich in diesen Zeiten trotz Abstand nah sein zu können, eine Abwechslun­g

im Alltag zu haben und einfach nicht vergessen zu werden“, ergänzt Mutter Stefanie Höttecke.

Rund 30 Menschen haben sich an diesem Sonntagabe­nd vor ihren Haustüren und auf der Straße versammelt. Während das Ehepaar Michels zufällig vorbeigeko­mmen ist, sind alle übrigen Personen ganz bewusst draußen erschienen. „Es ist immer eine große Freude, hier gemeinsam zusammenzu­kommen. Unsere ohnehin schon gute Nachbarsch­aft wird durch diese Aktion noch weiter gestärkt“, finden Josef und Roswitha Sporr. Um alle in die richtige Gesangslau­ne zu bringen, verteilt Vater Rainer Höttecke vor dem Konzert – natürlich mit Mundschutz und Sicherheit­sabstand – ein Glas Maibowle an die Nachbarn. Inbrünstig stimmt manch älterer Herr in den Gesang ein, während andere mit geschlosse­nen Augen die Melodien mitsummen. Was zählt, ist das gleichgesi­nnte Erlebnis. „Wo kommt mehr Freude und Gemeinscha­ft auf als bei der Musik? Es ist einfach schön, über die verordnete Distanz hinweg eine Verbindung zu schaffen“, sagt Stefanie Höttecke. Sie ist stolz auf ihre drei Töchter, die die Konzerte nahezu im Alleingang organisier­en.

Dabei stellen Maike, Maja und Ina auch große Kreativitä­t unter Beweis, denn sie haben die Texte der Volksund Karnevalsl­ieder teils auch auf die aktuelle Situation umgeschrie­ben. So wird es aus dem Bläck FöössHit „Drink doch eine mit“plötzlich „Sing doch effe mit“oder aus „Fasteloven­d sin mer widder do“wird „Sundaach ovend sin mer widder do“. Auch das Kinderlied „Ich lieb den Frühling“haben die Hötteckes umgetextet. Jetzt heiß es: „Ich mag den Frühling, ich mag den Sonnensche­in. Wann wird Corona endlich vorüber sein? Wann darf ich endlich vor die Tür? Dumdididad­i, Dumdididad­i, Dumdididad­i, Dumdididad­i. Ich bleib zuhause, und das hat seinen Grund, denn ich hoffe, ihr bleibt alle gesund (…). Bald kommt der Sommer und auch der Sonnensche­in, dann wird Corona endlich vorüber sein. Wenn wir uns wiedersehe­n, wird das wunderschö­n.“

Nach einer guten halben Stunde ist das Fensterkon­zert vorbei. Maike, Maja und Ina blicken in glückliche Gesichter. „Es ist schön, dass wir gerade den älteren Menschen eine Freude machen können und diese für eine Weile ihrem Alltag entfliehen können“, sagt Maike. Deshalb wird die sechste Auflage des Straßenkon­zerts auch ganz sicher nicht die letzte gewesen sein. „Solange es die Kontaktspe­rre gibt, machen wir auf jeden Fall weiter“, sagt die Zwölfjähri­ge. Doch auch danach könnte das lieb gewonnene Ritual eine Fortsetzun­g finden. „Vielleicht machen wir das Ganze dann einmal im Monat.“Die Michels wird es freuen. „Wir kommen jetzt jeden Sonntag“, sagt das Ehepaar und setzt seinen Abendspazi­ergang fort.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Ein liebgewonn­enes neues Ritual auf der Mittelstra­ße in Lank: Die Familienko­nzerte von Familie Höttecke.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Ein liebgewonn­enes neues Ritual auf der Mittelstra­ße in Lank: Die Familienko­nzerte von Familie Höttecke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany