Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Im Öffnungswettlauf
Immer mehr Bundesländer verkünden eigenständig Lockerungsmaßnahmen. Am Mittwoch müssen die Grenzen ausgelotet werden.
BERLIN Schon vor der entscheidenden Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch haben zahlreiche Länder Lockerungen ihrer Corona-Maßnahmen verkündet. Erstaunen und teilweise Unmut unter den Bundesländern löste Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aus, der bereits am Dienstag ein Konzept für die Wiederbelebung des öffentlichen Lebens in Bayern vorstellte. Dort sollen im Mai schrittweise Schulen, Handel, Biergärten, Hotels und Campingplätze öffnen. Söder war bislang als Verfechter einer harten Shutdown-Strategie aufgetreten. Nun sagte Söder: „Corona ist unter Kontrolle.“
Auch andere Länder sind bereits vorgeprescht und haben eine Wiederbelebung des Tourismus wie Mecklenburg-Vorpommern, Öffnungen der Gastronomie wie Niedersachsen und eine Normalisierung des Grenzverkehrs wie Schleswig-Holstein angekündigt. In Nordrhein-Westfalen sollen vom Muttertag an wieder Besuche in Heimen möglich sein.
NRW hatte bei den Ladenöffnungen einen Sonderweg beschritten und auch Möbelhäusern und Babyfachgeschäften unabhängig von ihrer Größe die Öffnung erlaubt. Sportstätten sind anders als in zahlreichen anderen Ländern noch geschlossen. Allerdings wird erwartet, dass Nordrhein-Westfalen dort nach der Schalte eine Lockerung ankündigen wird, die der aus Bayern ähneln soll. Seit Montag sind bereits ähnlich wie in anderen Bundesländern Galerien, Museen, Gedenkstätten, Zoos, botanische Gärten sowie Bildungseinrichtungen wie Volkshochschulen wieder geöffnet. Die Spielplätze werden am Donnerstag freigegeben – gleichzeitig startet der Unterricht für die vierten Klassen an den Grundschulen. Abiturienten werden bereits seit dem 23. April in freiwilligen Kursen unterrichtet, Schüler, die vor einem Abschluss in der zehnten Klasse stehen – etwa an den Berufskollegs –, sind seit demselben Tag verpflichtend zurück an den Schulen. Weitere Schulöffnungen und Lockerungen für die Kindergärten sollen abgestimmt werden.
Lockerungen zeichnen sich auch für Gastronomie und Hotels ab, insbesondere bei der Außengastronomie: Die Wirtschaftsminister der Länder streben unter Auflagen in einem Korridor vom 9. bis 22. Mai eine bundesweite kontrollierte Öffnung des Gastgewerbes an, wie dpa am Dienstagabend berichtete. Im Raum steht zudem eine generelle Lockerung der Kontaktsperre, so dass auch in NRW wieder Treffen im öffentlichen Raum mit bis zu fünf Personen möglich würden. Sachsen-Anhalt war hier vorgeprescht, nachdem es zuvor einen restriktiven Kurs gefahren hatte.
Am Mittwoch dürften in der Runde auch Entscheidungen über einen Start der Bundesliga am Ende der kommenden Woche und eine gänzliche Öffnung des Handels beschlossen werden. Einmal mehr werden die Ministerpräsidenten auch über die Großveranstaltungen reden. Zwar hatten sich die Länderchefs bei ihrer vergangenen Telefonschalte auf eine Absage von Großveranstaltungen bis Ende August verständigt und dabei unter anderem Schützenfeste, Stadtfeste, Weinfeste und Musikfestivals klar benannt. Doch diese Regelung reichte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Informationen aus Verhandlungskreisen nicht aus. Die Kanzlerin habe deshalb darauf gedrungen, dass es eine Präzisierung insbesondere bei der Definition der Veranstaltungsgröße gibt. Auch hierzu werden Vorschläge erwartet.
Aus Sicht der Kommunen ist das uneinheitliche Vorgehen der Länder angemessen. „Das unterschiedliche Tempo der Länder spiegelt in weiten Teilen die unterschiedliche Infektionslage“, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes,
Gerd Landsberg, unserer Redaktion. Es gebe nach wie vor Städte und Regionen, in denen die Infektionszahlen sehr niedrig seien. Erste Städte hätten sich bereits für coronafrei erklärt. „Vor diesem Hintergrund sind die Differenzierungen richtig, werden von den Menschen akzeptiert und zeigen zugleich, dass föderale Strukturen in einer solchen Krise hilfreich sind“, betonte Landsberg, der dies aber nicht als „langfristige Perspektive“sieht. Wenn die Krise überwunden oder ein Impfstoff vorhanden sei, würden sich die Regelungen wieder angleichen. „Das unterschiedliche Tempo ist für die Kommunen akzeptabel, und sie erklären es ihren Bürgerinnen und Bürgern anhand der Datenlage fast täglich“, betonte Landsberg.
Vor dem Hintergrund des regional unterschiedlichen Infektionsgeschehens drang Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Kriterien, wann man frühzeitig bei Landkreisen mit den kommunalen Behörden vor Ort einschreiten und gegebenenfalls wieder zu Einschränkungen kommen soll. Dies müsse „viel früher, viel zielgenauer, regional“erfolgen. So könnten „sehr schnell“lokale Maßnahmen getroffen werden, „damit daraus erst gar nicht was Größeres werden kann“, betonte der Gesundheitsminister im Deutschlandfunk.